Holz, Metall oder sogar Carbon, das sehen wohl die wenigsten, wenn sie an ihren Beinen heruntersehen. Doch für Menschen, die Gliedmaßen durch Unfall oder Krankheit verloren haben, ist eine Prothese aus ebenjenen Materialien ein Schritt zurück in die Normalität. Diesen Hilfsmitteln im Alltag widmet sich die Würzburger Prothesensammlung "Second Hand", deren Erweiterung nun eröffnet wurde.

Im Würzburger Zentrum Bayern Familie und Soziales begrüßte die Leiterin, Waltraud Asbahr, unter anderem die Sozialstaatssekretärin Carolina Trautner sowie Sabine Schlegelmilch vom Institut für Geschichte der Medizin der Universität Würzburg. Schlegelmilch hob die Bedeutung Würzburgs als Wiege der Orthopädie hervor: "Johann Georg Heine, ausgebildeter Instrumentenmacher, leitete hier in Würzburg ab 1829 das Karolineninstitut, die erste orthopädische Heilanstalt überhaupt." Aber nicht nur medizinhistorisch ist die Würzburger Prothesensammlung relevant, so soll die Ausstellung auch einen wichtigen Beitrag zur Inklusion und Toleranz gegenüber Behinderung leisten, denn wie Trautner betonte: "Hinter jeder Prothese steckt ein Mensch mit einem Einzelschicksal."
Mit Face-App sehen, wie man in 50 Jahren aussehen könnte
Die Sammlung bietet einen Überblick über die historische Entwicklung vom Rollstuhl über Armprothesen bis hin zu Hörgeräten. Dabei ist die älteste je gefundene Prothese, die "Kairo-Zehe", über 2600 Jahre alt. Interessant ist vor allem, wie sich Technik, Aussehen und funktionale Ansprüche in der Prothetik verändert haben. So hat der hölzerne Stelzfuß, der vor allem Kriegsversehrten Normalität verschaffte, kaum etwas mit den heutigen High Tech-Prothesen gemeinsam, mit denen sogar Triathlons gemeistert werden können, wie Trautner anmerkte.
Neu ist laut Asbahr, dass in der Sammlung "neben der Geschichte, auch die Zukunft, das Alter und sonstige Beeinträchtigungen selbst erlebt werden." Besucher können sich beispielsweise mit der Face-App digital anzeigen lassen, wie sie in 50 Jahren aussehen könnten oder den Alterssimulationsanzug testen, der altersbedingte Bewegungseinschränkungen erlebbar machen soll.
"Hinter jeder Prothese steckt ein Mensch mit einem Einzelschicksal."
Carolina Trautner, Bayerns Sozialstaatssekretärin
Auf interaktiven Touchscreens bietet die Sammlung außerdem die Möglichkeit, sich an einem Quiz zu versuchen oder Videos von Zeitzeugen anzusehen, die über ihre Erfahrung und den Umgang mit Kriegsverletzungen berichten. Trautner hob vor allem hervor, dass Besucher durch die interaktiven Elemente einen nachhaltigeren Eindruck der Thematik Behinderung bekämen, als durch das bloße Lesen von Informationstexten.
Durch die Selbsterfahrbarkeit der Exponate versucht "Second Hand" mit der Ausstellungserweiterung zu verdeutlichen, dass beispielsweise ein künstliches Bein nicht automatisch eine Brandmarkung bedeutet. Vielmehr bietet eine Prothese Menschen mit Behinderung die Chance, wieder am alltäglichen Leben teilhaben zu können.