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WÜRZBURG: E.ON-Manager im Gefängnis

WÜRZBURG

E.ON-Manager im Gefängnis

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    Axel Schomberg vom Energieunternehmen E.ON in Bayreuth lebte fünf Tage lang in der Würzburger Justizvollzugsanstalt und kam dort mit mehreren Insassen in Gespräch.
    Axel Schomberg vom Energieunternehmen E.ON in Bayreuth lebte fünf Tage lang in der Würzburger Justizvollzugsanstalt und kam dort mit mehreren Insassen in Gespräch. Foto: FOTO Gideon Zoryiku

    Fünf Tage Gefängnis. Das ist zweifellos keine lange Zeit. Aber je näher der Termin rückt, desto mulmiger wird ihm, gesteht Axel Schomberg. Dieses Gefühl verstärkt sich, als er sich dem mächtigen Betonbau am Friedrich-Bergius-Ring nähert. Überwachungskameras an jeder Ecke und wie von Geisterhand öffnet sich die Tür. Jetzt steht er in der nüchternen Eingangshalle mit dicken Glasscheiben vor den Schaltern und Gittertüren. Ein Beamter hinter einer dicken Glasscheibe „erfasst“ ihn, nimmt also seine Personalien auf. Jetzt passiert das, was Schomberg bis dahin nicht in den Sinn gekommen ist: Er muss seinen Autoschlüssel und sein Handy an der Pforte abgeben. Dass er sein mobiles Telefon nicht bei sich haben kann, trifft ihn hart.

    Fassungslos schaut er den Beamten an. Wo gibt es denn so etwas - ein Manager, der den ganzen Tag quasi von der Außenwelt abgeschnitten wird? Was, wenn ihn jemand dringend erreichen muss? Schomberg empfindet das zunächst als „eine massive Einschränkung seiner Persönlichkeit“. Nachdem der erste Kulturschock verflogen war, hat er das Ganze sportlich genommen. „Vielleicht ist das mal gar nicht so schlecht.“ Er wird sich an die Situation gewöhnen müssen. Denn es wird keine Ausnahme gemacht, obwohl der Leiter der Systemtechnik Leitungen beim Energiekonzern E.ON in Bayreuth freiwillig in der Würzburger JVA ist.

    Das Projekt „Seitenwechsel“ wurde von der evangelischen Kirche initiiert. Es soll Führungskräften aus der Wirtschaft einen Einblick in soziale Brennpunkte gewähren, damit sie den Umgang mit Menschen im Allgemeinen und mit den Mitarbeitern im Besonderen trainieren. Das klingt nach Nachhilfekurs in sozialer Kompetenz, obgleich Schomberg nicht von sich selbst behaupten würde, dass er einen derartigen Kurs bräuchte. Dennoch nimmt er an der Aktion teil, weil er sich davon verspricht, dass sie seinen Horizont erweitert und er dabei den Tunnelblick verliert.

    „Mein persönlicher Eindruck ist: Vielen ist erst durch die Therapie bewusst geworden, was sie angerichtet haben.“

    Axel Schomberg E.ON-Manager in Bayreuth

    In der JVA Würzburg sind zurzeit über 630 Frauen, Männer und Jugendliche untergebracht, darunter Diebe, Betrüger und Sexualstraftäter. Manche sind schon überführt, einige sitzen in Untersuchungshaft. Hautnah erlebt der E.ON-Manager die Welt aus einem anderen Blickwinkel: die Begegnung mit jungen Männern und Jugendlichen mit verbauter Zukunft. „Manche Gefangene haben keine Struktur in ihrem Leben. Das lernen sie hier.“

    Den „sehr kollegialen Umgang“ in der JVA betont Schomberg immer wieder. Auch wenn er vermutlich nicht zur Überschwänglichkeit neigt, schwärmt er von den Psychologen und Sozialarbeitern. Sie gäben das Gespräch mit den Gefangenen nie auf – selbst dann nicht, wenn sie genau wüssten, dass sie einen Insassen kurz nach der Entlassung wieder im Gefängnis sehen würden. Anerkennenswert sei auch die Arbeit der Justizvollzugsbeamtinnen und -beamten, die täglich mit den nicht immer einfachen Gefangenen umgehen müssten: vielfach ein Spagat zwischen Menschlichkeit und rechtlich möglichem. Schomberg spricht auch viel mit einigen Sexualstraftätern. So will er von ihnen wissen, ob es ihnen zum Zeitpunkt der Tat in den Sinn gekommen sei, dass sie jemandem wehtun. „Mein persönlicher Eindruck ist: Vielen ist erst durch die Therapie bewusst geworden, was sie angerichtet haben.“

    Was hat die Aktion gebracht? Aus Schombergs Sicht viel. Er habe Erfahrungen gesammelt, die er ohne Seitenwechsel nicht hätte machen können. Etwas vom Projekt profitiert hat auch JVA-Leiter Robert Hutter. Er lobt vor allem den intensiven Austausch mit dem Manager aus der Wirtschaft. Ihm sei wichtig, dass Schomberg als Manager in einem Wirtschaftsunternehmen, das normalerweise den Erfolg in Gewinn misst, sehe, dass Unternehmen mit anderer Ausrichtung, wie Justizvollzugsanstalten, auch effektiv und zielgerichtet arbeiten könnten. Übrigens: Während des fünftägigen Gefängnisaufenthalts schläft Axel Schomberg nicht hinter Gittern. So weit geht die Idee des Seitenwechsels doch nicht.

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