Er hatte für Aufregung und Proteste gesorgt und bundesweit Wellen geschlagen: Seit Mittwochnachmittag ist der Streit um ein Kopftuch im Hörsaal an der Würzburger Uni beigelegt. Politik-Professorin Gisela Müller-Brandeck-Bocquet hat sich in der Folge-Vorlesung bei der türkischstämmigen Studentin entschuldigt. Für die 19-Jährige ist die Sache damit erledigt – wenn sich das Verhalten nicht wiederholt.
An die 300 Zuhörer der „Einführung in die Internationalen Beziehungen“ waren gespannt, wie die angekündigte Entschuldigung der Dozentin ausfallen würde. Protestaktionen rund um die Vorlesung blieben aus. Keine Transparente, und nur vereinzelt trugen Studenten Kopfbedeckungen, darunter die junge Muslima, die die Professorin vor zwei Wochen im Hörsaal bloßgestellt hatte: Sie hatte die junge Frau direkt angesprochen und gebeten, auch ihr Kopftuch abzulegen – was die Studentin mit Hinweis auf die Religionsfreiheit ablehnte.
Professorin: „Das war ein Fehler“
Auf einen neuerlichen Appell verzichtete die Professorin in der Vorlesung am Mittwoch. Stattdessen trug Müller-Brandeck-Bocquet zu Beginn einen Entschuldigungsbrief vor, den sie der 19-Jährigen und der Fachschaftsvertretung im Nachgang zu den Vorkommnissen vor zwei Wochen geschrieben hatte. Die entscheidende Passage im Wortlaut:
„Als ich meine Ansicht zu Kopfbedeckungen und mein Plädoyer für Säkularität im Hörsaal vortrug, bin ich mit Mikrofon in der Hand auf Sie zugekommen und stand direkt vor Ihnen, habe Sie direkt und ad personam angesprochen. Dadurch haben Sie sich persönlich bedrängt und diskriminiert gefühlt. Sie haben sich als Einzelperson ins Visier genommen und angegriffen gefühlt und darunter sehr gelitten. Dies war ein Fehler von mir. Ich entschuldige mich bei Ihnen dafür persönlich in aller Form. Es würde mich sehr freuen, wenn Sie diese persönliche Entschuldigung annehmen würden.“
Entschuldigung als wichtiger Schritt
Das hatte die Studentin bereits im Vorfeld der Vorlesung am Mittwoch getan – vor allem, wie sie der Redaktion sagt, damit wieder Ruhe einkehrt „und die Sache nicht ewig weitergeht.“ Ganz zufrieden ist die junge Frau – in Deutschland geboren und aufgewachsen – dennoch nicht. Die Erklärung der Professorin gehe wenig auf deren eigenes Fehlverhalten ein und projiziere das Problem stark auf sie als Betroffene, die sich selbst diskriminiert gefühlt habe. Gleichwohl wertet die 19-Jährige die Entschuldigung als wichtigen Schritt. Vor allem hofft sie, dass das Thema Kopfbedeckungen in Vorlesungen der Professorin und generell an der Universität Würzburg nun keine Rolle mehr spielt.
Ein Thema zwei Einschätzungen:
- Redakteur Andreas Jungbauer: Warum ein Kopftuch im Hörsaal kein Problem ist.
- Redakteurin Gisela Rauch: Warum das Kopftuch ein hoch explosives Symbol ist.
Die Anwesenden im Hörsaal quittierten das vorgelesene Schreiben mit freundlichem Klopfapplaus. Gespannt hatte auch die Studierendenvertretung die Reaktion von Gisela Müller-Brandeck-Bocquet erwartet. Gleich im Anschluss an die Vorlesung traf sich der Sprecherrat. Er hält die Entschuldigung für überzeugend, wie Lukas Miaskiwskyi gegenüber der Redaktion meinte. Allerdings hoffen die Studierenden, „dass die Professorin in Zukunft reflektierter mit der Thematik umgeht.“
Eklat vor zwei Wochen
Wie berichtet, war es in dem „Basismodul Internationale Beziehung“ vor zwei Wochen zum Eklat gekommen, nachdem Müller-Brandeck-Bocquet alle Zuhörer aufgefordert hatte, ihre Kopfbedeckungen abzunehmen – für sie ein Zeichen des „Respekts gegenüber der Wissenschaft und dem Lehrbetrieb“. Dabei hatte die Professorin auch bei der Muslima mit Kopftuch keine Ausnahme gemacht. Ihr Argument hier: Religion gehöre nicht in den staatlichen Wissenschaftsbetrieb. Aus Solidarität mit ihrer Kommilitonin verließ ein Großteil der Studierenden den Hörsaal. Erst nach einer zehnminütigen Unterbrechung konnte die Professorin ihre Vorlesung wie geplant aufnehmen.
Der Fall hatte für Aufsehen gesorgt, zahlreiche überregionale Medien berichteten darüber. Einige Hochschulgruppen hatten gegen das Verhalten von Müller-Brandeck-Bocquet protestiert, die Hochschulleitung bekannte sich in einer Stellungnahme zur Religionsfreiheit und verwies darauf, dass es keine gesetzliche Grundlage für ein Kopftuchverbot an der Universität gibt.