Ein Artikel über ein Hutgeschäft in der Augustinerstraße hat eine Heidingsfelderin an ein Erlebnis erinnert, das fast acht Jahrzehnte zurückliegt. Dabei spielte ein Hut natürlich eine wichtige Rolle. Sie besitzt ihn immer noch.
In dem Artikel ging es am 1. September um die neue Auszubildende im Hutladen von Maria Heplster. Als Amanda Zattler ihn las, musste sie unwillkürlich an den Sommer 1935 denken. Die damals neunjährige Amanda (geb. Petzendorfer) aus Lohr war übers Wochenende zu Besuch in Würzburg bei Freunden ihrer Eltern. Diese, finanziell besser gestellt als Amandas Familie, fragten sie, ob sie denn einen Wunsch hätte, den man ihr erfüllen könne. „Ich hätte gerne einen Hut“, antwortete das Mädchen prompt.
„Mir war am Sonntag in der Kirche aufgefallen, dass ich in den Mädchenbänken die Einzige ohne Hut war.“
Amanda Zattler über den Sommer 1935
Zu dieser Zeit hätten alle Frauen in der Stadt Hüte getragen, ergänzt Amanda Zattler. „Sogar in Lohr hat es damals zwei Hutgeschäfte gegeben“, erinnert sie sich. Für Mädchen waren im Sommer 1935 kleine Strohhüte der letzte Schrei. „Und mir war am Sonntag in der Kirche aufgefallen, dass ich in den Mädchenbänken die Einzige ohne Hut war.“ Damals sei es nicht üblich gewesen, dass Familien gemeinsam den Gottesdienst besuchten. Stattdessen versammelten sich links die Mädchen in den ersten drei Bänken, rechts die Jungs.
Um dem kleinen Gast also den Wunsch zu erfüllen, ging die Gastmutter mit Amanda in die Stadt, zu eben jenem Hutladen in der Augustinerstraße, den 1984 Maria Helpster übernommen hat. Schnell fand Amanda die Hüte, die sie suchte: „Das waren ganz einfache Strohhüte, mit ein bisschen Verzierung. Die kosteten damals höchstens drei Mark.“
Doch die Gastmutter, in Würzburg zur besseren Gesellschaft gehörend, wollte sich mit dieser Wahl nicht abfinden. Mit den Worten „aber so einen Bauernhut kaufen wir doch nicht!“ wählte sie für Amanda ein wertvolles Stück aus fein geschnittenem und verflochtenem Stroh aus.
Das Drama begann, als sich Amanda, in der Woche darauf wieder zu Hause, auf den Weg in die Kirche machte. Sie hatte das Kirchenportal noch nicht mal erreicht, da hörte sie schon von allen Seiten die Kinder kreischen: „Guck mal! Was hat die denn für 'nen Hut auf!“
Mit dem gewohnten Kirchgang wurde es an diesem Tag nichts. Beschämt und die Augen voller Tränen rannte Amanda nach Hause. Wochenlang, bis der Sommer vorbei und die Strohhüte passé waren, ging sie erst später, mit dem Vater in den Gottesdienst der Kapuziner.
Der wertvolle, wenn auch anfangs ungeliebte Hut aber hat fast acht Jahrzehnte überstanden, wenn auch etwas verändert. Irgendwann ließ Amanda Zattler die zuvor nach unten laufende Krempe nach oben biegen.
Wobei er jetzt trotzdem wieder sein Dasein im Schrank fristet, weil er der mittlerweile 88-Jährigen nicht mehr so recht passt.