Im Mai wurde sie gewählt, seit 7. Dezember ist sie offiziell im Amt – die neue Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen, Schwester Katharina Ganz. Im Interview mit dem Pressedienst des Ordinariats Würzburg verrät sie, was für sie das Besondere am Fest der Geburt Christi ist und warum im Kloster Oberzell manchmal schon im August Weihnachtslieder zu hören sind.
Frage: Die Oberzeller Franziskanerinnen nennen sich auch „Dienerinnen der Heiligen Kindheit Jesu“. Welche Bedeutung hat es, Christus an Weihnachten als kleines Baby in der Krippe zu sehen?
Katharina Ganz: Der Name klingt ja für unsere Ohren erst einmal ein bisschen ungewöhnlich. Unserer Gründerin Antonia Werr war diese Spiritualität wichtig, weil sie im Kind Jesus schon das ganze Geheimnis der Menschwerdung Gottes erkannt hat. Krippe und Kreuz gehörten für sie immer zusammen. Eine Krippe ist kein Hotelbett, Stroh ist kein weiches, flauschiges Kissen. Ein Kind ist bedürftig, nackt, hilflos, hat Hunger, muss gewickelt werden. Und Jesus hat sich in diese menschliche Verletzbarkeit hineinbegeben und das durchgehalten bis zum Tod am Kreuz. Wir sind ja gegründet worden, um für Frauen da zu sein, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt worden waren: aus der Haft entlassene Frauen, Prostituierte, Landstreicherinnen. Diesen Frauen wollte Antonia Werr einen neuen Anfang ermöglichen.
Wie zeigt sich das im Ordensleben?
Ganz: Bei uns wird an jedem 25. des Monats die Krippe mit dem Jesuskind aufgestellt. Wir singen auch am 25. August Weihnachtslieder und beten das Stundengebet von Weihnachten. Antonia Werr hat für das ganze Jahr ein Kindheit-Jesu-Gebetbuch ausgearbeitet. Außerdem haben wir in unserer Gemeinschaft eine neunwöchige Vorbereitungszeit auf Weihnachten, Ende Oktober geht es schon los. Neun Wochen in Anlehnung an die neunmonatige Schwangerschaft. Eine Spiritualität, mit der Antonia Werr speziell Frauen ansprach.
Spielt auch der Bub Jesus, also das etwas ältere Jesuskind, eine Rolle?
Ganz: Wir betrachten zwölf Stationen seiner Kindheit. Von der Empfängnis bis zur Flucht der Familie Jesu nach Ägypten. Die Mitglieder der Heiligen Familie sind im Grunde die ersten Migranten des Neuen Testaments. Sie mussten fliehen, sie mussten ihre Heimat verlassen.
Was verbinden Sie mit Weihnachten, wenn Sie an Ihre Kindheit in Willanzheim zurückdenken?
Ganz: Die Weihnachtsfeiertage waren Hocharbeitstage, weil wir die Küsterfamilie waren. In meiner Familie wird seit 90 Jahren der Mesnerdienst wahrgenommen. Schon Tage vorher wurden die sechs Christbäume in der Kirche aufgestellt und geschmückt, da war die ganze Familie beteiligt. Wir waren mehr in der Kirche als zu Hause unterm Christbaum. Wir wussten immer, worum es an Weihnachten geht. Dass es nicht nur ein schönes Familienfest ist, wo man sich mal beschenkt, sondern dass es dieses christliche Geheimnis der Menschwerdung ist. Für mich war die Mette das Wichtigste. Die dunkle Kirche, die vielen Lichter am Altar, die festliche Orgel, der Chor. Die Kirche war rappelvoll. Das war einfach das Erhebende, und das ist es auch bis heute geblieben für mich.
Als Missionarin auf Zeit haben Sie 1993 bis 1994 ein Jahr in der Zentralafrikanischen Republik gelebt. Was war dort an Weihnachten anders?
Ganz: Weihnachten bedeutete dort mit dem Priester, einem französischen Missionar, vom zentralafrikanischen Ndélé, das ist ein Ort 700 Kilometer weg von der Hauptstadt, in die umliegenden Dörfer zu fahren. Und dort war eine kleine Kirche, das war ein Raum aus Lehmsteinen gebaut, mit Strohdach und in der Mitte ein kleiner Altar und Holzbänke. Als Verzierung gab es Girlanden aus Goldpapier über dem Altar. Unser Weihnachtsfest bestand aus Kerzenlicht, diesen Girlanden und der nackten Botschaft auf Sango, der Landessprache. Es gab auch einen Chor und Trommelmusik und anschließend ein großes Feuer, um das herum wir getanzt sind. Ich habe meine Eltern geschockt, als ich ihnen nachher geschrieben habe, dass das das schönste Weihnachten war, das ich je erlebt habe. Ich wollte aber damit sagen, das war das ursprünglichste Weihnachten, das ich erlebt habe. Dieses Gespür, dass Gott in aller Armut zu den Armen kommt – bis in den entlegensten Winkel der Welt hinein.
