Die Schilder stimmen nachdenklich: „Ausverkauf“, „Wir schließen“ und „Vielen Dank für ihre langjährige Treue“ lesen die Passanten in der Ochsenfurter Hauptstraße. Drei Textilgeschäfte machen dieses Jahr dicht – Gregor G Sixty, s.Oliver und Zeitgeist. Gerüchteweise heißt es, auch andere Einzelhändler wollten die Altstadt verlassen. Einige von ihnen geben jedoch Entwarnung – zumindest vorläufig.
„Wir bleiben“, sagt mit Nachdruck Günter Fuchs, Geschäftsführer des Modegeschäftes „Insider Young“ an der Ecke Hauptstraße/Brückenstraße. „Gerade erst ist unsere Frühlingskollektion eingetroffen.“ Das annähernd zeitgleiche Ende dreier Einzelhandelsgeschäfte lässt offensichtlich die Gerüchte ins Kraut schießen. So sehen manche auch den Sporttreff Amthor als Kandidaten für eine baldige Schließung. Geschäftsführer Stefan Amthor hat zwar diesbezüglich im Moment noch keine konkreten Pläne. Allerdings ist er mit dem Standort Ochsenfurt alles andere als zufrieden.
„Hier ist definitiv nichts los“, sagt Amthor. Als er vor drei Jahren sein Geschäft in der Hauptstraße eröffnete, hatte er sich etwas anderes erwartet. Er hatte geglaubt, nach der Altstadtsanierung, die die Innenstadt viele Besucher gekostet hatte, würden sich die Straßen wieder beleben. Statt dessen müsse er deutlich mehr als in seinen anderen Filialen für Werbung ausgeben und erzielt trotzdem keinen zufriedenstellenden Umsatz. Seiner Meinung nach müsste in Ochsenfurt in Sachen Marketing mehr passieren. „Vier verkaufsoffene Sonntage im Jahr bringen da nicht viel“, sagt er.
Von der Gastronomie dominiert
Die Innenstadt werde nicht vom Einzelhandel dominiert, sondern von der Gastronomie, sagt Amthor. Die laufe aber auch ohne große Werbung. Ochsenfurt müsse als Einkaufsstadt bekannt gemacht werden, glaubt er. Als Stadt, wo man nicht nur Kaffee trinken, sondern von einem Laden zum nächsten bummeln kann. „Außerdem müsste man sich mal entscheiden, ob man nun eine Fußgängerzone haben will oder nicht“, stellt er klar.
Eine von Schiffs- und Radtouristen sowie Fußgängern dominierte Altstadt mit kostenlosen Parkplätzen am Main könne durchaus ein Anziehungspunkt sein. Nicht aber die Kurzzeiteinkäufer, die die Geschäftseingänge zuparken. Stefan Amthor hält bereits nach einem anderen Standort Ausschau. Kitzingen fände er nicht schlecht. „Sobald ich was Passendes finde, bin ich weg“, sagt er.
Christiane Bliss, Inhaberin der Bio-Galerie in der Hauptstraße, plant mit ihrem Geschäft ebenfalls einen Umzug, obwohl sie eigentlich gern bleiben würde. Beworben hat sie sich um Räumlichkeiten im Knaus-Center. Ein genauer Zeitpunkt steht allerdings noch nicht fest. Christiane Bliss fehlen, ebenso wie Amthor, schlicht Menschen in der Altstadt. „Freitagnachmittags ist hier nichts mehr los“, sagt sie. Als es noch mehr Parkplätze in der Hauptstraße gab, seien auch mehr Kunden gekommen, erinnert sie sich.
Ralf Kaufmann, der das Geschäft Gregor G Sixty betreibt, will sich zu den Gründen für die Schließung gegenüber der Main-Post nicht äußern. Entsetzen herrscht bei Kundinnen des s.Oliver-Geschäftes gegenüber der St.-Andreas-Kirche, wo es Damenbekleidung gibt. „Jetzt kann man in Ochsenfurt bald gar nichts mehr kaufen“, ist zu hören. Im Frühjahr wird dort Schluss sein.
