Dass sich ein Kardiologe für Kraftwerke interessiert? Christoph Maack interessiert sich nicht nur für sie. Er ist „von den Gebilden“, die permanent Energie produzieren, regelrecht begeistert.
Die Faszination erwischte den Mediziner während seiner Promotion. Maack forschte eigentlich über Betablocker und später über den Kalziumhaushalt in den Zellen des Herzens. Und stieß dabei auf die Rolle der Kraftwerke der besonderen Art: auf die Mitochondrien.
Jene Organellen, die in der Zelle schwimmen, für die wichtige Energieproduktion zuständig sind, Sauerstoffradikale bilden und durch Kalziumionen reguliert werden. Bei seiner Betablocker-Forschung beobachtete der Kardiologe irgendwann, dass die Herzen mancher Patienten eine Schutzfunktion vor oxidativem Stress aufgebaut hatten. Was wirkte da? Was hatte es damit auf sich? Der junge Arzt beschloss, die Mechanismen der Zellorganellen genauer zu ergründen. Und die Zusammenhänge zwischen oxidativem Stress und Herzschwäche zu untersuchen.
Was stellen die Sauerstoffradikale an?
Das Zusammenziehen der Muskeln bei jedem Herzschlag ist „streng kalziumabhängig“, sagt Maack. „Das Kalzium ist gewissermaßen die Zündung für die Kontraktion.“ Doch dafür braucht es Energie – die Mitochondrien kommen ins Spiel, sie stellen den Treibstoff für die Zelle her. Lange Zeit, sagt Maack, hatte die DNA, hatten genetische Fragen im Blickpunkt der Forschung gestanden. Doch ihn interessierten früh die Stoffwechselvorgänge. „Ist der Kalziumhaushalt gestört, beeinträchtigt das die Funktion der Mitochondrien, was wiederum ein Energiedefizit und oxidativen Stress verursacht und das Herz letztlich schwächt.“ Kurz gesagt: Weniger Energie, mehr Sauerstoffradikale, schlechtere Funktion, Herzrhythmusstörungen. Also begann der Kardiologe die Mitochondrien genauer zu studieren, das Kalzium zu betrachten „mit allem, was in der Zelle sonst so passiert“.

Der Weg führte ihn vom Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg und der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore in den USA nach Würzburg: Seit August leitet Professor Dr. Christoph Maack am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI) die Einheit für Translationale Forschung.
Wer wissen will, was genau den 45-jährigen Herzspezialisten so begeistert an den Mitochondrien, landet schnell bei vielen Mikroskopen, kleinen Analysegeräten und bei Biologe Dr. Michael Kohlhaas in einem selbst eingerichteten Schwarzlichtraum. Kohlhaas leitet die „Zelluläre Elektrophysiologie“ und kann im roten Licht eindrücklich demonstrieren, wie eine einzelne Zelle atmet und arbeitet. Maack und sein Team wollen die Prozesse in den Herzmuskelzellen und die Folgen des gestörten Kalzium-Natrium-Haushalts besser verstehen. Irgendwann, so ist das Ziel, sollen Therapien entwickelt sein, die oxidativen Stress verhindern und alles in Balance bringen.
Volkskrankheit mit drei Millionen Betroffenen in Deutschland
Hinter der Faszination für die kleinen Kraftwerke, die zu Hunderten, manchmal Tausenden in einer Zelle arbeiten, steht ein gewaltiges medizinisches Problem: Herzschwäche. Fast 180 Millionen Liter Blut pumpt unser Herz im Laufe von 75 Jahren durch den Körper. Doch was, wenn die Kraft des Muskels nachlässt? Lässt man Entbindungen außen vor, ist das schwache Herz die häufigste Diagnose für eine Aufnahme im Krankenhaus. Aber Herzschwäche ist nicht gleich Herzschwäche. Sie hat ganz verschiedene Ursachen und Auswirkungen, und sie verläuft oft von Patient zu Patient verschieden.

