Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Würzburg
Icon Pfeil nach unten
Landkreis Würzburg
Icon Pfeil nach unten

Randersacker: „Die Schnasse“ wird 85

Randersacker

„Die Schnasse“ wird 85

    • |
    • |
    Wiebke Schnasse, langjährige SPD-Gemeinde- und Kreisrätin aus Randersacker, in ihrem Garten.
    Wiebke Schnasse, langjährige SPD-Gemeinde- und Kreisrätin aus Randersacker, in ihrem Garten. Foto: Antje Roscoe

    Jahrelang war sie immer nur "die Schnasse" gewesen, die "rote Hex", das "böse Weib". Als eine der ersten Frauen im Randersackerer Gemeinderat und im Würzburger Kreistag, eine kämpferische SPD-Genossin noch dazu, war Wiebke Schnasse, Jahrgang 1936, definitiv ein Phänomen der politischen Emanzipation, aber nicht nur.

    Eine spätberufene 68erin war sie, die mit Mann und drei kleinen Kindern, zwischen 1961 und 1964 geboren, demonstrieren ging. Mit 35 Jahren tritt sie in die SPD ein. Für sie war es eine folgerichtige Entscheidung ohne Alternative, denn zu Hause, direkt hinter einem Dithmarscher Deich, hatte die Armut der Krabbenfischer-Kinder die Weltsicht der "Speckbauern"-Tochter Wiebke geprägt. Eine landwirtschaftliche Lehre hatte sie gemacht – zu ihrem großen Glück auf Pferdehöfen. Bei einem Au-Pair-Jahr in Paris schnuppert sie in die Welt, doch Friedrich Schnasse wartet schon ungeduldig, will heiraten. Der Architekt landet in einem Würzburger Büro, die Zugereisten 1966 in Randersacker. Mit 40 Jahren holt sie das Abitur nach. Der Traum vom Studium der Stadtsoziologie und Städteplanung ist greifbar. Er wird schweren Herzens aufgegeben. Ihre Präsenz in der Familie ist wichtiger. "Es war das Richtige", sagt sie. Auch im Rückblick.

    In Randersacker soll sie nur helfen, die Kandidatenliste aufzufüllen. "Wirscht eh net gwählt!", versichern ihr die Genossen. Das war falsch. Sie wurde sogar an etablierten Genossen vorbei gewählt. 24 Jahre arbeitete sie ab 1978 im Marktgemeinderat mit und von 1986 bis 2002 im Kreistag – mit der "Lieblingskollegin Anneliese Klein" aus Ochsenfurt. Wiebke Schnasse: "Gemeinsam waren wir unausstehlich". Sie sind streitbarer und frecher, als das von Quotenfrauen erwartet wird, wenn sie es für wichtig hält. Sie verlässt singend den Kreistag, wenn die Republikaner Rederecht bekommen. Das "Nie wieder!" im Kampf gegen die Rechten gewichtet sie stärker als demokratische Korrektheit.

    Als Ortswaisenrätin, der damals noch ehrenamtlichen Sozialarbeit bayerischer Art, erfährt die Gemeinderätin Schnasse Stadtsoziologie in den schwierigsten Ausprägungen –"Kommunalpolitik sehr konkret" nennt sie das. Seinerzeit war das Frauenhaus eines der wichtigsten Ziele, die sie gegen die empörte Männerwelt auf die Kreistagsagenda setzte. Was ihr heute Sorgen macht, ist der allzu große Individualismus, auf den ihre Generation in der Erziehung hingewirkt hat, damit das Kind es mal besser hat. Sie sieht hier einen Zusammenhang mit dem Erstarken der Rechten.

    Ein wenig kampfesmüde und mit der Pflege der Mutter eingespannt, will sie 2002 nicht länger "die Schnasse" sein. Verabschiedet sich aus der Kommunalpolitik, um doch immer noch hellwach dabei zu sein: bis 2009 als Randersackers Partnerschaftsbeauftragte und weiterhin im SPD-Ortsverein. Könnte sie aktuell eingreifen, würde endlich eine Straßenbahnlinie bis Eibelstadt gebaut werden. Die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, ihre evangelische Kirchengemeinde, die gerade obdachlos wurde, der Kirchenchor und der Französischkurs, Garten, fünf Enkel, vier Urenkel, …

    Am heutigen Samstag, 26. Juni, wird sie kurz innehalten, mit Freunden und Weggefährten anstoßen. Der Markt Randersacker hat Wiebke Schnasse 2003 mit der Verdienstmedaille geehrt.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden