Ein Ort zum Wohlfühlen? So würden wohl die wenigsten Menschen den Friedhof beschreiben. Thomas Struchholz, ein auf die Gestaltung des letzten Ruheorts spezialisierter Veitshöchheimer Landschaftsarchitekt, weiß das – und will es ändern. Für ihn können die Begräbnisstätten „Orte mit Zukunft“ sein, wenn in der Planung gewisse Regeln berücksichtigt und nachhaltig überlegt wurde. Sein umfassendes Wissen und visionäre Gedanken zum Thema hat Struchholz nun in einem Buch zusammengefasst, das nicht nur angehenden Bestattermeistern eine lehrreiche Lektüre sein soll.
Ein geschwungener Weg aus feinem Kies führt vorbei an durch Rindenmulch unterschiedlich begrenzten und geformten Erdflächen. Schon bald soll hier Rasen wachsen. Der Pfad erreicht eine leicht gewölbte Holzbrücke mit silbernen Stahlgeländern; sie überquert ein von massiven Steinen eingefasstes Flussbecken ohne Wasser. „Lebensfluss“ ist das Thema der gerade entstehenden Anlage, die von Bäumen gesäumt ist. Die neuen Urnenfelder sollen als Erweiterung für den Veitshöchheimer Waldfriedhof dienen und sind geprägt von den Ideen des Landschaftsarchitekten Struchholz.
„Wir brauchen völlig neue Begräbnisstätten“ sagt Struchholz und lädt zum Umdenken ein. Individualisierte Begräbnismöglichkeiten statt der immer gleichen Steinplatten. Friedhof als Ort der Erinnerung und Begegnung statt Angst vor etwas diffus „horrormäßig Schlechtem“. Bessere Zusammenarbeit aller Gewerbe, die mit dem Sterben ihr Geld verdienen – Floristen, Bestatter, Steinmetze, Pfarrer, Friedhofsträger. Und eine stärkere Orientierung Jener an den Wünschen der Dienstleistungsgesellschaft – zum Beispiel durch das Anbieten fertiger, aber trotzdem kreativer Paketlösungen für die letzte Ruhestätte.
Fast 25 Jahre arbeitet Thomas Struchholz nun als freier Landschaftsarchitekt mit dem Spezialgebiet Friedhofsplanung. In dieser Zeit entwickelte er ein Faktenwissen, das von Verwesungsvorgängen bis Unterhaltsfragen, von gesetzlichen Besonderheiten bis zum Naturschutz oder den erforderlichen Gerätschaften im Bestattungswesen reicht.
„Wir brauchen völlig neue Begräbnisstätten.“
Thomas Struchholz Landschaftsarchitekt
Kein Wunder, dass ihn das Bundesausbildungszentrum der Bestatter in Münnerstadt als Dozent verpflichtete. Schnell merkte er aber in den Kursen: ein umfassendes Lehrwerk, das alle wichtigen Fachgebiete verbindet, fehlte schlicht und einfach.
„Es hat mir wirklich gestunken, dass ich immer packenweise Skripte austeilen und die Leute sich durch diesen Wust durchwühlen mussten“, erinnert sich Struchholz. „Wenn sie all diese Dinge schon lernen müssen, dann wenigstens richtig strukturiert.“ So machte sich der Veitshöchheimer an die Arbeit, fuhr für Fotos und auf der Suche nach beispielhaften Friedhöfen durch ganz Deutschland – aber auch ins Ausland; packte seine Erfahrungen in übersichtliche Kapitel und anschauliche Geschichten.
Im Herbst erschien das 292 Seiten dicke Werk – und „ließ in der Fachwelt aufhorchen“, wie der Autor stolz erzählt. Das Buch fasse „erstmals zusammen, was an Erfahrungen und Erkenntnissen zum Friedhof vorliegt“, lobt der Generalsekretär des Bundesverbands Deutscher Bestatter, Rolf Lichtner. Und auch der Bremer Klaus Dirschauer, Struchholz’ Kollege in Münnerstadt, wertet das Lehrbuch als „bemerkenswerten Glücksfall für die Bestatterbranche“.
Und so ist Struchholz’ vorrangiges Ziel, den Friedhof als Netzwerk zwischen allen beteiligten Branchen und dem Bestatter als Vermittler zum „Kunden“; als Ort der positiven Erinnerung umzugestalten und zu etablieren, in schriftlicher Form nun Jedermann zugänglich. Keine schlechte Investition: denn etwas mehr Entspannung und Offenheit im Umgang mit dem Thema Tod sei – so Struchholz – gerade in einer auf Jugendlichkeit konzentrierten Gesellschaft besonders notwendig.
Ob die Visionen des Friedhofsplaners umsetzbar sind, ist auf den neuen Feldern des Veitshöchheimer Waldfriedhofs schon bald gut nachvollziehbar. Dann, wenn auf den Einzelflächen Gras gewachsen ist, kleine Schiffchen mit den Namen der Verstorbenen im Flussbecken verankert sind und Angehörige sich mit losen Stühlen individuelle Trauerräume schaffen können. Wenn für Grabpflege und Blumenschmuck gesorgt und dennoch ganz individuelle Gestaltung möglich ist.
Der Friedhof soll nicht nur eine letzte Ruhestätte für die Toten sein – sondern zum „Ort für die Lebenden“ werden.
Thomas Struchholz: Friedhof – Ein Ort mit Zukunft. 292 Seiten, 54 Euro.