Nein, ein Kind ist Bernd Hobarth mit seinen über 30 Jahren nicht mehr. Dass seine Eltern dennoch jahrelang für ihn Kindergeld bezogen haben, hat seinen Grund in Hobarths Behinderung. Kindergeld wird nämlich laut Gesetz auch übers 25. Lebensjahr hinaus gezahlt, wenn ein Mensch wegen seiner Behinderung nicht selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen kann.
Hobarth will auch gebraucht werden
Und das kann der Mann aus Unterfranken nicht. Er leidet schon lange an einer psychischen Behinderung, die es ihm unmöglich macht, in einem normalen Job zu funktionieren. „Stress macht mir extrem zu schaffen“, sagt er. „Wenn ein Tag anstrengend ist, wenn etwas Unvorhersehbares passiert, legt mich das lahm; dann komme ich die nächsten zwei Tage gar nicht hoch.“ Bei Erschöpfungszuständen, bei Depressionen, bei psychotischen Zuständen braucht der erwachsene Mann dann auch die Hilfe seiner Eltern. Seiner Behinderung zum Trotz sehnt sich Hobarth sehr danach, etwas zu leisten. Gebraucht zu werden. Bestätigung zu finden. Etwas Sinnvolles zu tun.
Ehrenamt als großes Glück – seit Jahren
Ein ganz großes Glück bedeutet es deshalb für den Mann, dass ihm schon vor Jahren ein Wohltätigkeitsverband angeboten hat, ehrenamtlich zu arbeiten. Welcher unterfränkische Wohltätigkeitsverband das ist, soll hier nicht gesagt werden, weil Bernd Hobarth, der in Wirklichkeit anders heißt, nicht erkannt werden möchte. Deswegen wird hier auch nicht genau beschrieben, was Hobarth ehrenamtlich tut. Nur soviel: Er vermittelt als Ausbilder theoretische Inhalte.
Familienkasse streicht Kindergeld wegen Ehrenamt
Auf jeden Fall ist für Hobarth das Ehrenamt so sinnstiftend wie für nichtbehinderte Menschen der Beruf. „Ich treffe andere Leute. Ich habe die Möglichkeit, auch Hilfe geben zu können. Das ist für mich sehr wichtig“, sagt Hobarth. „Das Ehrenamt gibt mir Antrieb fürs Leben.“ Weil er seine Arbeitszeit beim Wohltätigkeitsverband selbst einteilen kann und sein Umfeld Rücksicht nimmt, läuft die Arbeit dort gut. Jedenfalls bis zu dem Tag, an dem die Familienkasse Bayern-Nord Hobarths Eltern aufgrund seiner ehrenamtlichen Tätigkeit das Kindergeld streicht.
11 282 Euro im Jahr sind zuviel
Ab Januar 2018 bestehe ein Anspruch auf Kindergeld für das Kind Bernd Hobarth nicht mehr, da „die kindseigenen Mittel den Bedarf übersteigen“, heißt es in einem Schreiben der Familienkasse, das dieser Redaktion vorliegt. Dazu muss man wissen, dass laut Familienkasse die „Kindseigenmittel“ nicht höher sein dürfen als 10 600 Euro – pro Jahr. Ohne die Anrechnung seiner Ehrenamtstätigkeit blieben die Einkünfte des behinderten Mannes – eine kleine Erwerbsminderungsrente, eine kleine Berufsunfähigkeitsrente – unter diesem Betrag.
„Dann aber hat die Familienkasse die Ehrenamtspauschale von 2400 Euro jährlich mit den Einkünften verrechnet, sodass mein Mandant pro Jahr 11 282 Euro an Einnahmen hatte“, sagt der Würzburger Rechtsanwalt Lothar Schreck, der Hobarths Familie vertritt. Schreck berichtet, dass dieser Umstand zur Aberkennung und zur Rückforderung des Kindergelds führte. Gegen den Bescheid der Familienkasse erhob Hobarths Vater Einspruch – vergeblich. Den Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid lehnte die Familienkasse im August ab.
Rechtsanwalt verweist aufs Ehrenamtsstärkungsgesetz
Für Rechtsanwalt Schreck ist die ablehnende Einspruchsentscheidung der Familienkasse ein „Unding“ und nicht nachvollziehbar. Schreck verweist auf das Ehrenamtsstärkungsgesetz von 2013, das ja gerade vorsieht, dass bei Menschen, die staatliche Transferleistungen wie Wohngeld oder Bafög beziehen, die Ehrenamtspauschale nicht mit staatlichen Leistungen verrechnet werden dürfe. „Und beim Kindergeld soll das nicht greifen?“, fragt Schreck. Er fordert, dass diese offenkundige Gesetzeslücke, sei sie beabsichtigt oder unwissentlich geschehen, unverzüglich zu schließen sei. Schreck zufolge steht nämlich über die Verrechnung von Kindergeld mit einer Ehrenamtspauschale nichts im Gesetz.
Soll der Behinderte aufs Ehrenamt verzichten?
Das hilft Hobarth aber jetzt noch nicht weiter. Was soll er tun? Sein Rechtsanwalt hat dem behinderten Mann geraten, auf die Ehrenamtspauschale zu verzichten und eben auch aufs Ehrenamt.
Hobarth hat sich den Rat seines Anwalts angehört und hat tatsächlich auf die Ehrenamtspauschale verzichtet. Ehrenamtlich arbeiten geht er trotzdem – für umsonst. Er sagt: „Ich kann nicht anders. Ich brauche einen Antrieb und ich brauche das Gefühl, am Leben teilhaben zu können.“