Ein Rucksack aus zerbrechlichem Ton, den Bürgermeister Helmut Krämer als Symbol für die mit unmenschlichem Leid verbundene letzte Reise für die auch aus Giebelstadt deportierten jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger bezeichnete, steht neuerdings auf einem eigens dafür geschaffenen Platz in der Gemeinde. Den schlichten braunen Rucksack mit der darüber festgeschnallten Decke hat Sieglinde Bösl in ihrer Eßfelder Keramikwerkstatt angefertigt.
Zu der offiziellen Eröffnung des Gedenkortes, der idyllisch zwischen dem ehemaligen Zobelschen Amtshaus (Bücherei) und dem Friesenhäuser Schloss (Rathaus) in der Ortsmitte liegt, fanden sich neben den zweiten und dritten Bürgermeistern Hermann Eidel und Georg Kuhn einige Gemeinderäte und Bürger ein.
Um einiges symbolträchtiger wurde die Veranstaltung, die, so der Bürgermeister, am Volkstrauertag und wenige Tage nach der Pogromnacht stattfand. Mit ihren zu Herzen gehenden Musikstücken, die zum Auftakt und zum Schluss intonierten, brachten Sinja und Yvonne Göbel eine besonders feierliche Stimmung auf den Platz.
Erinnerung an das jüdische Leben im Gemeindegebiet
Laut Helmut Krämer wurde neben dem Allersheimer jüdischen Friedhof und der dortigen Landsynagoge, die im Freiland Museum Bad Windsheim zu neuem Leben erweckt wird, mit dem neuen DenkOrt ein dritter, wertvoller Platz geschaffen der an das jüdischen Leben im Gemeindegebiet erinnert.
Um Geschichte und Gegenwart leichter miteinander zu verbinden, wurden bewusst Sitzgelegenheiten aus hartem Beton in diesem Denkort integriert. Damit ist, so der Bürgermeister, das symbolhafte Gepäckstück nicht nur ein allein stehendes Mahnmal, sondern auch durch eine Informationstafel erklärt. Vielmehr soll der Platz als Treffpunkt fungieren, an dem die Geschichte in die Gegenwart rückt und mit der man sich auch im Alltag beschäftigen kann.
Der Dank von Landrat Thomas Eberth galt der Gemeinde sowohl für die Errichtung des DenkOrtes wie auch für das Einstehen für Frieden, Nächstenliebe, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Nach seinen Worten ist Erinnern, Mahnen und Erklären wichtiger denn je, damit die grausige Geschichte von Vernichtung, Krieg und Rassenhass nicht in Vergessenheit gerät. Wie der Landrat ausführte, sind Rassismus, Antisemitismus, Gewalt und Terror weder im Kleinen wie im Großen zu akzeptieren. Dafür ist gemeinsames Eintreten für Toleranz, Menschlichkeit, für Frieden im Dorf, in der Familie und im Land gefragt.
Erste Spuren jüdischer Geschichte Anfang des 18. Jahrhunderts
Von Archivleiterin Friederike Langeworth erfuhren die Zuhörer einige Kapitel aus der Giebelstädter jüdischen Geschichte, die sich bis zu Anfang des 18. Jahrhunderts zurückverfolgen lässt. Für die Juden, die einstmals zehn Prozent der Bevölkerung ausgemacht und voll in das Leben im Ort integriert waren, verschlechterten sich die Bedingungen zu Beginn der 1930er Jahre. Während des Pogroms am 9. November 1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge zertrümmert und SA- Angehörige vergriffen sich am Eigentum der fünf noch am Ort lebenden Familien.
Benita Stolz, die sich als eine der Hauptinitiatoren für die Errichtung des Würzburger DenkOrt Deportationen vor dem Würzburger Hauptbahnof eingesetzt hat, begrüßte es, dass sich Giebelstadt mit dem Gepäckstück, dessen Doppelgänger bereits in Würzburg aufgestellt ist, an dem unterfränkischen Gedenkprojekt beteiligt.
Giebelstädter Leopold Pollack überlebte die Shoa
In ihren detaillierten Ausführungen ging Benita Stolz weit zurück in die Geschichte der jüdischen Bevölkerung und der schier unermesslichen, kaum verstellbaren Not, dem Leid und den Demütigungen, die die Menschen aller Altersklassen ertragen und bis zu ihrem Tod aushalten mussten.
Von den aus Unterfranken deportierten 2069 Menschen aus 109 jüdischen Gemeinden stammten 13 Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Giebelstadt. Zu den 63, die die Shoa überlebt haben, zählt auch der Giebelstädter Leopold Pollack. Überlebt hat die schrecklich Zeit auch Otto Mannheimer, der nach Giebelstadt zurückgekehrt ist. Hier verstarb er 1967 und wurde als letzter auf dem jüdischen Friedhof in Allersheim beigesetzt.
Bevor Pfarrerin Christin Schlör zum Abschluss das Klagegebet sprach, galt der Dank von Helmut Krämer den ehrenamtlichen Mitarbeitern des Gemeindearchivs Wilhelm Blum, Heinz Gassner, Volker Kleinfeld, Robert Popp und Roland Mark, die gemeinsam mit Friederike Langeworth nicht nur das wichtige Kapitel des Judentums in Giebelstadt bewahren helfen.