Klare Ablehnung: Bei einer außerordentlichen Versammlung hatten 60 Prozent von 163 Mitgliedern der DJK Erbshausen-Sulzwiesen entschieden, ihre Mehrzweckhalle und das Sportheim nicht für sechs bis acht Wochen 80 Flüchtlingen als Notunterkunft zur Verfügung zu stellen. Was waren die Argumente der 97 Nein-Sager? Warum konnten die Vertreter des Landratsamtes und der Polizei, Bürgermeister Bernd Schraud und die 65 Befürworter im Saal die Skeptiker nicht für ihr Anliegen gewinnen?
Schon Wochen vor der Abstimmung hat das Thema die Dorfbewohner beschäftigt, vor allem seit der Hallenbesichtigung am 25. November. Bürgermeister Schraud war vom Landratsamt nach einem Platz für Flüchtlinge gefragt worden. Er persönlich könne die Not der Flüchtlinge und des Landkreises Würzburg bei der Suche nach Unterkünften nachvollziehen, betonte Schraud. Deshalb wollte er das rollierende System unterstützen, bei dem jede Gemeinde für einen begrenzten Zeitraum bei der Unterbringung der Heimatlosen hilft.
Eine gemeindeeigene Halle gibt es in der Gesamtgemeinde nicht. In Hausen, Rieden und Erbshausen-Sulzwiesen sind die Mehrzweckhallen im Besitz der Sportvereine. Die Halle in Erbshausen-Sulzwiesen hatte das Landratsamt und Rote Kreuz als besonders geeignet eingestuft. Sie ist die größte der drei Hallen, hat gute Sanitäranlagen und Nebenräume wie die Bar im Keller, die etwa zum Spielzimmer für die Kinder umfunktioniert werden könnte.
„In jedem Haus, auf der Straße und bei Zusammenkünften wie an Silvester ist diskutiert worden“, berichten die Mitglieder des Sportvereins.
Lange Schlangen am Eingang zur Registrierung und Verteilung der Stimmzettel zeugten denn auch vom großen Interesse an der Info-Veranstaltung. Nur Mitglieder und Gemeinderäte waren zugelassen. Das Präsidium hätte die Entscheidung allein treffen können, wollten aber alle Mitglieder abstimmen lassen.
„Die können uns doch nicht unser Herzstück nehmen.“
Ein DJK-Mitglied
„Unsere Mitglieder sollten konstruktiv informiert werden, das Für und Wider abwägen und eine freie, gewissenhafte Entscheidung treffen“, erläutert Vorsitzender Arthur Ringelmann. Am Ende wollte das Präsidium die Entscheidung der Mitglieder akzeptieren. „Es macht keinen Sinn, die Geschicke des Vereins gegen die Mehrheit der Mitglieder zu leiten“, sagt der Vorstand. Schließlich dürfe man nicht vergessen, dass die Mehrzweckhalle und das gesamte Sportgelände aus erheblichen Eigenmitteln, mit Eigenleistung und viel Herzblut gebaut wurde und betrieben werde, so Ringelmann.
Die Hingabe für ihre Halle wurde oft genannt in der Diskussion. „Die können uns doch nicht unser Herzstück nehmen“, meinte ein Mitglied.
Dabei ist von einer Beschlagnahmung keine Rede. Das Landratsamt schließt einen Vertrag mit dem Eigentümer der Halle. Darin ist alles geregelt, die Dauer, Miete, Übernahme der Kosten bei Schäden und Ausfällen, die Reinigung, Sicherheitsvorkehrungen und Versorgung.

Aber die Mehrheit der Mitglieder hat trotzdem Sorge. Die Halle wird täglich für den Sport genutzt, auch von der Grundschule und vom Kindergarten. Es gibt Vermietungen an Privatleute und an Vereine. Kulturelle Veranstaltungen finden bald wieder statt wie das Kindertheater, Faschingsveranstaltungen oder Disco-Abende. Auch die Landfrauen des Bauernverbands, die Zuckerrübenbauern und deren Fahrer haben demnächst wieder gebucht.
Gefragt wurde: Werden langjährige Kunden wiederkommen, wenn sie eine Absage bekommen und sich einen anderen Veranstaltungsort suchen müssen? Kommt das Vereinsleben zum Stillstand? Was geschieht mit den Rundenspielen? Wer gleicht den Ausfall der Einnahmen der Vermietungen aus? Können wir in unserem 880-Seelen-Dorf überhaupt 80 Flüchtlinge verkraften?
Die Vereinsführung versprach, dass sie sich um die Verlegung der Termine kümmert. Hauptkommissar Thomas Korbmann berichtete von der guten Zusammenarbeit mit dem Landratsamt und Projektbetreuern, den Vermietern, der Security und des „Kümmerers“ vor Ort. Er betonte, dass es in anderen Notunterkünften außer Streit unter den Flüchtlingen bisher keine Einsätze gegeben habe. Die Polizeiinspektion Würzburg-Land würde zudem für die Dauer der Notunterkunft vermehrt Streifenwagen schicken.
