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WÜRZBURG: Flüchtlinge essen vom Todespilz

WÜRZBURG

Flüchtlinge essen vom Todespilz

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    Todesgefahr: Kein einheimischer Pilz richtet so viel Unheil an wie der Knollenblätterpilz, hier in seiner grünen Variante. Sein Verzehr ist heuer mehreren Flüchtlingen aus Syrien zum Verhängnis geworden.
    Todesgefahr: Kein einheimischer Pilz richtet so viel Unheil an wie der Knollenblätterpilz, hier in seiner grünen Variante. Sein Verzehr ist heuer mehreren Flüchtlingen aus Syrien zum Verhängnis geworden. Foto: Rudolf Markones

    Man kann nur von einer Tragödie sprechen: Da flüchten Menschen aus ihren Heimatländern, bewältigen auf ihrem Weg nach Deutschland gefährliche Situationen unversehrt – und kommen hier durch eine Pilzvergiftung ums Leben. Ein 16-jähriger Flüchtling aus Syrien und ein 44-jähriger Mann aus Rumänien starben vergangene Woche im Uniklinikum Münster, nachdem sie Grünen Knollenblätterpilz gegessen hatten. Dann erkrankten in und um Hannover mehr als 30 Menschen nach Verzehr der hochgiftigen Pilze - ausnahmslos Flüchtlinge und Asylsuchende. Aktuell schweben sieben Angehörige einer Flüchtlingsfamilie aus Syrien in Lebensgefahr, die in der Nähe von Lüneburg untergebracht waren und Knollenblätterpilz verzehrten.

    Dass viele Syrer unter den Opfern sind, ist möglicherweise Folge einer fatalen Verwechslung, vermutet Wolfgang Prüfert, der Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Mykologie, der Pilzkunde. Der essbare Eier-Wulstling, den man im Mittelmeerraum findet, ähnelt dem Knollenblätterpilz.

    Nun haben die Behörden reagiert. „Dikkat! Mantar zehirlenmesi!“ Auf Türkische und in sieben weiteren Sprachen steht die Warnung „Achtung! Pilzvergiftung!“ auf Plakaten, die die Medizinische Hochschule Hannover hat entwerfen lassen und die zwei Fotos vom Knollenblätterpilz zeigen und dringliche Warnhinweise. Die Plakate hängen schon in vielen deutschen Flüchtlingsunterkünften.

    Auch die Regierung von Unterfranken ist nimmt das Problem ernst. Das Sachgebiet 53 (Gesundheit) hat die Informationen an alle staatlichen Gesundheitsämter weitergeleitet, teilt Behördensprecher Johannes Hardenacke mit. „Das Informationsschreiben haben wir in diversen Sprachen ergänzend in unserer Aufnahmeeinrichtung in Schweinfurt ausgelegt; die Auslegung in den Dependancen ist bereits veranlasst; ebenso in unseren Notunterkünften.“

    Warum tödliche Pilzvergiftungen bei Deutschstämmigen so selten sind und bei Migranten relativ häufig, ist anlässlich von Vergiftungsfällen bei zwei Russlanddeutschen in Unterfranken 2009 diskutiert worden. Hierzulande gibt es Warnungen zuhauf und relativ wenige Menschen gehen in der Wald, um Pilze zu sammeln. Diejenigen, die das tun, kennen sich meist gut aus.

    Besonders Osteuropäer gefährdet

    Für Personen mit Migrationshintergrund ist die Gefahr größer. Das Sammeln von Pilzen hat in ihren Herkunftsländern eine viel größere Bedeutung, Warnhinweise vor Grünem und Weißem Knollenblätterpilz kannten sie bisher nicht. Zu der gefährdeten Gruppe gehören insbesondere Personen aus Osteuropa, wo das Sammeln von Pilzen für viele Menschen zum Alltag gehört.

    Das Uni-Klinikum Würzburg registriert drei bis fünf Fälle im Jahr. Das Gift des Knollenblätterpilzes kann schon in geringen Mengen zu Leberversagen führen. Amatoxine, vorwiegend Amanitin, gelangen über Magen und Darm in das Organ und zerstören es.

    Besonders tückisch: Die Beschwerden setzen mit Zeitverzögerung ein. Sechs bis 24 Stunden nach Verzehr der Pilze passiert erst mal nichts, erst dann setzen massive Beschwerden ein, Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfall. Es folgt ein weiteres, zirka zwölfstündiges symptomfreies Intervall. Die Betroffenen führen die Beschwerden deshalb nicht in jedem Fall auf den Pilzverzehr zurück. Dabei ist höchste Eile geboten. Ist die Leber erst einmal ausgefallen, hilft nur eine Transplantation.

    Bei Verdacht auf Pilzvergiftung immer ins Krankenhaus, raten Mediziner. Die internistische Intensivstation der Würzburger Uni-Klinik gilt als Haus mit Maximalversorgung. Hier gelingt der Nachweis des Pilzgiftes schnell und sicher, hier kann das Blut über Aktivkohlefilter entgiftet werden, hier kann Silberdistelextrakt verabreicht werden, der die Aufnahme des Amanitins in die Leber hemmt. Entscheidend ist in jedem Fall der Faktor Zeit.

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