Sieben Prozesstage lang zeigte der angeklagte Gemeindearbeiter den Angehörigen der Toten die kalte Schulter. Er schwieg eisern im „Erlabrunn-Prozess“ um den Tod einer 71-jährigen Frau unter den grobstolligen Reifen seines Streufahrzeuges. Dafür redeten sich vor Gericht Zeugen fast um Kopf und Kragen, die den Angeklagten schützen wollten – und einer wanderte direkt vom Zeugenstand in die Zelle, um seine Aussage zu überdenken.
Der Prozess sorgte für großes Aufsehen über die kleine Winzergemeinde im Landkreis Würzburg hinaus. Unbeeindruckt vom Rummel und dem Medieninteresse häufte das Schöffengericht um die Vorsitzende Christine Stoppel Indiz an Indiz und förderte Details zutage, die für Kopfschütteln sorgten: Handydaten von Beteiligten rund um den Angeklagten waren plötzlich gelöscht. Zeugen erinnerten sich nur vage an frühere Aussagen. Am Traktor wurden Spuren verwischt. Es gab Einschüchterungsversuche gegen die Familie des Opfers, Anwälte und Pressevertreter.
Reifen-Spuren stammen vom Streutraktor
Nach sieben Verhandlungstagen war klar: Die Reifen-Spuren auf dem Körper der Getöteten stammen vom Streutraktor – und der Angeklagte hatte ihn gefahren. Staatsanwältin Martina Pfister-Luz hatte „keine begründeten Zweifel“ an der Schuld des Angeklagten und forderte zweieinhalb Jahre Haft ohne Bewährung: „Bis heute steht er nicht zu seiner Tat“, sagte sie in ihrem Plädoyer.
Die Anwälte des Witwers von Gisela K. und ihrer Söhne hatten sich dem angeschlossen. Mit Blick auf Zeugen mit auffallenden Erinnerungslücken sagte Rechtsanwalt Peter Auffermann: „Mir ist manchmal der Kamm geschwollen, wie dreist hier gelogen wurde.“
Verteidiger Andreas Franz beantragte einen Freispruch aus Mangel an Beweisen. Kaum jemand hatte damit gerechnet, dass der Angeklagte sich äußern würde, als er vom Gericht das Recht auf „das letzte Wort“ vor dem Urteil erhielt.
„Es tut mir leid, dass Gisela zu Tode gekommen ist“
Doch da brach es aus dem 57-Jährigen heraus: „Es tut mir leid, dass Gisela zu Tode gekommen ist,“ sagte er erstmals zur Erleichterung des Witwers und seiner zwei Söhne. Die hatten fast zwei Jahre vergeblich auf ein Wort des Beileids von ihrem Mitbürger, der Mitglied im Gemeinderat ist und eine führende Funktion in der Feuerwehr hat, gewartet.
Gespannt beugten sich die Zuschauer nach vorne, die in drei Stuhlreihen dicht gedrängt den Prozess verfolgten: Würde der Angeklagte die Chance nutzen, mit klärenden Worten den Frieden wieder herzustellen in Erlabrunn, wo die einen Mitgefühl für Gisela K. und ihre Familie zeigen und andere vehement den Angeklagten gegen jede Schuldzuweisung verteidigen? Er weiß als einziger, was am Tatort passiert ist. Doch statt einem Geständnis kam nur die Erklärung: Er habe die Frau am Unfallort nicht gesehen. Wollte er damit zumindest einräumen, was er bisher nicht gesagt hatte: dass er zur Unfallzeit am Unfallort war?
Das Gericht fand umso deutlichere Worte: Es hatte keinen Zweifel daran, dass er die Frau versehentlich überrollt, dann Fahrerflucht begangen und später versucht habe, mit Hilfe williger Mitbürger die Tat zu vertuschen. Aber immer wieder habe ihm sein Gewissen einen Streich gespielt und zu verräterischen Äußerungen getrieben, die zeigten, „dass er sich offensichtlich schuldig fühlt,“ machte Richterin Christine Stoppel deutlich.
Ein Jahr und zehn Monate Haft
Sie verurteilte den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung und Unfallflucht zu einem Jahr und zehn Monaten Haft. Den Führerschein musste er noch im Gerichtssaal abgeben. „Die Hetze gegen die Familie K.“ sei ihr „absolut unverständlich“, so die Richterin abschließend. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Verteidiger äußerte sich nicht über Pläne, in Berufung zu gehen.