Es war eine der verheerendsten Epidemien der vergangenen Jahrzehnte. Über 11 000 Menschen starben 2014/15 in den westafrikanischen Ländern Liberia, Guinea und Sierra Leone an dem grassierenden Ebolavirus. Das Massensterben wäre wohl zu verhindern gewesen – hätte die Weltgemeinschaft früher reagiert. Eine Lehre für die Zukunft? In Uganda brachte man in den vergangenen Wochen einen vergleichbar gefährlichen Erreger unter Kontrolle – mit medizinischer Hilfe aus Würzburg.
Würzburger Arzt Christian Kleine schon im Ebola-Einsatz 2014
Dr. Christian Kleine, Assistenzarzt an der Tropenmedizinischen Abteilung der Würzburger Missio-Klinik, hat die Katastrophe in Westafrika hautnah miterlebt: Für „Ärzte ohne Grenzen“ war er 2014 in Liberias Hauptstadt Monrovia im Einsatz. In Schutzanzügen behandelte er damals Patienten, die sich mit dem hochansteckenden Ebolavirus infiziert hatten. Es dauerte viele Monate, bis die Epidemie eingedämmt war. Seit Anfang des Jahres arbeitet der 41-Jährige nun als Fachmann am „Missio“ in Würzburg.
Ende Oktober ereilte ihn ein neuerlicher Ruf von „Ärzte ohne Grenzen“: Im ostafrikanischen Uganda hatte man das mit Ebola verwandte Marburgvirus festgestellt. Die große Sorge: Ohne schnelles Eingreifen würde sich eine Epidemie über die ganze Region ausbreiten.
„Kein Angst, aber Respekt vor dem Virus und den Erkrankten“
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schlug Alarm, „Ärzte ohne Grenzen“ sollte helfen – und sie brauchten erfahrene Leute. Tropenmediziner wie Christian Kleine. Er kennt sich aus mit den nötigen Schutzmaßnahmen und: Er hat keine Angst vor ansteckenden Krankheiten. Oder, wie er es sagt: „Mit Angst sollte man gar nicht hinfahren. Wohl aber mit Respekt – vor dem Virus, den Erkrankten und der Bevölkerung.“
Die Würzburger Klinik stellte den Experten für den Afrika-Einsatz frei, ohne finanzielle Gegenleistung. Eine Selbstverständlichkeit ist das nicht. Prof. August Stich, Leiter der Tropenmedizinischen Abteilung, sieht einerseits die Notwendigkeit: „Wir wollen nicht noch mal so etwas erleben wie in Westafrika.“
Kollegen am „Missio“ fangen das Fehlen des Kollegen auf
Andererseits muss das Fehlen des Kollegen über mehrere Wochen vom verbleibenden vierköpfigen Ärzteteam am Missio aufgefangen werden. Denn die Patienten bleiben hier nicht aus. So entfallen freie Tage, Überstunden werden geschoben. Die Kollegen hätten dies aber sehr positiv aufgenommen, versichert Stich, der heute einräumt, Ebola vor drei Jahren auch selbst unterschätzt zu haben. „Die Hilfsaktionen damals kamen viel zu spät.“
Der Tropenmediziner kennt das Geschäft aus langjähriger Erfahrung: „Solange nichts Dramatisches passiert, kommen Organisationen schwer an Spenden. Das ist das Dilemma.“ Die wichtige präventive Arbeit sei viel schwieriger zu finanzieren als Nothilfe bei Katastrophen. In Uganda, im Gebiet des Mount Elgon an der Grenze zu Kenia, hat man nun schnell genug reagiert, der Ausbruch einer Epidemie wurde im Keim erstickt. Seit letzter Woche ist das auch offiziell, nachdem 42 Tage ohne Neuansteckung vergangen sind.
Drei Todesfälle im Osten Ugandas
Ende September und im Oktober waren drei Menschen am Marburgvirus gestorben. Erster Todesfall war ein Jäger, der regelmäßig Höhlen in dem Gebiet besuchte. Die dort lebenden Fledermäuse gelten laut Kleine als Überträger des Marburgvirus. In der Folge steckte der Betroffene einen Bruder und eine Schwester an. Beide starben ebenfalls an der Krankheit, die mit starkem Fieber („viral hämorrhagisches Fieber“) beginnt, gefolgt von Erbrechen, Durchfall, inneren Blutungen bis zum Organversagen.
Umgehend verlagerte „Ärzte ohne Grenzen“ sein in Uganda stationiertes Team in die Grenzregion und forderte die fachmännische Verstärkung aus Würzburg an. Binnen einer Woche war Christian Kleine unterwegs ins das ostafrikanische Land.
Wichtiger Teil des Ärzte-Einsatzes: Aufklärung der Bevölkerung
Etwa einen Monat war er im Einsatz. Mit seinen Kollegen baute der Arzt ein Behandlungszentrum aus Zelten auf und schulte weitere Mitarbeiter. Wichtig ist es, dass Erkrankte schnell isoliert und behandelt werden. Dann sind mögliche Kontaktpersonen ausfindig zu machen und die Bevölkerung in den Dörfern intensiv aufzuklären. Kein leichtes Unterfangen, wie Kleine auch diesmal erfahren hat: „Viele betrachten die Krankheit als Hexerei oder Zauberei. Man hat Angst, und mögliche Patienten werden versteckt.“ Zur Aufklärung gehören auch hygienische Hinweise – Beispiel Hände waschen oder Umgang mit Toten bei Begräbnissen.
Dass die drei tödlichen Fälle des Marburgvirus zu keiner Epidemie wurden, entspricht laut Kleine eher der Regel. Kleinere Ausbrüche, wie zuletzt erst Ebola im vergangenen Mai im Kongo, gebe es immer wieder. Wo aber – wie diesmal in Uganda – die internationale Hilfe nicht schnell vor Ort ist, kann ein Virus leicht zum Flächenbrand werden.
Stich: „Nicht erst auf medienwirksame Bilder warten“
Und so ist Tropenmediziner August Stich an der Würzburger Missio-Klinik auch ein wenig stolz darauf, dass der Einsatz nicht zuletzt aus seinem Team heraus möglich wurde: „Es wurde hier still und schnell gehandelt, ohne dass man auf medienwirksame Bilder und die Katastrophe gewartet hätte.“
Marburgvirus Das Marburgvirus ist eng mit dem bekannteren Ebolavirus verwandt, hochansteckend und ähnlich gefährlich. Festgestellt wurde es erstmals vor 50 Jahren bei Laborangestellten im hessischen Marburg, später auch in Frankfurt/Main und in Belgrad. Ende August 1967 starben in Marburg mehrere Menschen, sie hatten zuvor hohes Fieber, Erbrechen, Übelkeit und Durchfall. Dies setzte intensive Untersuchungen in Gang und führte zur Entdeckung des Virus. Später, so der Würzburger Tropenmediziner August Stich, habe man den Zusammenhang herausgefunden: Höchstwahrscheinlich wurde das Virus über infizierte Versuchsaffen aus Uganda in die Labore der pharmazeutischen „Behringwerke“ in Marburg eingeschleppt, daher auch der Name. Der Pharmakonzern setzte die Tiere zur Gewinnung von Masern- und Poliomyelitis-Impfstoffen ein. Über die Jahrzehnte wurden das Marburgvirus immer wieder bei kleineren Ausbrüchen beobachtet. 2004/2005 starben in Angola 324 Menschen an der Infektionskrankheit. aj