Und immer wieder schlägt die Ladenklingel in der Semmelstraße 66 an, und ein Kunde kommt herein. Dort macht Karl-Heinz Metzger gerade seinen Schlussverkauf nach 91 Jahren Herrenmode Molitor. Er selbst führt den Laden als Eigentümer seit 1988. „Meine Kundschaft bedauert die Geschäftsaufgabe sehr. Immerhin sind wir hier schon in der dritten Generation.“
Streifenpullis und Socken, Hosen und Jacken und jede Menge Hemden hat Metzger noch im Angebot auf 120 Quadratmeter Verkaufsfläche. Wie er sein Angebot selbst sieht? „Klassisch sportive Herrenmode von deutschen Markenherstellern.“ Und er hat spezielle Passformen und Übergrößen in seinem Laden. „Aber mehr die Gestauchten, nicht die schlanken Größen,“ witzelt der 66-jährige, der aufhört, weil er im Rentenalter ist. Einen Nachfolger aus der Familie gibt es eben nicht.
„Es fällt mir nicht schwer, aufzuhören.“ Schon der zweite Traditionsbetrieb in der Semmelstraße, dessen Inhaber gerne sein Arbeitsleben aufgibt. Denn im Juli hat Reinhard Götz von der Metzgerei Martin aufgehört, seinen legendären Leberkäse zu produzieren.
Metzger will seinen Hobbys nachgehen, denn „Freizeit kam bei mir immer zu kurz.“ Kein Wunder, wenn man täglich von 9 bis 18 Uhr hinter der Ladentheke steht, meist alleine. Hobbys, das sind für ihn Wandern, Radeln, Schwimmen und Urlaube.
Das Fachgeschäft für Männermode wurde 1924 von Valentin und Heinrich Molitor gegründet. Nach dem Zweiten Weltkrieg öffnete das Geschäft wieder und ist seit 1953 in den jetzigen Räumen.1968 starb der Firmengründer und dessen Schwiegersohn Heinrich Metzger führte den Laden mit seiner Ehefrau weiter. Für Karl-Heinz Metzger war früh klar, dass er in die Fußstapfen des Vaters steigen würde. Und so war auch seine Ausbildung ausgerichtet. Nach einer kaufmännischen Lehre bei Hettlage in Würzburg studierte er noch drei Semester an der Textilfachschule bis zum Textilbetriebsfachwirt.
„Für mich war es wichtig, dass die Kunden zufrieden sind.“ Und das hat er wohl bei den 50- bis 80-Jährigen mit seiner Art und seinem Angebot geschafft. Und nun muss alles raus bis zum letzten Verkaufstag: das ist der 9. Januar. Jetzt gibt es dicke Rabatte, versichert Metzger.
Sein Laden hat schon eine Nachfolgerin, der Friseurladen „vor & nach Hair“ in der Semmelstraße vergrößert sich hier.
Eine Schrecksekunde hat Metzger in seiner langen Berufslaufbahn erlebt: Der benachbarte Juwelier wurde im Juli 2009 von drei Männern überfallen, die junge Angestellte mit Faustschlägen misshandelt und verletzt. „Ich hab sie über die Straße hinweg schreien hören,“ erinnert sich Metzger an diesen schwarzen Tag. Die Täter wurden damals schnell gefasst.
Jahrelang war er ein Kämpfer für die Belange der Einkaufsstraße. Er wollte sie immer attraktiver machen und das auch in seiner Funktion als Vorsitzender der Werbegemeinschaft „Schaufenster Semmelstraße“. Erst im Herbst ist er wieder zum Vorsitzenden für weitere zwei Jahre gewählt worden. Wie wird das denn dann ohne eigenen Laden? „Dann habe ich endlich mehr Zeit dafür.“
Und Anliegen gibt es noch viele. Im Zentrum steht immer noch die Forderung der Einzelhändler nach einer Gestaltung des kleinen Platzes am Bäckerbrunnen als Straßen-Mittelpunkt. Und natürlich muss ein besserer Übergang von der jetzt neugestalteten Fußgängerzone Eichhornstraße in die Semmelstraße kommen, eine ganz alte Forderung der Kaufleute.