Als vor Rolf Kleys Augen ein gewaltiges Stück Eis von einem Gletscher abbricht, sitzt er gerade mal hundert Meter entfernt in einem kleinen Beiboot, in der Nähe von Paradise Bay. Er reist seit einigen Tagen durch die Gewässer der Antarktis. Fällt mal kein Gletscherbrocken ins Wasser, spiegelt es bei Windstille die Wolken im Himmel und die riesigen Eismassen eins zu eins wieder. „Das ist sagenhaft, das ist gigantisch“, schwärmt Rolf Kley (68), wieder zurück in Würzburg, wenn er sich an diese Momente erinnert.
Erinnerungen an die Antarktis hat Kley genug – immerhin ist er zweimal durch die Antarktischen Gewässer gesegelt. Das erste Mal im Januar 2012 von Südamerika aus hin zur Antarktis und anschließend zurück zum Kap Hoorn – drei Wochen hat die Reise gedauert.
Etwa eineinhalb Jahre nach dieser Reise zog es Kley wieder zum ewigen Eis: Oktober und November 2013 begab er sich auf die Spuren Sir Ernest Shackletons, eines britischen Polarforschers, der 1922 in Südgeorgien vor einer Expedition gestorben war.
Auf der Insel Südgeorgien – keine 3700 Kilometer vom Südpol entfernt – besuchte Kley auch Shackletons Grab. Dabei hat Kley viele Eindrücke über die Antarktis und die Natur gesammelt.
Die Macht des Wassers
Das Wasser – das lernte Kley während seiner zwei Segeltörns von verschiedenen Seiten kennen: mal friedlich, dann wieder gefährlich, feindselig, ja unnachgiebig.
Genauso wie das Eis: Auf seinen Reisen sah er Eisberge magisch leuchten, mal dunkelblau, mal grau, mal aquamarin – je nach Tageslicht. Die gefährliche Seite Eises: Growler – Eisberge in klein, aber genauso tückisch, denn nie konnte sich die Crew der Segeljacht Santa Maria Australis sicher sein, wie der Mini-Eisberg unter Wasser aussah, ob die Yacht nicht vielleicht dagegen stoßen könnte.
Gefahr kam aber nicht nur aus dem Wasser: Stürme über mehrere Tage hinweg – und Kley selbst nur auf einer Segeljacht, die der Wind hin- und her schleudert. „Das macht mürbe“, sagt Kley. „Man hebt vom Bett ab und weiß nicht, wo man hinfliegt.“
Fast von Bord geblasen
Wenn der Wind dann auch noch das Wasser aufwirbelte, wurde die Reise zum waghalsigen Abenteuer: Besonders wenn der Wind mit 52 Knoten – das sind um die 96 Stundenkilometer – über das Wasser fegt und sich Wellen bilden. „Da sind wir fast von Bord geblasen worden“, erinnert sich Kley. Da wusste man, die Warnung des Veranstalters, war keine Übertreibung: Dieser Törn sei „ein Abenteuer, das trotz aller Sicherheitsmaßnahmen unter Umständen eine Gefahr für Leib und Leben bedeutet.“ Und dann sind da noch die eindrucksvollen Tiere: Auf seiner ersten Antarktis-Reise machte Kley auf Cuverville Island Halt und fand sich dort zwischen Kolonien von Eselspinguinen, die zu der Zeit brüteten. Gestunken hat es dort – „Wie im Schweinestall“, erinnert sich Kley – aber kein Wunder: schließlich waren dort 10 000 Pinguine. Zwar wurde der Crew gesagt, Abstand zu den Pinguinen zu halten – den Pinguinen war das aber egal: Neugierig watschelten sie auf die Besucher zu und beäugten sie gespannt.
Tierische Begegnungen
Weitere Tiere, die Kley auf seinen Reisen sah, waren Seelöwen, Albatrosse und Delfine. Zudem traf der heute 68-Jährige auf Wale, die bis zu 50 Meter an die Santa Maria Australis herangeschwommen kamen – und dann einfach wieder abtauchten und verschwanden. Bei Port Lockroy – einem Hafen im Westen der Antarktis – sah der Würzburger sogar einen Wal an Land – zumindest das Skelett eines Wales.
Gefährlich konnten die Seeleoparden und Seeelefanten werden. Bei ihnen hieß es: Abstand halten. Wie gefährlich diese Tiere sein können, sah Kley an den blutigen Wunden, die ihnen Artgenossen verpasst haben.
Nicht nur seltene Tieren, sondern auch Menschen mit interessanten Geschichten begegnete Kley auf seiner Reise. So zum Beispiel der Leuchtturmwärter, der für die chilenischen Streitkräfte mit seiner Familie für ein ganzes Jahr auf Kap Hoorn lebte. Oder eine Familie, die seit 17 Jahren die Welt umsegelt. All diese Eindrücke und Begegnungen hat Kley in Tagebucheinträgen festgehalten. Die hat er nun als Buch veröffentlicht.
Zukunftsträume und -pläne
Das Abenteuer Antarktis ist für Kley nun abgeschlossen. „Nach Südgeorgien habe ich die Schnauze voll gehabt“, sagt er. „Das war schon hart.“ Mit dem Segeln ist aber nicht Schluss: Nächstes Jahr will er Griechenlands Inseln und die Küste Albaniens bereisen – auf der „Maro's Dream“, seiner eigenen Segeljacht.
Die Notizen seines Reisetagebuchs hat Rolf Kley bei Epubli als Taschenbuch unter dem Titel „Antarktis, Kap Hoorn, Falklands und die Insel Südgeorgien. Expeditionen unter Segel (Zwei Reiseberichte)“ veröffentlicht (192 Seiten; 12,99 Euro).