Pumpt die linke Herzkammer zu schwach, gelangt zu wenig Sauerstoff über die Aorta in den Körper. Und wenn sich das Blut in der linken Herzhälfte bis in die Lungenvenen zurückstaut, kann sich Wasser in der Lunge einlagern und Luftnot verursachen. Arbeitet die rechte Herzhälfte nicht mehr richtig, staut sich das Blut in den Gefäßen, die aus dem Körper zum Herzen fließen. Das kann zu Wassereinlagerungen in den Unterschenkeln führen, zu Ödemen.
Wenn die Pumpe keine Kraft mehr hat
Wie viele Menschen sind betroffen von der geschwächten Pumpe? Sicher ist: „Herzinsuffizienz ist seit etlichen Jahren die häufigste Diagnose bei Krankenhausentlassungen“, sagt Professor Dr. Stefan Störk, Leiter der Ambulanz und Klinischen Studieneinheit am DZHI. Er geht in einer neuen Studie von etwa drei Millionen Bundesbürgern aus, die an einer Herzinsuffizienz leiden. Und deren Lebensalltag durch die eingeschränkte Pumpfunktion teils extrem beeinträchtigt ist: Schon kleine Belastungen führen zu Atemnot, die Beine schwellen an, Wasser lagert sich im Körper ein. „Die Patienten sind immer weniger leistungsfähig, müde und schnell erschöpft, haben keinen Appetit.“ Beim höchsten Grad der Herzschwäche haben die Patienten selbst in Ruhe schon Atemnot.
Ziel: Herzschwäche früh erkennen, verstehen, gezielter behandeln - und am besten vermeiden
Das Hauptziel der Forschungen am DZHI hat Christoph Maack schnell zusammengefasst „Herzschwäche früh erkennen, Mechanismen verstehen, neue Therapien entwickeln.“ Das Besondere des Würzburger Zentrums, das vor acht Jahren gegründet wurde, ist der übergreifende, bundesweit in dieser Form bislang einmalige Ansatz: Grundlagenforschung, Klinische Forschung, Lehre und Patientenversorgung mit Spezialsprechstunden für die verschiedenen Krankheitsbilder der Herzinsuffizienz sind hier vereint. Unter den 150 Mitarbeitern des DZHI sind deshalb nicht nur Kardiologen und speziell ausgebildete Krankenschwestern tätig. Sondern Psychologen, Psychiater, Endokrinologen, Genetiker, Chemiker, Physiker und Physiologen wie Zellspezialist Michael Kohlhaas.

Wie entsteht Herzschwäche? „Es gibt viele verschiedene Ursachen“, sagt Maack und zählt auf: Erkrankungen der Herzkranzgefäße, also Atherosklerose, Bluthochdruck, Herzmuskelentzündung, erhöhter Puls, undichte Herzklappen, angeborene Herzfehler, Lungenerkrankungen, auch übermäßiger Alkoholkonsum. Und, mit Blick auf die Volkskrankheit: „Wir essen alle schlicht zu viel.“
Wie gesund ist das Herz der Durchschnittsbevölkerung?
Die Wissenschaftler am DZHI gehen ganz gezielt der Frage nach, wie sich Risikofaktoren – Übergewicht, Diabetes, Rauchen – langfristig auf das Herz auswirken. „Dazu“, sagt Maack, „braucht man Zeit – und viele Leute.“ Und während er selbst das ganz Kleine untersucht und in die Zellen blickt, beschäftigt sich sein Kollege Stefan Störk mit dem ganz Großen: mit dem Gesundheitszustand der Bevölkerung. 5000 nach Zufallsprinzip ausgewählte Würzburger im Alter von 30 bis 79 Jahren haben der Epidemiologe und seine Mitarbeiter für die große STAAB-Kohortenstudie inzwischen untersucht. Eine gewaltige Datenerhebung einer repräsentativen Durchschnittsbevölkerung. „Wir wollen ein Abbild haben von dem, was normal ist“, sagt der STAAB-Projektleiter.
