Die Rolle der Helga Beimer, die sie im Herbst 1985 erstmals spielte, war ihre 25. Mutterrolle. Nicht nur deshalb wurde Marie-Luise Marjan nach Inge Meysel zur neuen „Mutter der Nation“. Ein Image, das im krassen Widerspruch steht zum Leben Marjans, die keine Kinder und nie geheiratet hat: „Ich habe meine leibliche Mutter erst mit 16 kennengelernt und habe sie vielleicht dreimal im Leben gesehen. Immer wenn ich sie auf meinen leiblichen Vater angesprochen habe, hat sie abgeblockt“, sagte Marjan einmal gegenüber dieser Redaktion. Die Mutter wanderte nach Kanada aus, Marjan, die am Sonntag, 9. August, 75 Jahre alt wird, suchte ihren Vater.
Der Vater stammte aus Würzburg
In ihrer Geburtsurkunde steht: „Vater: unbekannt“. Das ließ Marjan nicht los: „Der Wunsch, zu erfahren, wer mein leiblicher Vater ist, war stets enorm groß.“ Marjans Adoptivmutter starb 1959, da war sie 19, ihr Adoptivvater 1967, da war sie seit sieben Jahren Theaterschauspielerin. „So wurde das Theater meine Familie.“
Vor ein paar Jahren, mit 67, hat Marie-Luise Marjan eine große neue Familie dazubekommen – mit Hilfe des Fernsehens. Die ARD ging mit Promis auf Zeitreise und ergründete „Das Geheimnis meiner Familie“. Marjan wusste zwar, dass ihr Vater angeblich aus Würzburg stammte – aber einen Beweis dafür hatte sie nicht. Erst durch einen vom Fernsehen beauftragten professionellen Ahnenforscher konnte sie ihre Geburtsurkunde vervollständigen.

Vater: Toni Offner aus Würzburg, Luftwaffenoffizier, der zwei Jahre nach ihrer Geburt als Kampfflieger ums Leben kam. Und nicht nur das: Marjan hat noch zwei Cousins, Alfred Weidner und Dr. Erich Meyer, sowie eine Cousine, Maria Weidner (geborene Offner), in der Domstadt. Ein spezieller Gentest zementierte die Blutsverwandtschaft. Es kam schon häufiger zu Treffen, und regelmäßig wird telefoniert.
Gerade hat Marjan ein Buch veröffentlicht, in dem sie die Suche nach ihren Wurzeln schildert. Marie-Luise Marjan klang damals sehr zufrieden: „Jetzt weiß ich endlich: Da kommst Du her.“ Ein weiterer Grund, weshalb Marjan häufiger an den Main reist: Sie pflegt seit langem eine Freundschaft zu Würzburgs Bischof Friedhelm Hofmann.
Ihr Alter Ego hat es Marjan angetan, klar, sonst würde sie nicht seit 30 Jahren in die Rolle schlüpfen: „Ich mag die Helga sehr, sie kämpft auf ihre Weise für die guten Dinge der Welt.“ Ihre 25. Mutterrolle: „Die Leute, die das Sagen hatten, sahen mich eben immer als Mutter“, sagt sie. Das begann schon als junge Schauspielschülerin und führte über die Elvira Rykalla in Wolfgang Petersens „Smog“ (1972) bis eben zur Mutter Beimer. Moritz A. Sachs, der in der „Lindenstraße“ ebenso lange Helgas Sohn Klausi spielt, sagt: „Marie-Luise ist für mich keine Ersatzmutter, aber wir haben ein sehr familiäres Verhältnis. Schließlich begleitet sie mich schon fast mein ganzes Leben lang.“
Marjan ist zwar keine Mutter, aber sie engagiert sich seit vielen Jahren für die Kinderhilfswerke Unicef und Plan International. Erst vor wenigen Monaten hat sie nach Angaben von Plan eines ihrer Patenkinder, den siebenjährigen Alexis, in Haiti besucht. Für ihre ehrenamtliche Arbeit erhielt die Schauspielerin unter anderem das Bundesverdienstkreuz.
Geboren am 9. August 1940 in Essen, wurde sie von ihrer Mutter zur Adoption freigegeben. Sie verbrachte ein Jahr im Waisenhaus, wurde von einem kinderlosen Ehepaar aufgenommen und als Sechsjährige von der Pflegefamilie adoptiert. Mit 16 erfuhr sie, Adoptivkind zu sein.
Wohlbehütete Kindheit
„Ich bin wohlbehütet aufgewachsen“, sagt sie, Eigenschaften ihrer Adoptiveltern wie „Sparsamkeit, Sorge und Ehrgeiz haben mich geprägt“. Das Verhältnis zu ihrer leiblichen Mutter blieb stets kühl. „Ich bin ihr aber nicht böse, dass sie mich damals weggegeben hat. Denn sie hatte ja eigentlich das gleiche Schicksal wie ich, war auch im Waisenhaus“, sagt Marjan, die ihren 75. mit Freunden, Wegbegleitern und ihrer „neuen großen Familie“ feiern will. „Das ist eine wunderbar bunte Familie. Ich bin froh, dass ich sie gefunden habe.“
An Ruhestand denke sie nicht. „Sehe ich nach Rente aus?“, fragt sie lachend. „Nein, nein, das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen“, sagt Marjan, die als sehr disziplinierte Schauspielerin gilt.