Dieses Luxusproblem hätten bestimmt gerne etliche Bürgermeister. „Im Moment muss ich jede Firma wegschicken“, sagt Ortsoberhaupt Alfred Endres. Die 5000-Einwohnergemeinde hat keine Gewerbeflächen mehr frei. „Und pro Jahr kommen schon zwei bis drei ernsthafte Anfragen für eine Ansiedlung.“ Seit fast zwei Jahren ist das Gewerbegebiet Kiesäcker dicht. Das soll sich bald ändern, vielleicht schon im kommenden Jahr.
Wie Endres gegenüber der Redaktion erklärt, stehe die Gemeinde mit Grundstückseigentümern in Verhandlung, um das jetzige Areal zwischen B 8 und Staatsstraße 2298 Richtung Hettstadt um weitere fünf Hektar zu erweitern. „Ich bin sehr optimistisch, dass das klappt“. Parallel dazu laufen Untersuchungen für ein alternatives Gelände.
Das Gewerbegebiet Kiesäcker ist eine Erfolgsgeschichte. 1986 wurden die ersten Flächen ausgewiesen, weitere 1995 und 2001 kam „Kiesäcker III“ dazu. 72 Firmen haben sich auf 28 Hektar angesiedelt. Entstanden ist eine bunte Mischung aus Produktions- und Dienstleistungsbetrieben. Den Anfang machte die Firma Röhl, ein Blech verarbeitender Betrieb, der unter anderem Verkleidungen für Nasszellen, WC-Trennwände oder Fertigbäder produziert – für einen weltweiten Markt.
Von der Würzburger Zellerau zog das 67 Jahre alte Unternehmen vor 25 Jahren nach Waldbüttelbrunn. Warum? „Wegen der guten Lage, des Grundstückspreises und der Würzburger Vorwahl-Telefonnummer“, erinnert sich Werner Röhl, Seniorchef des 85-Mann-Betriebes. „Wir fühlen uns hier gut aufgehoben“, sagt er, demnächst wolle man noch expandieren. Nur das ÖPNV-Angebot für seine Mitarbeiter sei nicht optimal.
reit gestreutes Angebot
„Die Röhl-Ansiedlung war damals eine gute Werbung für das neue Gewerbegebiet“, sagt Bürgermeister Endres, damals noch als Gemeinderat aktiv. Relativ rasch folgten weitere Betriebe, deren Größe, Produktion und Angebot breit gestreut ist.
Zu den größten zählt die Firma Steinigke Showtechnic, die 170 Mitarbeiter beschäftigt und seit 1993 in Waldbüttelbrunn ihre Licht-, Ton-, Bühnentechnik, Dekorationsprodukte und Instrumente herstellt. „Die Entscheidung für Kiesäcker fiel relativ schnell. Wir haben gesehen, dass das Engagement der Gemeinde bezüglich Ausbau und Anbindung mit viel Leidenschaft vorangetrieben wurde“, hält Firmenchef Bernd Steinigke Rückschau. Den Umzug habe man nicht bereut. Die Infrastruktur sei bestens – „wir fühlen uns hier richtig wohl.“
Ebenfalls ein „Großer“ ist die Großbäckerei Götz, seit 2004 im Kiesäcker ansässig – mit dem markanten Kiliansbäck-Drive-In am Kreisel zur Industriestraße.
Was macht den Standort so begehrenswerte? „Die Lage“, sagt Endres. Die schnelle Verbindung zu den Autobahnen nach Frankfurt oder Heilbronn sowie die Nähe zu Würzburg mache den Standort für die häufig bundes-, aber auch europa-und weltweit agierenden Firmen so attraktiv. Die Autobahnanschlussstelle Helmstadt ist nur sechs, die Anschlussstelle Kist nur acht Kilometer entfernt.
Dass es der Preis sei, glaubt Endres nicht. Zwischen 65 und 75 Euro pro Quadratmeter verkaufte die Gemeinde die voll erschlossenen Gewerbeflächen. Zum Vergleich: Im Würzburger Gewerbegebiet Heuchelhof-Rottenbauer kostet der Quadratmeter laut Internet-Information rund 75 Euro, im Gewerbegebiet Ost rund 100 Euro.
Einen Gewinn habe man beim Verkauf der Grundstücke, die die Gemeinde von Privatleuten erwarb, nicht gemacht, erklärt Endres. Das sei auch nicht beabsichtigt gewesen. „Unsere Philosophie war und ist es, gute Firmen, die Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen, hier anzusiedeln.“ Diese Rechnung gehe auf. Zwischen 1100 und 1200 Menschen arbeiten im Gewerbegebiet, viele Beschäftige kommen aus Waldbüttelbrunn und den umliegenden Gemeinden.
Mit Kindergarten-, Krabbelgruppen- und Nachmittagsbetreuungsplätzen versucht die Gemeinde, junge Familien anzusiedeln und gleichzeitig den Trend, dass ältere Menschen in die Stadt ziehen, auszugleichen. Laut Endres gelingt das – „bei einer hohen Fluktuation“. Pro Jahr zögen rund 300 Menschen weg, ebenso viele kämen neu nach Waldbüttelbrunn.
Verschuldung sank rapide
Die Kinderbetreuungs- und schulischen Angebote kann sich die Gemeinde gut leisten. Dank des Wirtschaftsfaktors Gewerbegebiet kann sie jährlich zwischen 2,5 und 3,5 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen verbuchen – Kiesäcker sei dank. „Uns geht es gut“, sagt Endres. Die Pro-Kopf-Verschuldung beträgt rund 100 Euro, vor zehn Jahren waren es noch fast 900 Euro.
Damit diese Entwicklung nicht abreißt, will Endres das Areal Kiesäcker nun letztmals erweitern – um zwei – 2,3 Hektar und 3,3 Hektar – große Flächen, das ist Platz für etwa zehn bis 15 Firmen. „Wobei wir natürlich auch weniger, dafür aber größere Betriebe nehmen“, sagt Endres. Aber auch nicht jeden. So musste man einst einem Metall verarbeitenden Betrieb aus „Umweltgründen“ eine Absage erteilen. Trotz des nahen Wohngebiets gebe es mit Lärm aber keine Probleme.
Für Laufkundschaft sei „Kiesäcker“ indes nicht sonderlich geeignet. Ein Anbieter von Bad-Einrichtungen sei wieder weggezogen, ansonsten gebe es kaum Fluktuation. Dafür aber eine Besonderheit: Mitten im Kiesäcker hat im Sondergebiet „Landwirtschaft“ ein Landwirt seinen Betrieb.