Die griechischen Gläubigen waren begeistert. Soeben hatte die griechische Liturgie geendet und die Gemeindemitglieder traten hinaus in die Martinstrasse beim Würzburger Dom, als das große Geläut des Domes die Gassen erfüllte. Als sie erfuhren, dass die Glocken zu Ehren der drei Frankenapostel läuteten und dass deren Reliquien sogar im Dom ausgestellt seien, waren sie nicht zu bremsen, gleich dorthin zu laufen. Heilige aus dem 7. Jahrhundert, lange vor der großen Kirchenspaltung von Ost und West, Missionare des christlichen Glaubens der ungeteilten Christenheit, sogar Martyrer, da gibt es keinen Zweifel an ihrer Heiligkeit und keine Bedenken, sie zu verehren, auch wenn Kilian, Kolonat und Totnan für die griechische Zunge annähernd unaussprechlich bleiben.
Der Heiligenschrein in der Mitte des Doms entspricht den Erwartungen von griechisch-orthodoxen Gläubigen. Im Glasschrein sind die drei Häupter der iroschottischen Martyrer schön zu sehen und zu verehren. Lieber würden Griechen freilich die Reliquien direkt küssen, aber auch in Griechenland müssen oft besonders verehrte Heiligenreliquien durch Glas geschützt werden. So wie man Bekannten und Freunden persönlich begegnet durch Handschlag oder Begrüßungsküsschen, wollen die Gläubigen auch den Heiligen als ihren Vertrauten und Freunden in direktem Kontakt begegnen. Nicht die Überbleibsel eines Verstorbenen, sondern die Realität des Heiligen, der in seinem Körper oder einem Teil davon gegenwärtig ist, hat Bedeutung. Und wie zu seinen Lebzeiten, so strahlt auch über den Tod hinaus diese Person in ihrem Körper immer noch Gegenwart und Segen aus.
Eines allerdings vermissten die Griechen, nämlich ein Bild dieser drei Frankenmissionare neben ihrem Schrein. Ein orthodoxer Gläubiger möchte die Heiligen auch sehen, deren Reliquien er verehrt, denn er interessiert sich weniger für historische Figuren und deren Überbleibsel, als für die Heiligen, wie sie heute am Throne Gottes stehen, für die Menschen Fürbitte halten und den Gläubigen beistehen. Das Charakteristische der Ikonen ist nämlich, dass sie keine exakten Portraits von Personen sind, von denen ohnehin niemand weiß, wie sie wirklich einmal ausgesehen haben könnten, sondern die Heiligen so darstellen, wie sie gewissermaßen heute sind, leben und wirken. Nur deshalb hat Heiligenverehrung für Gläubige überhaupt Sinn. Und so, wie zu Lebzeiten Leib und Geist, Körper und Seele eine unlösbare Verbindung haben, so gilt diese Verbindung über den Tod hinaus, wenn Ikonen und Reliquien verehrt werden. Denn in Wirklichkeit werden weder Knochen noch Gemälde, sondern die Heiligen selbst gegrüßt. Das Gebet geht zu ihnen selbst, auch wenn nur deren Reliquien oder Ikonen zu sehen sind. Hätten Bilder und Gegenstände nicht diese Transparenz, würden Christen Götzenbilder und Fetische anbeten.
Die unterfränkische griechische orthodoxe Gemeinde ist den drei heiligen Hierarchen geweiht, das sind die drei großen kappadokischen Bischöfe und Kirchenlehrer Basilios der Große, Gregorios von Nazianz, der Theologe, und Johannes Chrysostomos. Aber über dem Kapelleneingang zeigt eine Wandmalerei eine Analogie zu Unterfranken, nämlich die drei Frankenapostel, wie sie Christus begegnen. Zwar sind diese genau genommen nicht drei Hierarchen, aber sie stellen das dreigliedrige hierarchische Weiheamt: Bischof, Priester und Diakon dar. Auch wenn sie nicht die Gründer der griechischen Kirche in Würzburg sind, so ehrt doch auch die griechisch-orthodoxe Gemeinde die drei großen Lokalheiligen Unterfrankens.
P. Martinos Petzolt ist Erzpriester und Pfarrer der Griechisch-Orthodoxen Gemeinde Würzburg.