Das Geschäft Zeitgeist am Rossbrunnen hat seine Pforten bereits geschlossen. Betreiber beider Geschäfte ist Michael Freier. Er hat keine Lust, in seine Ochsenfurter Läden noch weiter zu investieren und Verluste zu riskieren. Für den Einzelhandel in der Altstadt sieht er keine Zukunft.
„Seit Jahren macht die Stadtverwaltung keine Anstalten, den Einzelhandel ernst zu nehmen“, macht Freier im Gespräch mit der Main-Post seinem Ärger Luft. „Jetzt bekommen sie die Quittung.“ Die Stadt hätte Geld in die Hand nehmen müssen, um beispielsweise einen attraktiven Weihnachtsmarkt zu gestalten, moniert der Geschäftsmann.
Ein großes Problem ist aus Freiers Sicht die Parkplatzsituation. „Man kann Ochsenfurt nicht mit Würzburg vergleichen, wo die Leute von einem Geschäft zum nächsten bummeln.“ In Ochsenfurt nähmen es die Kunden einfach nicht in Kauf, am Main zu parken, um in der Altstadt einzukaufen. Das, die Konkurrenz der regionalen Zentren und der Online-Handel würden in spätestens fünf Jahren dazu führen, dass Ochsenfurt „in Schönheit sterbe“, glaubt Freier.
Müller Markt schließt 2015
Verkäuferinnen in den Läden der Altstadt erinnern sich an Zeiten, als es noch ein kleines Lebensmittelgeschäft gab und mehr Ärzte ihre Praxen in der Innenstadt hatten. Damals seien viele Kunden durch die Geschäfte geschlendert, während ihre Angehörigen einen Arzttermin wahrnahmen. Konkurrenz fürchten die Verkäuferinnen nicht. Im Gegenteil: Sie wünschen sich sogar möglichst viele unterschiedliche Geschäfte in der Nähe, um verschiedene Kundenkreise anzusprechen.
Stattdessen geht die Entwicklung in die andere Richtung. Leer steht nach einem kurzen Gastspiel des Telekommunikationsunternehmens Vodafone ein großer Laden in bester Lage am Marktplatz, Stammhaus der Firma Ruhl. Leer auch die bisherigen Räumlichkeiten der Buchhandlung am Turm, die nun ein Stück weiter unten am Marktplatz residiert.
Und auch die Filiale der Drogerie Müller in der Hauptstraße wird zum 15. Januar 2015 schließen. Die Gerüchte darüber kursieren seit Tagen. Im Wahlforum der Main-Post hatte sich Bürgermeister Rainer Friedrich noch ausweichend zu den Schließungsplänen und Gesprächen zwischen der Handelskette und der Stadt geäußert. Müller habe sich überzeugen lassen, „noch“ in der Altstadt zu bleiben, sagte Friedrich dort.
Jetzt hat sich die Geschäftsführung auf Anfrage der Main-Post offiziell geäußert. „Eine Verlegung unseres jetzigen Standortes auf die ,grüne Wiese‘ wurde von der Stadt abgelehnt. Somit wurde beschlossen, die Filiale zu schließen“, heißt es in der knappen Mitteilung der Unternehmenssprecherin. Die Kündigung sei bereits erfolgt, die Mitarbeiterinnen würden in zwei neuen Filialen weiterbeschäftigt.
Bürgermeister Rainer Friedrich widerspricht dieser Darstellung. Seit langem stehe er mit der Drogeriemarktkette in Kontakt und sei über die Umsiedlungspläne informiert. In diesen Gesprächen sei es gelungen, Müller zu einem Aufschub der Schießung bis Januar 2015 zu bewegen. Auf den Flächen, die das Unternehmen ins Auge gefasst hat, sei eine Ansiedlung nicht möglich. Das verbiete der Bebauungsplan, der nicht zulässt, dass sich im Umfeld der Innenstadt weitere Geschäfte niederlassen, die den Läden in der Altstadt Konkurrenz machen.
Der Bürgermeister verteidigt diese Einschränkungen. „Wenn wir diese Flächen außerhalb der Altstadt nicht reguliert hätten, hätten wir noch vier, fünf Märkte mehr, die Kaufkraft aus der Innenstadt abziehen“, sagt Friedrich. Er wolle trotzdem mit Müller im Gespräch bleiben, mit dem Ziel, einen anderen geeigneten Standort im Stadtgebiet zu finden.