Vögel zwitschern, Blätter rascheln: Eine herbstliche Geräuschkulisse und eine weiße Parkbank erwarten die Besucher im Sommerhäuser Torturmtheater. Zwei zunächst namenlose Männer finden sich ein, zurückhaltend und zeitunglesend der Ältere, vital und draufgängerisch, freudig seine neuen Sneaker prüfend, der Jüngere. Vorsichtig suchen sie sich einen Platz auf der Bank, der Jüngere plappert drauflos, der Ältere hüllt sich in knurriges Schweigen. Ein Gespräch will nicht in Gang kommen.
Da fällt plötzlich ein Paket von oben herab - und auf einmal nimmt die Konversation Fahrt auf. Was hat es mit dem Paket auf sich? Wo kommt es her? Was enthält das Paket? Und sollen die beiden es öffnen?
Ein Paket als zentrale Requisit
Das Paket ist das zentrale Requisit im Dialogstück "Viele gute Dinge kommen aus Reykjavik" des hierzulande kaum bekannten österreichischen Autors und Theaterregisseurs Josef Maria Krasanovsky. Nach der Uraufführung 2009 in Wien folgten Gastspiele in Österreich und eine Einladung zu den freien Theatertagen Heidelberg 2010. Jetzt hat der in Sommerhausen bestens bekannte Regisseur Oliver Zimmer den in der Tradition des absurden Theaters stehenden Text als letzte Neuproduktion der Spielzeit 2024 auf die Bühne des Torturmtheaters gebracht.

Gekonnt hält seine kurzweilige Inszenierung die Balance zwischen komisch-grotesken Elementen und tiefsinnig-philosophischen Passagen. Die Sprachspiele mit den an Wortanfängen fehlenden Konsonanten lassen die Zuschauer schmunzeln, die kauzig und melancholisch-lebensklug gezeichneten Figuren berühren unmittelbar, und die groteske, imaginierte Motorradfahrt entlockt dem Premierenpublikum sogar stürmischen Szenenapplaus.
Wieder einmal sind es die Schauspieler, die begeistern
Wieder einmal sind es die Schauspieler, die den 75-Minuten-Abend im Torturmtheater zum intensiven Vergnügen werden lassen. Wie ihre Figuren spielen sich Christian Buse (der Ältere) und Alexander Wagner (der Jüngere) immer mehr ins Freie, Offene, Lebendige. Aus der anfänglichen Abneigung und Distanz wird zögerliches Abtasten, aus dem immer vertrauteren Wortwechsel schließlich sogar so etwas wie Gemeinschaft, wenn es darum geht, die Rätsel des Pakets zu lösen.
Sechs Fragen rund um Herkunft und Sinn des Pakets beantworten die beiden Männer sich - und den Zuschauerinnen und Zuschauern. Und offenbaren dabei nicht nur ihre gänzlich verschiedene Sicht auf die Welt, sondern auch die Lebensgeschichte, die sie geprägt hat.

Der Rationale, der für alles eine logische Erklärung braucht und hat, öffnet sich mehr und mehr dem romantischen Träumer, der seit Jahren seiner großen Liebe, Marlene, hinterherläuft, und jetzt - mit den neuen Schuhen - ein neues Leben beginnen will.
Das Überraschungspaket fungiert als Black Box, die nicht nur das Gespräch immer weiter vorantreibt, sondern immer tiefer liegende seelische Befindlichkeiten zutage fördert. Das geht so weit, dass die Figuren das tun, was zu Beginn noch unmöglich erschien: Sie tanzen miteinander. Ob sie auch noch das Paket öffnen, ist dann gar nicht mehr entscheidend. Weil sie sich vorher entschieden haben, sich füreinander zu öffnen.
Langer Applaus für zwei starke Darsteller und eine fesselnde Inszenierung.
"Viele gute Dinge kommen aus Reykjavik" steht bis 23. November, jeweils Dienstag bis Samstag auf dem Spielplan. Karten: Tel. (09333) 268 oder kartenbestellung@torturmtheater.de