Karosse und Kotflügel in glänzendem Schwarz wie ein Konzertflügel. Auf großen Speichenrädern, mit goldenen Verzierungen, dickgepolsterten, lederbezogenen, bequemen Sitzen und einem Armaturenbrett in edlem Wurzelholz steht sie im Innenhof des Hotels Freihof in Prichsenstadt. Statt eines Lenkrades stehen zwei Leinenstangen über dem Volant.
Wobei „Sie“ eigentlich falsch ist, den was ausschaut wie eine mittelalterliche Kutsche ist eigentlich ein „Es“, nämlich ein Auto. Ein ziemlich ungewöhnliches allerdings. Es ist ein Aaglander und weitere drei davon stehen, abfahrbereit draußen vor dem Haus in der Freihofgasse. Das gleichermaßen elegante, wie extravagante Fahrzeug, 2003 erstmals in der gleichnamigen Manufaktur gebaut, ist inzwischen weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt.
Den äußerlich kaum erkennbaren Unterschied zwischen den Fahrzeugen vor dem Haus und dem im Hof erklärt Richard Gebert. Der ist nicht nur seit April Geschäftsführer der Aagland GmbH & Co KG, sondern auf das, was er heute im kleinen Kreis vorstellt, sichtlich stolz. Während in den bisherigen Modellen der „pferdelosen Kutschen“ ein Dreizylinder Dieselmotor mit satten 14 PS für den standesgemäßen Vortrieb sorgt, wartet das neue Modell mit einem geräuschlosen, umweltfreundlichen Elektromotor auf.
Der „Aaglander Vis a vis E“, so die genaue Bezeichnung, hat eine Leistung von 7,5 Kilowatt und wird aus einem Lithium-Akku gespeist, erklärt Gebert. Der reicht für Tempo 20 und eine Fahrzeit von sieben bis acht Stunden, danach muss er aufgeladen werden, was in drei Stunden passiert ist. Derzeit sei man bei der Produktion einer Vor-Serie, danach sei die erste Kleinserie von 25 Stück geplant, erklärt der Geschäftsmann.
Gebert hatte im April die, nach dem plötzlichen Tod des Gründers Roland Belz insolvente Aaglander Manufaktur, samt Personal, Markenrechten und Tourismuskonzept übernommen. Der 57-Jährige gelernte Maschinenbautechniker und begeisterter Oldtimersammler, der in Prichsenstadt das Hotel Freihof betreibt und verschiedene Firmen besitzt, will dabei dem Motto von Aaglander treu bleiben, das da heißt „den Luxus der Langsamkeit erleben“.
Zulieferer aus aller Welt
Produziert werden die neuen Fahrzeuge in Zukunft in Bronn bei Kühlenfels (Landkreis Bayreuth). Die Entwicklung, die Modellpflege, der Zusammenbau und die Tests erfolgen im eigenen Haus. Die Rahmen der rund eine Tonne schweren Gefährte lässt Gebert in Deutschland fertigen, Teile kommen inzwischen, im Gegensatz zu früher, aus aller Welt.
„Wir haben so die Produktionskosten auf 25 Prozent senken können“ so Gebert. Sein Ziel sei, die Technik und den Komfort des Produkts weiter zu verbessern, wobei ihm seine Kenntnisse und Erfahrungen über die Bauweise von Oldtimern zu Gute kommen.
Wie er die E-Kutschen an den Mann bringen will, dafür hat er ebenfalls schon ein Konzept. „Franchise“ heißt das Zauberwort. Die Aaglander werden nicht verkauft, sondern samt mittelalterlichem Outfit für die Kutscher, den Kunden auf Leasingbasis zur Verfügung gestellt.
„40 Euro pro Tag soll ein Aaglander kosten“. Die Kunden sollen ein bestimmtes Gebiet für ihre „Kutschhalterei“ bekommen, in dem kein weiterer Konkurrent die Fahrzeuge bekommt. So will Gebert mögliche Kampfpreise unterbinden und gleichzeitig die Exklusivität waren.
Früher waren über 250 Euro pro Tag fällig. „Das war nichts für die breite Masse, sondern nur was für eine Elite, die mindestens Bentley fuhr“, sagt Gebert scherzhaft.
„Das Interesse und die Nachfrage sind groß“, sagt er. Derzeit führe er beispielsweise erfolgsversprechende Verhandlungen mit der Stadt Rothenburg ob der Tauber, aber auch aus anderen Städten Deutschlands, sowie aus den USA, Rumänien und sogar China gebe es Anfragen. Eingesetzt werden können die geräuschlosen Aaglander beispielswiese als umweltfreundliche Taxen, für Hochzeits- oder Stadtrundfahrten, aber auch bei Ausflügen in besonders schützenswerten Gebieten.
Derzeit sind einige der dieselgetriebenen Motorkutschen rund um Prichsenstadt im Einsatz und werden von Firmen im Rahmen von Tagungen und Seminaren gebucht, um Ausflüge in den Steigerwald zu unternehmen, berichtet Gebert.