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WÜRZBURG: Digitale Welt für alle - auch für Arme

WÜRZBURG

Digitale Welt für alle - auch für Arme

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    Computerstapel bis zur Decke: Der Schüler und 2. Vorsitzende des Vereins „Angestöpselt“ Moritz Beck (links) und sein Kollege Dierk Froehling, ehrenamtliche Mitarbeiter des Vereins, im Lagerraum, wo die Rechner aufbewahrt werden. „Angestöpselt e. V.“ sammelt auf Spendenbasis alte Computer und Zubehör von Privatpersonen und Unternehmen, bereitet die Geräte auf und gibt sie kostenlos an bedürftige Personen weiter.
    Computerstapel bis zur Decke: Der Schüler und 2. Vorsitzende des Vereins „Angestöpselt“ Moritz Beck (links) und sein Kollege Dierk Froehling, ehrenamtliche Mitarbeiter des Vereins, im Lagerraum, wo die Rechner aufbewahrt werden. „Angestöpselt e. V.“ sammelt auf Spendenbasis alte Computer und Zubehör von Privatpersonen und Unternehmen, bereitet die Geräte auf und gibt sie kostenlos an bedürftige Personen weiter. Foto: Foto: DANIEL PETER

    Jens Wiegrebe tritt in den kleinen Raum ein. Er hat einen Rechner im Arm, gibt ihn ab und bringt gleich noch Tastatur und Computermaus hinterher. Der Mann, der aus Uettingen extra in die Frankfurter Straße 74 nach Würzburg gefahren ist, gibt hier die Technik ab, die noch nicht in den Müll soll, obgleich sie zu Hause nicht mehr benötigt wird: „Das ist der Computer meiner großen Tochter“, sagt er. Vom Verein „Angestöpselt“, den er hier mit seiner Computerspende unterstützt, hat Wiegrebe durch die Verleihung des Bürgersozialpreises erfahren.

    Welch sinnvolle Wiederverwertung: „Angestöpselt“ sammelt Computer-Hardware von Privatpersonen und Firmen wie zum Beispiel Monitore, PCs und Tastaturen, aber auch Festplatten, Kabel, Notebooks, Drucker und alles drumherum. „Danach verschenken wir diese an Empfänger staatlicher Leistungen, um ihnen die Chancen auf dem Arbeitsmarkt und die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu verbessern“, heißt es vom Vorstand. So nennt sich „Angestöpselt“ denn auch „Verein für Digitalkompetenz und Gleichberechtigung in der digitalen Welt“.

    Kunden wie etwa Hartz-IV-Empfänger, die hier kostenlos einen Computer erhalten, bekommen noch mehr: bei Bedarf so viel Unterrichtung in Sachen Computer Hard- und Software, wie sie brauchen. Für den Einstieg ist das zum Beispiel auch Nachhilfe beim Linux-Betriebssystem Ubuntu, denn Windows wird hier nicht aufgespielt. Dafür seien die Lizenzgebühren zu hoch, sagt der stellvertretende Vorsitzende Moritz Beck. Außerdem sei Linus ein recht sicheres System. Es gebe kaum Viren.

    Ein Beamer im Raum, den der Verein als Spende erhielt, bleibt aber vor Ort und wird nicht abgegeben: Er ist gut für die Präsentationen, zum Beispiel über das kostenfreie Linux-System. Aber außer Schreibtisch und den – ebenfalls gespendeten – Regalen bleibt sonst fast nichts in den Räumen. Alles, was da ist außer Müll, soll ja schließlich anderen helfen - das ist der Sinn des mildtätigen Vereins. Nur, wenn die Hardware-Spenden komplett ausgeschlachtet sind, kann hier und da etwas übrig bleiben, was nicht mehr verwertbar ist.