Wie können Sie diese Erlebnisse hier im Kloster umsetzen?
Ganz: In den vergangenen Jahren war ich am Heiligen Abend im Haus Antonia Werr bei den Frauen, die an Weihnachten nicht zu ihrer Familie zurückkönnen. Entweder, weil sie keine Familie haben oder weil es für die jungen Frauen besser ist, nicht nach Hause zu gehen. Egal, ob sie nun getauft sind oder nicht, ob muslimischen oder jüdischen Glaubens: Wir feiern mit ihnen Weihnachten. Ich habe mal ein ganz tolles Weihnachten in der Frauenwohngruppe erlebt, als wir die Frauen eingeladen haben, sich in die Krippenfiguren hineinzuversetzen. Da sagte eine: „Ich bin der Weg. Auf mir trampeln auch immer alle rum.“ Eine andere sagte: „Ich bin die Maria, ich bin auch schwanger.“ Das hat mich beeindruckt.
Wie gestalten Sie Weihnachten mit den Schwestern im Kloster?
Ganz: Für uns Schwestern ist Weihnachten das Hochfest der Gemeinschaft. Im Kloster Oberzell verbringen wir den 24. Dezember in Stille und feiern die Christmette gemeinsam um 21.30 Uhr in der Klosterkirche. Eine Bescherung gibt es natürlich auch. An den Feiertagen besuchen wir uns gegenseitig. Es wird musiziert und gesungen. Wir wissen aber auch, dass Weihnachten ein anfälliges Fest ist: gerade in Familien entstehen mitunter ja erst recht Streit und Zwist. Die Geschenke können nicht darüber hinwegtäuschen, dass manches vielleicht im Beziehungsbereich im Argen liegt.
Welchen Rat haben Sie für Familien, wie sie mit Streit an Weihnachten umgehen können?
Ganz: Zunächst einmal würde ich den Menschen raten, sich nicht mit Erwartungen zu überhäufen. Wenn man die Erwartungen ins Unermessliche schraubt, dann wird man natürlich umso mehr enttäuscht.
Wann sehen Sie Ihre Familie zwischen den Feiertagen?
Ganz: In den letzten Jahren war das am Zweiten Weihnachtsfeiertag möglich. An diesem Tag kommen meine Geschwister mit ihren Familien, unsere Eltern und ich zusammen. Dieses Jahr haben wir uns verständigt, dass wir uns wahrscheinlich erst das Wochenende danach treffen. Ich denke, jetzt ist es für mich erst einmal wichtig, hier in der Gemeinschaft zu sein.
Wie feiern Sie Silvester im Kloster?
Ganz: Wir verbringen den Silvestertag wie Heiligabend als einen Tag der Stille. Wir halten persönlich Rückblick auf das Jahr. In einer Andacht zum Jahresschluss in unserer Klosterkirche lassen wir die wichtigsten kirchlichen und politischen Ereignisse des vergangenen Jahres und unserer eigenen Gemeinschaft Revue passieren und denken an die Schwestern, die 2013 gestorben sind. Vor Mitternacht halten wir eine Zeit der Stille, eine Anbetungszeit in den Hauskapellen. Um Mitternacht wird angestoßen mit Sekt, wir wünschen uns ein gesegnetes neues Jahr.
Katharina Ganz
Schwester Katharina Ganz ist in Willanzheim (Landkreis Kitzingen) aufgewachsen. Nach dem Abitur am Münsterschwarzacher Egbert-Gymnasium studierte Ganz katholische Theologie sowie Sozialwesen in Würzburg und schloss mit dem Diplom ab. Während ihres Studiums lebte sie ein Jahr als Missionarin auf Zeit in der Zentralafrikanischen Republik. 1995 trat sie in das Kloster Oberzell ein, 2002 legte sie die Ewige Profess ab. Von 1999 bis 2004 arbeitete Ganz als Sozialpädagogin im Haus Antonia Werr in Würzburg. 2006 übernahm sie die Leitung des klostereigenen Bildungs- und Exerzitienhauses Haus Klara. Seit 2007 gehörte sie der Generalleitung an und verantwortete die Öffentlichkeitsarbeit der Gemeinschaft. Beim Generalkapitel im Mai 2013 wählten die Delegierten sie zur Generaloberin. Offiziell übernahm sie dieses Amt am 7. Dezember 2013.
Derzeit hat die Gemeinschaft der Oberzeller Franziskanerinnen 187 Mitglieder: 154 Schwestern leben in Deutschland, 13 in Nordamerika und 20 in Südafrika.