Alles begann mit einem kuriosen Brief, in dem sich ein 20-Jähriger ohne Abitur und ohne einschlägige Bühnenerfahrung um den Posten des Dramaturgen am Würzburger Theater bewarb und die Zusage erhielt. Ein Missverständnis lag nicht vor. Wolfgang Koeppen wurde erwartet und zog bald von der Ostsee an den Main.
Auch der Arbeitsvertrag war kurios: Der Dramaturg redigierte in Würzburg die Theaterhefte, er stand als Regieassistent auf der Probebühne und er war durch eine Spielverpflichtung selbst als Schauspieler eingesetzt. Da Wolfgang Koeppen dieser Teil des Vertrags nicht gefiel, nahm er Altersrollen an. Eine eigene Regie, von der er träumte, wurde mit Hinweis auf sein Alter abgelehnt.
Würzburgs Bühne hatte 1927 einen guten Ruf. Der Spielplan war in Maßen ehrgeizig. Man brachte zeitgenössische Autoren wie Georg Kaiser. Auch Glamour fiel für das junge Ensemble ab. Als der bekannte Schauspieler Conrad Veidt im Hofgarten von Veitshöchheim seinen Film "Der Student von Prag" drehte, gab das Würzburger Theater mit Kleidern aus seinem Fundus eine Sommergesellschaft. Der gemeinsame Auftritt passte ins Selbstbild des Theaters, von dem Wolfgang Koeppen sagte: "Wir spielten mehr für die Berliner Presse als für die Stadt Würzburg."
Veitshöchheim behielt Wolfgang Koppen in guter Erinnerung. Als er mit einer jungen Dame in den Park zurückkehrte, begriff er, was dieser Garten war: Eine erotische Bemühung, den Tod zu ertragen. Unterkunft hatte er bei einer lustigen Eisenbahnerwitwe im Grombühl gefunden, die über einem Weinlokal wohnte. Der junge Mann mit dem schwarzen Russenmantel und dem großen breitkrempigen Hut muss eine aparte Erscheinung gewesen sein. Einmal küsste ihm ein Mädchen im Treppenaufgang die Hand und sprach ihn leise mit Hochwürden an.
Handfester Skandal
Seine Bemühungen als Dramaturg fanden rasch Grenzen. Eine Matinee, die er für den Dichter Max Dauthendey veranstaltete, wurde kaum besucht. Es kam zum handfesten Skandal, als er in den Theaterheften die gerade beschlossenen "Schand- und Schmutzgesetze" zum Schutz der Jugend angriff. Sein Artikel, ein mutiges Plädoyer für die Freiheit der Kunst, wurde auf Anweisung des Stadtrats aus dem Heft entfernt. Bereits gedruckte Exemplare wurden eingestampft.
Koeppen setzte nach diesem Skandal erneut einen Brief auf, diesmal an den Berliner Intendanten Erwin Piscator. Bald kam die Antwort, Koeppen könne nach Berlin kommen. Er beendete daraufhin seine einjährige Würzburger Stippvisite.