Aber die Ängste ließen sich offensichtlich nicht nehmen. Dabei antwortete Kerstin Gressel, zuständig für die Notunterkünfte des Landkreises, ausführlich auf alle Fragen wie zu Sprachproblemen, der Versorgung und Sauberkeit, zum Auf- und Abbau der Betten, dem Schutz des Hallenbodens oder des Geschirrs und der Gläser. „Wir tragen dafür Sorge, dass es den Flüchtlingen gut geht“, meinte sie. Dabei sei ehrenamtliche Hilfe zwar „super und hilfreich“, aber nicht Voraussetzung.
Arthur Ringelmann ist überzeugt, dass die „negative Presse bei Flüchtlingsfragen“ und „das Versagen der großen Politik“ bei den Mitgliedern eine Rolle gespielt hat. Wohl auch die Angriffe auf Frauen in der Silvesternacht in Köln. Die Erbshausener sprachen von „Angst um die Sicherheit unserer Frauen und Kinder“.
„Ich entschuldige mich, dass ich nicht weiterhelfen kann.“
Vorsitzender Arthur Ringelmann
Nur wenige positive Äußerungen waren zu hören. Hannelore Schraut, zweite Bürgermeisterin der Gemeinde Hausen, meinte nur: „Ich könnte mir eine humanitäre Hilfe gut vorstellen“. Sie bedauerte es nach der Abstimmung, nicht klarer und emotionaler ihre Meinung zur Übernahme von Solidarität und Verantwortung deutlich gemacht zu haben. Und dass insgesamt die Befürworter für die Aufnahme so schweigsam gewesen waren.
„Wir hätten die Herausforderung gern angenommen und sahen darin eine große Chance im Hinblick auf unsere Wahrnehmung in der Öffentlichkeit und Gesellschaft“, formulierte Ringelmann die „deutlich positive Meinung des Präsidiums“. Er bedankt sich ausdrücklich bei den Vertretern des Landratsamts und der Polizei, die „trotz ihres Dauereinsatzes Rede und Antwort standen und wirklich keine Frage offen ließen“. „Ich entschuldige mich persönlich dafür, dass ich aufgrund des Abstimmungsergebnisses nicht weiterhelfen kann“, sagt er.
Egoismus und nicht Solidarität habe im Vordergrund gestanden, bedauerten die Befürworter nach der Abstimmung. Sie standen noch lange in Gruppen beieinander und konnten das Ergebnis nicht glauben. Junge Leute, die Zeit im Ausland verbracht und Schüleraustausche erlebt hatten, zeigten sich schockiert. Andere zitierten die Satzung des „christlichen Vereins“ mit der Verpflichtung zur Hilfe und Solidarität.

„Das Vertrauen in die Behörden war einfach nicht da“, zogen Vereinsmitglieder ein Resümee. Sie hätten sich in ihren Sorgen um die Halle und das Vereinsleben nicht genug verstanden gefühlt. Gressel hätte keinen genauen Zeitpunkt für die Hallenanmietung als Notunterkunft nennen können. Im Mai, nach den meisten Veranstaltungen, und wenn der Schul- und Kindergartensport im Freien hätte stattfinden können, da wäre es doch möglich gewesen, begründete eine Frau ihr Nein mit einem „fehlenden Entgegenkommen der Behörden“.
Fixe Termin kann das Landratsamt aber nicht weit im Voraus nennen. Wann der Kreis welche Hallen braucht, ist davon abhängig, wie viele Flüchtlinge ihm zugewiesen werden. Die Entwicklung dieser Zahlen ist kaum prognostizierbar. „Ich bin ohne Illusionen gekommen, finde das Abstimmungsergebnis aber unglaublich schade“, wies Managerin Gressel auf die guten Erfahrungen in anderen Dörfern mit Notunterkünften hin. „Die Leute hier verpassen was“, ist sie sicher im Hinblick auf das Kennenlernen anderer Menschen und Kulturen sowie auf die Befriedigung, solidarisch seinen Betrag in der Gesellschaft leisten zu können. Für den begrenzten Zeitraum von acht Wochen.
Bürgermeister Schraud war das Bedauern über die Abstimmung anzusehen. Er wolle das Ergebnis „erst einmal überschlafen“ und dann mit dem Gemeinderat besprechen.
Aus der DJK-Satzung
„Der Verein will sachgerechten Sport ermöglichen, die Kultur fördern und der gesamtmenschlichen Entfaltung nach der Botschaft Christi dienen. Der Verein bemüht sich um die Erziehung und Bildung seiner Mitglieder zu verantwortungsbewussten Christen und Staatsbürgern, zur Achtung Andersdenkender und Wahrung und Würde des Einzelnen in der freien, rechtsstaatlichen, demokratischen Lebensordnung.“