Der "deutsche" Friedhof in Würzburgs Partnerstadt Mwanza in Tansania wirkt idyllisch – Vogelgezwitscher, traumhaft gelegen am Viktoriasee. Zwischen neuen Gräbern finden sich auf dem heute von der Anglikanischen Kirche betriebenen Areal noch zahlreiche Gräber aus der Zeit, als Mwanza Teil von Deutsch-Ostafrika (1885-1918) war. Manche Grabsteine erzählen eine besonders dunkle Geschichte.
Alexander Kückes steht vor dem Grab von Moritz Merker, einem "Hauptmann in der Kaiserlichen Schutztruppe", wie es auf dem Grabstein ehrenvoll heißt. Der studierte Geograf Kückes ist zum ersten Mal in Mwanza. Seit einigen Wochen erst ist er Koordinator der Städtepartnerschaft mit Mwanza bei der Stadt Würzburg. Hauptmann Moritz Merker ist aus heutiger Sicht ein Kolonialverbrecher. Er beteiligte sich nachweislich am "Beschaffen" von Human Remains, menschlichen Gebeinen, die damals für sogenannte Rasseforschungen ins deutsche Kaiserreich geschickt wurden.
Pilotprojekt gegen Wurmerkrankung Schistosomiasis
Kückes ist Mitglied einer Delegation aus Würzburg, angeführt von den drei Stadträtinnen Barbara Lehrieder, Marie Büchner (beide Grüne) und Barbara Meyer (Die Linke), die kürzlich in Mwanza war. Das Thema koloniales Erbe begleitet die Reise, aber es geht um mehr: So geht es für die Würzburger Delegation auch nach Ijinga, eine kleine Insel im Viktoriasee mit 2500 Einwohnern. Dort soll ein Wasserprojekt zur Bekämpfung der Wurmerkrankung Schistosomiasis, auch Bilharziose genannt, besichtigt werden. Gestartet war dieses Pilotprojekt 2016 als "Schisto-Control", durchgeführt von Missionsärztlichem Institut und DAHW.
Das Projekt auf der Insel Ijinga sei "ein Pilotprojekt zur Kontrolle und möglichst Elimination der Schistosomiasis", erläutert der Tropenmediziner Dr. Andreas Müller auf Anfrage. Auf Ijinga würden "unterschiedliche Ansätze kombiniert", nämlich "Gesundheitsaufklärung, Mitwirkung der Dorfbevölkerung, medikamentöse Behandlung und Verbesserung der Wasser- und Sanitärversorgung", so Müller.
Die Erfolge sind beeindruckend: "Durch die seit 2016 fortgesetzten regelmäßigen Behandlungsrunden mit dem Medikament Praziquanztel konnte die Infektionsrate von vormals nahezu 100 auf etwa 20 Prozent gesenkt werden", berichtet er und weist darauf hin, dass bei den Infizierten jetzt überwiegend "geringe Befallsintensitäten" vorhanden seien. Dies gehe mit einem "erheblichen Rückgang an schweren Erkrankungen durch die Schistosomiasis" einher, so Müller. Das Pilotprojekt hat inzwischen ein größeres Folgeprojekt, finanziert von der Else Kröner Fresenius Stiftung: auf der Insel Ukerewe, der größten Insel im Viktoriasee.

Wenn sich eine Lücke im Zeitplan auftut, wird die Zeit genutzt, um zivilgesellschaftlich aus Würzburg unterstützte Projekte zu besuchen. Darunter vom M.W.A.N.Z.A. e.V. geförderte Projekte wie den Montessori-Kindergarten "Sparkling Star Day Care Center" und Huruma Special Education Unit, eine Schule für Kinder mit Behinderung. Die von "Mein Ball Dein Ball e.V." geförderte Sports Charity Mwanza und ihre Upcycling-Fabrik, in der aus alten Fußbällen Taschen und anderes hergestellt werden, wurden besichtigt. Ebenso das StartUp Mitzkits, welches ein Baukastensystem zur Vermittlung von MINT-Kenntnissen entwickelt hat, sowie die Viktoriaschule, wo die Delegierten einen Robotics-Workshop von Mitzkitz erlebten.
Fokus liegt auf städtisch geförderten Projekten
Auch ein Straßenkinderheim und Waisenhaus, welches vom Fonelicso e.V. in Thüngersheim unterstützt wird, wurde besucht sowie die Grundschule "Butimba Primary School". Der Fokus der Reise lag jedoch auf den städtisch geförderten Projekten. Dazu zählt das Mwanza Boma "Gunzert Haus", ein in der deutschen Kolonialzeit erbautes herrschaftliches Haus auf einem Hügel mitten im Stadtzentrum von Mwanza. Benannt ist es nach Theodor von Gunzert, der von 1907 bis 1916 Bezirkshauptmann von Mwanza war. Das Gebäude ist seit 2021 renoviert, auch mit Geldern aus Deutschland.

Delphine Kessy von der Gunzert House Foundation sowie verschiedene Künstlerinnen und Künstler begrüßen die Gäste. Kessy führt die Gruppe durch das Haus. Zu besprechen gibt es vieles. Sie, die CEO der Gunzert House Foundation ist, wünscht sich, dass "das Haus ein kulturelles und touristisches Zentrum" werde. Ideen gibt es viele. Geld zur Umsetzung fehlt bisher.
Im Anschluss werden drei kleinere symbolische Schecks der Stadt Würzburg übergeben: 500 Euro für Dr. Kessy und das Gunzert Haus, 500 Euro für die im Haus mit einem Atelier vertretenen Künstler des Kollektivs "Color Mwanza" und 1000 Euro für ein Frauenprojekt von Kunsthandwerkerinnen, die im Vorjahr, gefördert von WÜPAKA, einen Entrepreneurship-Workshop machten und inzwischen im Gunzert Haus eine Verkaufsstelle für Souvenirs haben.
Hilfe für die Kleinsten in Mwanza
An einem anderen Morgen könnten Szenerie und Atmosphäre nicht unterschiedlicher sein. Die Delegation ist im Nyamagana District Krankenhaus, hier sind Mütter mit Frühgeborenen. Tief bewegt blicken die Delegationsteilnehmerinnen und -teilnehmer durch eine Intensivstationsscheibe. Aus Mitteln des Kleinprojektefonds von Engagement Global hat die Stadt Würzburg sich 2023 finanziell beteiligt am Aufbau dieser Neonatalogie-Station. Neonatalogie beschäftigt sich mit den typischen Erkrankungen von Neugeborenen und mit der Behandlung von Frühgeborenen. Auch das Klinikum Würzburg-Mitte hat vier Vitalwertmonitore gespendet. Nun können in Mwanza die Kleinsten viel besser versorgt werden.
Wie bewerten die Stadträtinnen nach ihrer Rückkehr von der Reise die Partnerschaft von Würzburg und Mwanza? "Ich wünsche mir, dass diese Kooperation so herzlich und auf Augenhöhe weitergeführt wird, wie das in den letzten Jahren der Fall war", sagt Marie Büchner. Barbara Lehrieder wertschätzt, dass "diese Städtepartnerschaft seit der Gründung im Jahr 1966 auf Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigem Respekt basiert" und dass "die kommunale Entwicklungspolitik viele Projekte ermöglicht" habe. Barbara Meyer (Die Linke) ist es ein "besonderes Anliegen", dass die Städtepartnerschaft mit Mwanza weiter die nötigen Gelder erhält: "Ich habe den Nutzen einer solchen erkennen können."