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WÜRZBURG: Die Blumenschau zum Hören

WÜRZBURG

Die Blumenschau zum Hören

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    Im Studio: Komponist Burkard Schmidl, damals 34 Jahre alt, mit dem Geschäftsführer der LGS GmbH Winfried Dill beim Probehören des „Klanggarten“.
    Im Studio: Komponist Burkard Schmidl, damals 34 Jahre alt, mit dem Geschäftsführer der LGS GmbH Winfried Dill beim Probehören des „Klanggarten“. Foto: Foto: HANS HEER

    Bis zum Jahr 1990 waren Gartenschauen überwiegend etwas fürs Auge, zum Hinschauen und Betrachten. Doch mit der Eröffnung der Würzburger Landesgartenschau am 27. April 1990 änderte sich das schlagartig. Erstmals gab es eine Gartenschau nicht nur zum Sehen, sondern auch zum Hören. Zwar hörte man nicht das Gras wachsen, aber der damals 34-jährige Würzburger Komponist Burkard Schmidl wagte ein Experiment und richtete einen „Klanggarten“ im Gartenschaupark ein. Damit betrat er absolutes Neuland. Binnen kurzer Zeit entwickelte sich der „Klanggarten“ zur großen Attraktion bei Jung und Alt.

    Kurze Zeit vorher machte der gebürtige Würzburger noch als Keyboard-Spieler in damals angesagten deutschen Bands wie „Missus Beastly“ schrägen Jazzrock und erkundete mit den „Dissidenten“ die Klänge Indiens und Nordafrikas. Er war kreuz und quer in der Welt unterwegs. Das klingt nach viel Abwechslung. Doch Schmidls Erfahrungen sind andere: „Fast jeder Tag hatte den gleichen Ablauf“, erinnert er sich: „Hinfahren, Aufbauen, Spielen, Abbauen“. Nach etwa 1500 Konzerten hatte er genug von diesem Vagabundenleben auf Konzerttourneen.

    Da kam das Angebot zur Teilnahme an dem Projekt „Kunst Disco“ bei den Olympischen Sommerspielen in Seoul 1988 genau richtig. Das Goethe Institut wollte dort junge, aber bereits arrivierte Künstler auftreten lassen, um einerseits die südkoreanische Jugend anzusprechen und gleichzeitig ein zeitgenössisches Bild von Deutschland (in der Ära Kohl) zu zeigen. Und Burkard Schmidl war einer von drei Hauptkomponisten, die mit ihren Arbeiten zu diesem offiziellen Kulturbeitrag Deutschlands eingeladen waren.

    Danach reifte in ihm der Entschluss, das Bühnenleben mit einer Band zu verlassen und eigene musikalische Konzepte zu entwickeln. Und dann kam die Landesgartenschau (LGS) 1990 in seine Heimatstadt Würzburg. „Wir, das waren meine Frau und der befreundete Schlagzeuger Freddy Setz, haben uns zusammengesetzt und überlegt, was man dazu musikalisch beitragen könnte“, erzählt Schmidl 25 Jahre später. Für ihn war klar, dass es etwas anderes sein musste als die frickeligen Klaviersoli und die krummen Takte, die er mit seinen Bands gespielt hatte.

    Kurz zuvor hatte er gehört, dass es in Amsterdam ein musikalisches Experiment im Freien gebe, bei dem Lautsprecher in Bäumen hingen. Und außerdem, da war man 1988 noch Hippie genug, war in diesen Kreisen gerade das Buch „The Secret Life of Plants“ (Das geheime Leben der Pflanzen) schwer angesagt. Da ging es unter anderem darum, dass und wie Pflanzen auf äußere Reize, auch die Beschallung mit Musik, reagieren. Und Schmidl las dort auch, dass entspannte Musik das Pflanzenwachstum positiv beeinflusst im Gegensatz zu hartem Rock oder zeitgenössischer E-Musik.

    Damit hatte Schmidl seinen Kompositionsansatz für ein Gartenschau-Projekt gefunden, für das er zu diesem Zeitpunkt noch gar keinen Auftrag hatte. „Die Pflanzen müssen bei der Gartenschau der Star sein“, habe er sich damals gedacht und wollte diese Erkenntnis in eine Komposition umsetzen. Vor allem sollte die Musik eines sein: entspannt und ruhig.

    Also produzierte Schmidl ein kurzes Demo und wandte sich damit an den Geschäftsführer der LGS-GmbH Winfried Dill. In der Hoffnung dort auf offene Ohren zu stoßen: „Ich war ja in dieser Szene fast völlig unbekannt“, blickt er zurück. Aber Dill gefiel, was er hörte und er überzeugte die zuständigen Entscheidungsgremien von Schmidls Absichten.

