Die Diagnose war für ihn ein Schock. „Ich hatte immer aufgepasst“, sagt Alexander Götz. Vermutlich ist ihm ein gerissenes Kondom zum Verhängnis geworden: Anfang 2014 erfuhr der Würzburger, dass er „HIV-positiv“ ist. Ein halbes Jahr lang hatte er schwer daran zu knabbern. Dann entscheid er sich, in die Offensive zu gehen. Er gründete den Verein „Ein Plus verbindet“. Am 18. September geht die vom ihm initiierte Selbsthilfegruppe „positHIV leben“ an den Start.
Die ersten Monate nach einer HIV-Diagnose sind für jeden Betroffenen entsetzlich, weiß Götz: „Ich kenne Menschen, die sich in dieser Situation das Leben nehmen wollten.“ Auch er sei seelisch labil gewesen. Umso schrecklicher waren die Diskriminierungen, auf die er stieß. In den vergangenen fast vier Jahren erlebte Götz immer wieder, welche Ängste und welche Abwehrhaltungen nach wie vor gegenüber Menschen mit HIV bestehen.
Den frisch unterzeichneten Arbeitsvertrag zurückgezogen
Da war zum Beispiel die Friseurin, die ihn an der Tür des Salons zur Begrüßung mit schwarzen Latexhandschuhen die Hand gab: „Das konnte ich gar nicht fassen.“ In einem Chatforum wurde er als „Aidsschleuder“ beschimpft. Ein Arzt streifte sich gleich drei Paar Handschuhe über, als er ihm eine Infusionsnadel legen musste. Die Chefin eines Unternehmens, bei dem er sich beworben hatte, zog, als sie von seiner Diagnose hörte, den frisch unterzeichneten Arbeitsvertrag zurück. Weshalb Götz vors Gericht zog. Dort wurde ihm bestätigt, dass dies ein klarer Verstoß gegen das Antidiskriminierungsgesetz ist.
„Kürzlich musste ich 28 Stunden nüchtern auf eine Operation warten“, erzählt der homosexuelle Mann, der sein Alter nicht preisgeben möchte. Um 4 Uhr in der Nacht sei er als letzter Patient drangekommen. Götz: „Man machte keinen Hehl daraus, dass das daran lag, dass ich HIV habe.
Vorurteile gegenüber Menschen mit HIV
Alexander Götz findet es empörend, wie weit verbreitet Vorurteile gegenüber Menschen mit HIV noch immer sind. Aktiv will er hiergegen angehen: „Deshalb oute ich mich.“ Gleichzeitig möchte er für Menschen da sein, die HIV haben, sich vor einer möglichen Diagnose fürchten oder einen Menschen kennen, der HIV hat – und nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. In Notfällen ist der Gründer und Vorstand von „Ein Plus verbindet“ Tag und Nacht erreichbar: „Was derzeit auch gut genutzt wird.“ Am Telefon berichtet er HIV-Betroffenen in Krisen von seinen eigenen Erfahrungen. Versucht Ängste und Verzweiflung zu nehmen.
Dass er das HI-Virus trägt, sieht man Götz nicht an. Er wirkt kerngesund, lebensfroh, sympathisch. „Ich führe auch ein ganz normalen Leben“, sagt er. Der einzige Unterschied zu seinem Alltag vor der Diagnose besteht darin, dass er nun Tabletten nehmen muss. Dank der antiretroviralen Therapie ist seine Viruslast jedoch unter der Nachweisgrenze: „Ich bin also nicht ansteckend.
“ Nebenwirkungen spürte er nur kurz nach Beginn der Behandlung: „Ich esse ganz normal und bin ganz normal leistungsfähig.“
Zu Aids kommt es heute in Deutschland nur noch selten
Was ihn besonders ärgert, ist die Tatsache, dass gemeinhin nicht zwischen „Aids“ und „HIV“ unterschieden wird. Zu Aids kommt es heute in Deutschland nur noch selten. Eigentlich nur dann, wenn sich Menschen erst sehr spät testen lassen. HIV zu haben, sei mit Aids in keiner Weise vergleichbar, betont Götz: „Und doch wird ständig das Wort ,Aids? verwendet.“ In Unterfranken gibt es eine „Aidsberatungsstelle“, deutschlandweit ist die „Aids-Hilfe“ aktiv. Götz nervt das. Auch den Welt-Aids-Tag möchte er am liebsten umbenennen: „Es müsste Welt-HIV-und-Aids-Tag heißen.“
Die nach wie vor riesige Angst vor Aids führt Götz zufolge dazu, dass Menschen mit HIV noch immer mit massiven Diskriminierungen fertig werden müssen. Wobei es zum Glück Ausnahmen gibt: „Meiner Schwester habe ich nach meiner Diagnose viel zu verdanken, sie hat mich aufgebaut.“ Womit Götz nicht gerechnet hätte: „Ich hatte Bedenken, dass sie mir am Ende den Kontakt mit ihren beiden Kindern untersagt.“ Doch das habe ihr völlig fern gelegen.
Für manche wäre dieser Austausch überlebenswichtig
Ob am 18. September um 18 Uhr wohl jemand ins Selbsthilfehaus kommt, um am ersten Treffen der neuen Selbsthilfegruppe teilzunehmen? Alexander Götz rechnet damit, dass er erst einmal alleine dasitzen wird: „Eben wegen der riesigen Angst, sich zu outen.“ Doch auch dann wird er nicht aufgeben. Denn er weiß, wie viele Menschen mit HIV sich einen Austausch mit gleichfalls Betroffenen wünschen. Für manche wäre dieser Austausch überlebenswichtig, sagt er. Denn sie haben durch die Diagnose jeden Lebensmut verloren. „Ich kannte einen 21-jährigen Mann, der sich wegen der Diagnose umbrachte“, sagt Götz. Genau so etwas möchte er verhindern.
Weitere Infos: www.einplusverbindet.com