600 Jahre wird das Traditionslokal „Zum Stachel“ in diesem Jahr alt und gehört damit zu den ältesten Gastronomien in Deutschland. In jedem Reiseführer über Würzburg ist der Stachel vertreten. Für 7. April hatten die Wirtsleute Richard und Petra Huth die große Jubiläumsfeier geplant. Eine Chronik ist schon gedruckt, die Jubiläumsweine liegen im Keller parat. Doch nun ist alles vorbei: Der Verpächter habe den Wirtsleuten kurzfristig gekündigt, heißt es.
Wirt Richard Huth nennt als Hintergrund Streitereien mit der Erbengemeinschaft, die sich über Jahre hinzogen. Es sei dabei um dringend notwendige Sanierungsarbeiten bei defekten Leitungen oder um fehlende Umkleideräume für das Personal gegangen, die vom Gesundheitsamt angemahnt worden seien. Man sei jedoch nur hingehalten worden und habe selbst viel Geld investieren müssen.
Auf Anraten ihres Rechtsanwaltes hatten die Wirtsleute vor kurzem die Pacht gekürzt, was die Kündigung zur Folge gehabt habe. Für Huth ist es besonders schmerzlich, dass er sein Personal habe entlassen müssen, denn das sei eine sehr gute Truppe gewesen. Wann und durch wen das Traditionslokal wieder eröffnet wird, ist derzeit nicht bekannt.
600 Jahre Gastwirtschaft
Das Haus in der engen Gressengasse nahe der Marienkapelle gehört zu den bekanntesten Gasthäusern im Lande. Durch das romanische Doppeltor, entstanden in der Zeit der Staufer um 1200, führt der Weg in den schönen Innenhof mit seiner geschwungenen Steintreppe hoch zur Altane. Der „hintere Gressenhof“, wie er früher hieß, hatte seinen Namen von der einflussreichen Adelsfamilie Cresse, nach der das ganze Viertel benannt war. Die Bewohner des Viertels hatten hier ab dem Jahr 1410 ihre Steuern und Abgaben zu entrichten, und dazu gehörte damals auch Wein. So war es naheliegend, dass man auch Wein ausschenkte.
Im Jahr 1413 jedenfalls wurde der „hintere Gressenhof“ an den Metzger Hanns Rehlein und seine „Ehefrau und Wirtin“ Margarete für 200 Rheinische Gulden verkauft und damit eine nun 600-jährige gastronomische Tradition begründet.
Den Namen „Stachel“ bekam das Gasthaus gut 100 Jahre später im Bauernkrieg. Es war Treffpunkt der gegen Adel und Klerus rebellierenden Bürger und berühmter Anführer des Aufstandes wie die Reichsritter Götz von Berlichingen und Florian Geyer. Zum Zeichen besonderer Zusammenkünfte wurde ein Morgenstern, der „Stachel“, zum Fenster hinausgehängt. Nach der Niederschlagung des Aufstandes wurden Versammlungen im Gasthaus „Stachel“ verboten. Das Haus verarmte. Im 17. Jahrhundert ließ es die Patrizierfamilie Hahn im Stil der Spätrenaissance umbauen. Es erhielt seinen idyllischen Innenhof und im Obergeschoss reihum stattliche Gemächer mit Stuckdecken.
Zum 500-jährigen Jubiläum im Jahr 1913 ließ der damalige Wirt Caspar Burger von dem bekannten Bildschnitzer Heinz Schiestl die beiden Gasträume in dem für ihn typischen neugotischen Stil mit Schnitzereien und Holzfiguren ausstatten. Das Ende der Pracht kam mit dem Bombenangriff auf Würzburg am 16. März 1945. Der Stachel wurde ein Raub der Flammen. 1948 begann die Familie Hochrein mit dem Wegräumen des Schuttes und dem Wiederaufbau. Am Nikolaustag 1949 wurde der „Stachel“ feierlich wiedereröffnet. Zug um Zug ließ die Familie das Bild des alten Stachel wieder erstehen, und auch der Innenhof bekam seinen alten Charme wieder.
Seit acht Jahren begleiteten Richard und Petra Huth die Geschichte des „Stachel“ mit viel Herzblut. Doch nun ist das traditionsreiche Wirtshaus geschlossen.