    „Mir war schnell klar, dass es etwas mit Lautsprechern, die in Bäumen hängen, werden sollte“, erzählt Schmidl. Aber zunächst mal mussten Boxen gefunden werden, die einem mehrmonatigen Betrieb im Freien standhielten. So etwas gab es nämlich bislang nicht. Doch Schmidl wurde fündig.

    Es gab aber noch weitere Hürden zu überwinden. Schmidls Musik sollte nämlich in dreifacher Quadrofonie aus zwölf Lautsprechern erklingen. Je nach Standort sollte immer nur ein Teil der Klänge zu hören sein, erst im Mittelpunkt der Boxenanordnung war das gesamte Klangbild erfassbar. Das Problem: Schmidls Heimstudio war auf Stereobetrieb ausgelegt, er konnte also beim Komponieren nie das hören, was später einmal als klangliche Einheit ertönen sollte. „Dennoch ist mir das Komponieren leicht gefallen, obwohl die Musik eine ganz andere war, als alles, was ich vorher gemacht habe und was mich ausgezeichnet hat“ , blickt er zurück.

    Abgeschottet von der Außenwelt hat er in seinem Studio seine elektronisch erzeugte Musik mit Naturgeräuschen und Tierstimmen kombiniert. Was heute im Zeitalter digitaler Technik so einfach klingt, war damals noch ein aufwändiger Prozess. Schmidl nutzte dafür ein 16-Spur-Tonbandgerät, das auch bei der Aufführung im Klangarten eingesetzt wurde. „Immer wenn die knapp einstündige 17-teilige Komposition zu Ende war, gab es eine längere Pause beim Zurückspulen des Tonbandes“, erinnert sich der 59-Jährige.

    Und dann schlug am 27. April 1990 die große Stunde. „Dass technisch alles funktionieren würde, da war ich mir sicher“, erinnert sich der Komponist. Nervös war er jedoch, ob das Klangerlebnis bei den Zuhörern ankommen würde. Erst kurz vor der Gartenschau hatte Schmidl erstmals das Ergebnis komplett gehört: „Da war ich schon etwas ergriffen“, beschreibt er diesen Moment, mitten in der Natur diese Musik zu hören.

    So empfanden es auch die Zuhörer, die in Scharen in den Klanggarten auf der Bastion am Zeller Tor strömten. „Da saßen Langhaarige neben Nonnen, Opas kamen mit ihren Enkeln, ganz normale Leute“, bemerkte Schmidl bei seinen Besuchen. Denn er mischte sich immer wieder mal unters Publikum, um die Resonanz auf sein Werk zu testen. Da spürte er, dass er alles richtig gemacht hatte. Seine entspannende und wohltuende Musik sprach junge und alte Menschen gleichermaßen an, plötzlich erreichte er nicht mehr nur ein reines Rock- oder Jazzpublikum, sondern Menschen aller Altersstufen und sozialen Schichten. Das war für den Komponisten doch eine große Überraschung.

    Der Klanggarten entwickelte sich in Würzburg zum Renner der LGS. Und wer ihn damals besuchte, erinnert sich noch heute daran. Nur die Veranstalter schienen nicht so ganz an den Erfolg zu glauben, denn auf dem LGS-Lageplan ist nur der Skulpturengarten, nicht aber der Klanggarten eingezeichnet, wenngleich er im Skulpturengarten stattfand.

    Es sollte nicht lange dauern, bis Burkard Schmidl Anfragen von anderen Gartenschauen bekam, die ihren Besuchern auch einen Klanggarten anbieten wollten. Eine der ersten war die Internationale Gartenschau in Stuttgart, für die Schmidl 1993 den Klanggarten II komponierte. In vielen Städten wurden seine Installationen sogar dauerhaft eingerichtet.

    Das hätte dem „Klanggärtner“ auch in Würzburg gefallen. Aber was noch nicht ist, kann ja noch werden. Denn nur zu gerne würde Burkard Schmidl auch für die Landesgartenschau 2018 im neuen Stadtteil Hubland einen Beitrag leisten. Ideen dafür hat er schon, sagt er.

    Die Musik des Klanggartens I mit dem Titel „Natural Swing“ ist bei iTunes und anderen Anbietern als Download erhältlich. Die CD kann bei Burkard Schmidl über dessen Website www.klanggarten.de bestellt werden.

    Und hier schon ein kleiner Vorgeschmack:

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