Würzburg
„Der Direktor Balling rief mich und meinen Bruder zu sich – wir hatten doch nichts angestellt, dachten wir noch
.
“ So beginnt Rudi Muser, Schüler der Oberrealschule des Jahres 1946, eine von unzähligen spannenden Geschichten an diesem Vormittag. Im Innenhof trafen sich kürzlich rund 35 Ehemalige der ersten Nachkriegsjahrgänge. Heute heißt die Schule Röntgen-Gymnasium.
Bert Müller organisierte für die Schulkameraden von damals zwei begegnungsreiche Tage in Würzburg mit einem Besuch der alten Wirkungsstätte. Viele von den anwesenden Herren – es gab damals nur Bubenklassen – waren seit über 50 Jahren nicht mehr in ihrer alten Oberrealschule gewesen. Schon der Gang in den Innenhof weckte Erinnerungen, und diese wurden sofort ausgetauscht.
Lastwagen bringt Abwechslung
„Wir saßen damals auf Brauerstühlen, ohne Tische“, sagt Rudi Muser. Ein anderer berichtet von fehlenden Fenstern und dem zerstörten Dach in den ersten Jahren nach dem Krieg. „Kam ein Lastwagen mit Ziegeln, war das eine willkommene Unterbrechung des Unterrichts, weil wir beim Abladen helfen mussten“, ist aus einer lachenden Gruppe zu hören.
Der aktuelle Schulleiter Hans Reinfelder empfängt die staunenden Herren in einer der Cafeterien. „Wir haben damals manchmal Haferbrei und Erbsensuppe von den Amerikanern bekommen“, ruft ein Herr aus dem Plenum. Beim anschließenden Rundgang werden die alten Lausbubenstreiche, wie das Lockern der Türklinke oder das Fußballspielen auf dem Flur mit zerschossener Scheibe, wieder lebendig.
In der Turnhalle kommen auch unangenehme Erinnerungen, wie die Ohrfeigen vom Sportlehrer wieder zum Vorschein: „Die werd' ich mein Leben nicht vergessen,“ sagt ein Herr in die Runde.
Es gibt auch nachdenkliche Momente, aber meistens wird viel gelacht und unzählige Anekdoten erwecken die längst vergangene Schulzeit wieder zum Leben. „Wir haben trotz der widrigen Umstände viel gelernt“, erzählt Werner Götz. Er arbeitete 24 Jahre als Bauingenieur in 15 Ländern der Welt und lebt heute in Veitshöchheim. Wenn einer der Schüler die Englisch-Vokabeln nicht wusste, kam vom Lehrer der Rat: „Gibt es auf und werde Schiffskoch.“ Dieser Empfehlung ist keiner gefolgt.
Rudi Muser und sein Bruder, die zum Direktor gerufen wurden, bekamen übrigens keinen Ärger. Es war Winter und bitter kalt in den Räumen. Der Schulleiter fragte sie, ob ihr Vater, der bei den Stadtwerken arbeitete, nicht etwas Kohle zum Heizen besorgen könne.