Vorsicht! Wer angesichts des Titels Rezepte für ein schmackhaftes Essen im Kreis seiner Lieben erwartet, dem könnte das "Familiendinner" auf den Magen schlagen. Denn in dieser Komödie von Pascal Rocher und Joseph Gallet geht es um ganz etwas anderes: einen jungen Mann, der seine Eltern mit seiner Enttäuschung über ihr Erziehungsversagen konfrontiert. Unter der Regie von Ruth-Claire Lederle bringt das Theater Sommerhaus diese Komödie auf die Bühne. Das Schauspieler-Trio Thomas Mangold (als Sohn Alexandre), Brigitte Obermeier (als Mama) und Heiko Schnierer (als Vater) sorgte für viel Lachen und zeigte bei der Premiere, dass der vergnüglich-kurzweilige Abend volles (Sommer-)Haus verdient hätte.
Wer fühlt nicht mit dem nervösen Alexandre, der anlässlich seines 30. Geburtstags seine seit langem getrennt lebenden Eltern zu sich in die Provinz eingeladen hat? Vorgeblich zum Dinner, tatsächlich aber um ihnen endlich unverblümt, von Angesicht zu Angesicht, die Meinung zu sagen. Die Chance zur Abrechnung eröffnet sich für den jungen Mann nur aufgrund seiner Mitleid und Hilfe heischenden Lügen im Vorfeld. Sie sorgen dafür, dass beide Erzeuger quasi notgedrungen zur "Feier" des Sohnes kommen. Natürlich einzeln und ohne vom anderen zu wissen.
Während der Gastgeber sich beim ersten Klingeln noch auf seine "Zerrung am Fuß" konzentrieren muss, rauscht die Mama in sein Wohnzimmer, ohne überhaupt guten Tag zu sagen, ohne seine Krücken zu beachten. Ihr gesamtes Auftreten, ihr Reden ohne Punkt und Komma, ihr Missfallen an seinem Beruf, ihre Fragen zeigen eines ganz deutlich: kein echtes Interesse an Alexandre und seinem Leben.
Das gilt auch für den Papa, einen eitlen, stockschwulen Fernsehmacher, der vom Sohn die unglaublichste Erkrankungsstory ("was mit den Nerven" durch den Biss von Mutters tollwütigen Chihuahua) aufgetischt bekommt. Immerhin, ganz kurz spielt der alte Herr Betroffenheit vor.
Doch damit ist es schnell vorbei, als der Sohn die inzwischen aufeinander getroffenen Eltern vor die Frage stellt, wer von beiden sich in den wenigen Monaten, die ihm bleiben, um ihn kümmert. Nun Papa hat seine Karriere und seinen jungen Freund Kevin, Mama die neue Familie, die sie ausfüllt. Angeblich zumindest, denn das (neue) Leben der Eltern läuft alles andere als rund.
Herrlich fassungslos zeigen sich die beiden, als Alexandre sein Lügengespinst aufdeckt. "Was haben wir dir bloß getan?" Seine mit Fragen gespickte Antwort plättet sie: "Warum haben mir meine Eltern nicht das Fahrradfahren beigebracht? Mir nicht erklärt, wie man Babys macht? Mich nicht zusammengestaucht, wenn ich um drei Uhr nachts heimkam? Warum wurde ich nicht fürs Shit-Rauchen bestraft?" Doch seiner Aufforderung, endlich eine "normale" Kindheit nachzuspielen, kommen die verkrachten Alten nicht nur mit wachsendem Vergnügen (auch beim Publikum) nach, sie reden sogar miteinander und decken auf, warum und woran ihre Beziehung gescheitert ist. Die Szenen, in denen der Sohnemann die jeweiligen Altersstufen vorgibt, sind einfach herrlich.
Doch das Highlight des Abends beschert das Trio nach Alexandres Offenbarung, dass er heiraten werde. Nämlich eine 50-Jährige mit vier Kindern und die Frau seines Chefs. Die von ihrem Glück noch nichts weiß. Klar, dass das bei seinen Erzeugern die unterschiedlichsten Reaktionen auslöst und das Ende eines "gelungenen Geburtstages" einläutet.
Noch bis 9. Juni steht "Familiendinner" auf dem Spielplan des Theaters Sommerhaus. Karten gibt es unter Tel.: (09333) 9049867 und in der Tourist-Information im Falkenhaus, Tel.: (0931) 372398. Weitere Infos unter www.theater-sommerhaus.de