Wenn der innere Druck zu groß wurde ist er nachts losgezogen, um Feuer zu legen und dadurch "wieder klar im Kopf zu werden": So hat ein 23 Jahre alter Mann aus Estenfeld vor Gericht erklärt, warum er vor ziemlich genau einem Jahr zum Brandstifter wurde. Am Mittwoch wurde er von der 1. Strafkammer des Würzburger Landgerichts unter anderem wegen vorsätzlicher Brandstiftung in vier Fällen zu einer vierjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.
Fünf Brände in fünf Wochen
Es waren fünf nächtliche Brände innerhalb von fünf Wochen, die die Bevölkerung von Estenfeld zwischen dem 20. Februar und dem 3. April 2018 in Atem hielt. Los ging es mit einem Feuer in der historischen Kartause, in der der 23-Jährige noch am Vortag gemeinnützige Arbeitsstunden abgeleistet hatte. Auch zu anderen Brandorten hat er einen direkten Bezug: So zündelte er zum Beispiel in einer Scheune auf dem Grundstück seiner ehemaligen Vermieterin, und auch dieses Feuer geriet ihm wie alle anderen schnell außer Kontrolle. Gesundheit oder Leben von Menschen waren aber in keinem Fall in Gefahr.
Zum Zeitpunkt der Taten war das Leben des 23-Jährigen,der Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Estenfeld war, von Arbeitslosigkeit, hohen Schulden und Stress mit der Ehefrau geprägt. Dazu kommt eine posttraumatische Belastungsstörung, weil er sich für den Freitod seiner Mutter vor einigen Jahren verantwortlich macht.
Schwierige Lebenssituation
Es war also nicht die Faszination für Feuer oder der Wunsch, zu Löscharbeiten ausrücken zu können, die ihn zum Brandstifter werden ließen: "Die Taten resultierten aus seiner persönlichen Lebenssituation", betonte der Vorsitzende Richter Hans Brückner bei der Urteilsverkündung. Die Kammer folgte der Einschätzung eines psychiatrischen Sachverständigen, der dem Angeklagten die volle Schuldfähigkeit bescheinigt hatte.
"Er wurde regelrecht hinters Licht geführt."
Verteidiger Peter Möckesch
Verurteilt wurde der 23-Jährige wegen vierfacher vorsätzlicher Brandstiftung, weil die Strafkammereinen der fünf Brände als Sachbeschädigung wertete. Dazu kam 15 Fälle des Fahrens ohne Fahrerlaubnis: Der junge Mann hat nie einen Führerschein gemacht, war aber trotzdem ständig mit einem Fahrzeug der Feuerwehr unterwegs. Staatsanwalt Thorsten Seebach geht von deutlich mehr Fällen aus: "Das zeugt nicht gerade von Unrechtsbewusstsein", betonte der Anklagevertreter, der nach zwei Verhandlungstagen eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten beantragte.
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Nachdem der Angeklagte, wie auch schon zu einem frühen Zeitpunkt im Ermittlungsverfahren, vor Gericht ein umfassendes Geständnis abgelegt hatte, wäre die Urteilsfindung eigentlich kein allzu schwieriges Unterfangen gewesen - hätte es da nicht die Vorfälle während der Untersuchungshaft gegeben, die Verteidiger Peter Möckesch als "Martyrium" seines Mandanten bezeichnete und als Hauptargument für eine milde Strafe von drei Jahren Haft ins Feld führte.
Übergriffe von Mitgefangenen
Fest steht, dass der 23-Jährige in der JVA Würzburg mit dem Handy eines Mitgefangenen erwischt wurde, dann im Disziplinarverfahren den Namen des Zellengenossen ausplauderte und anschließend mehrmals von der Kripo im Gefängnis besucht wurde. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens wegen eingeschmuggelter Handys in die JVA haben zwei Beamte den 23-Jährigen befragt. Fest steht auch, dass es zu mehreren gewalttätigen Übergriffen von Mitgefangenen auf den Angeklagten kam, der inzwischen zum eigenen Schutz in der JVA Schweinfurt in einer Einzelzelle sitzt.
Möckesch warf der Kripo vor, die Unerfahrenheit seines Mandanten ausgenutzt und ihn nicht über die Gefahren aufgeklärt zu haben, die Verrätern im Gefängnis drohen: "Er wurde regelrecht hinters Licht geführt", betonte der Anwalt. Für Anklagevertreter und Gericht, die die Übergriffe bei der Strafzumessung zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigten, war das Vorgehen der Kripo aber "eine ganz normale Ermittlungstaktik", wie Staatsanwalt Seebach betonte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.