    Die Vereinsmitglieder entsorgen den Müll dann selbst. „Wir prüfen die eingegangenen Computer und stellen fertige Sets zusammen“, erklärt Beck. Die aufgespielten Daten der Vorbesitzer werden alle gelöscht. Ein Set besteht in der Regel aus Computer und Monitor, allen notwendigen Kabeln, der Maus, Tastatur und – je nachdem, was vorhanden ist – aus Drucker oder Scanner. Daneben gibt’s das Bedienregal: hier sind Software und Lektüre, Router und zusätzliche Kabel gelagert, die bei Bedarf abgegeben werden.

    Im Hinterzimmer steht an einer Wand Rechner auf Rechner. Zurzeit ist die Ausstattung gut; die Rechner reichen fast bis zur Decke. Wartezeiten gibt es keine mehr. „Wir sind auf eine höhere Nachfrage vorbereitet“, ist sich Vorsitzender Steffen Hock sicher. Das war früher anders, „wir hatten eine Warteliste von mehreren Monaten“, so Hock, allerdings: „früher waren wir zu zweit oder zu dritt.“ Jetzt hat der Verein 34 Mitglieder und die Hälfte davon arbeitet aktiv mit. Das bedeutet: abwechselnd sind sie an den beiden Abenden da, die „Angestöpselt“ den Laden für Spender und Abnehmer öffnet: Montag und Mittwoch ab 18.30 Uhr.

    Angefangen hatten Christoph Fischer, früherer Vorsitzender, und Steffen Hock mit ihrer Idee im Kleinen: Tauschbörse war der Kofferraum eines privaten Opel Corsa in einem Hinterhof in Grombühl. Das war 2011. Die jungen Leute informierten die Job-Börse und fanden über Aushänge der ARGE ihre Kunden.

    Die Idee kam eigentlich durch die „Computerspende Hamburg“, wo eine Familie im Jahr 2009 damit angefangen hatte, Computer zu sammeln, herzurichten und weiterzuvermitteln. „Angestöpselt“ verlangt von den Kunden einen Nachweis ihrer Bedürftigkeit, zum Beispiel den Bescheid fürs Arbeitslosengeld oder BAföG. Wenn die Kunden eine kleine Spende geben, ist das natürlich super, denn der Verein braucht Geld für die Miete der Räume, für Strom, Internetzugang und Heizung.

    Alles läuft aber ziemlich gelassen ab. Dazu gehört auch, dass kaputte Computer der Kunden repariert oder ersetzt werden – wiederum kostenlos. Die Kunden kommen meistens aus dem näheren Umkreis, aber übers Internet meldete sich schon mal jemand aus Berlin, der seinen Bescheid schickte und gegen eine Paketmarke dann auch zu seinem gebrauchten Computer kam. An einen anderen erinnert sich Hock besonders gerne: Es war ein 85-jähriger Kunde, der meinte, weil er nicht wisse, wie lange er noch lebt, „will ich noch mal angreifen!“ Der 85-Jährige, der nach eigenem Bekunden „keine Ahnung von Computern“ hatte, nutzte seine Chance.

    Wieder öffnet sich die Tür, und eine Frau bringt die nächste Computerspende – diesmal ist es ein ausrangierter Computer ihres Sohnes. Die Frau hat im Internet nach einer Möglichkeit gesucht, die benutzten Teile noch sinnvoll zu verwenden – und stieß auf die Homepage von „Angestöpselt e.V.“

    Wer so spendet, erreicht damit noch viel mehr als die sinnvolle Wiederverwertung der technischen Teile: Er hilft mit, dass Menschen nicht zu Außenseitern werden, weil sie sich die moderne Technik alleine nicht leisten können. Durch den Besitz eines Computers können sie moderne Kommunikation nutzen, haben bessere Möglichkeiten bei der Stellensuche und Kinder, die am Computer arbeiten können, können auch in der Schule mitreden. „Unser Ziel ist es“, heißt es beim Verein, solchen „Benachteiligungen aktiv entgegenzuwirken und wirtschaftlich benachteiligten Menschen die Teilhabe am digitalen Leben zu ermöglichen“.

    Informationen: Tel. (09 31) 2 60 498 21; www.angestoepselt.org, E-Mail: info@angestoepselt.de

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