Nach drei bis fünf Jahren werden die Teilnehmer wieder komplett durchgecheckt und nach ihrer Lebensqualität befragt. Daraus wollen die Wissenschaftler sehen, wer ein erhöhtes Risiko für eine Herzschwäche hat, welche Risikofaktoren es gibt, wie Ernährung oder Bewegungsmangel aufs Herz schlagen, wie frühe, beschwerdefreie Formen der Herzinsuffizienz verlaufen. Die Frage über allem: „Wie können wir künftig Herzkrankheiten besser vorbeugen?“
Herzstück im DZHI: der gewaltige 7-Tesla-Magnetresonanztomograph
Der Blick in die Zelle, der Blick auf die Durchschnittsbevölkerung – fehlt der Blick ins lebende Herz. Die Erforscher der Volkskrankheit sind auf gute Bilder vom Herzen angewiesen. Dafür gibt es am DZHI eine eigene Abteilung, geleitet von Professorin Dr. Laura Schreiber und mit einem gewaltigen Gerät: Deutschlands modernster Magnetresonanztomograph steht im Keller des DZHI, mit einer Feldstärke von 7 Tesla. Schreiber und ihr Team testen hier neue Messtechniken, entwickeln neue Spulen, versuchen die Bildqualität immer weiter zu verbessern: „Durch dieses starke Magnetfeld kann ein besonders genaues Bild des Herzens entstehen“, sagt Schreiber. Eine Herausforderung: Das Herz schlägt und bewegt sich, die Aufnahmen sind wesentlich komplizierter als vom Gehirn.

„Die ersten Bilder sind schon sehr spannend“, sagt Maack fasziniert über die Arbeiten der MRT-Spezialisten. Er selbst will, sobald die Aufbauphase seines Teams abgeschlossen ist, bald auch wieder praktisch in der Klinik arbeiten. In der Ambulanz des DZHI, an der Uniklinik, mit Katheter und am Patienten. Schließlich ist das genau sein „Job“: eine Brücke zwischen Grundlagenforschung und klinischer Forschung bauen, also Ideen aus dem Labor in die klinische Anwendung bringen. Ob er dann irgendwann den Patienten auch die Medikamente verschreibt, für deren Entwicklung er jetzt die Grundlagen erforscht?
Der Durchbruch: steht aus, doch vielleicht nah
Der Mitochondrien-Forscher lächelt. Medikamente, die direkt an den Zell-Kraftwerken angreifen, seien in vorklinischen Studien schon erfolgreich getestet worden und würden gerade bei Patienten erprobt. Ob sie tatsächlich das Fortschreiten der Herzschwäche verzögern – oder gar verhindern? „Es wird sich in den nächsten Monaten zeigen.“
Tag der offenen Tür am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Seit dem Jahr 2010, dem Gründungsjahr des Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz (DZHI) in Würzburg, findet in 30 europäischen Ländern der Tag der Herzschwäche statt. Am Samstag, 5. Mai, öffnet das DZHI zu diesem Anlass die Türen seines neuerrichteten Forschungs- und Behandlungsgebäudes auf dem Gelände des Würzburger Uniklinikums, Am Schwarzenberg 15. Das Programm richtet sich an alle Interessierten: an Gesunde wie Menschen, die bereits von Herzschwäche betroffen sind, an Jung und Alt, Mediziner und Laien. Mit vielen Aktionen wollen die Forscher darüber informieren, wie man der Herzschwäche vorbeugen, erste Anzeichen erkennen und die Erkrankung behandeln kann. Beginn ist um 10 Uhr mit einem Vortrag von STAAB-Studienleiter Professor Stefan Störk und einer öffentlichen Sprechstunde für alle. Den Tag über gibt es dann weitere Vorträge über die aktuelle Forschung, Führungen durchs Haus und die Labore, die Johanniter bieten Erste-Hilfe-Kurse mit praktischen Übungen für den Notfall an. Infos: www.dzhi.de Probanden gesucht: Für Untersuchungen im Herzstück des Forschungszentrums, dem 7-Tesla-Magnetresonanztomographen, sucht das DZHI ab sofort gesunde Probanden ab 18 Jahren. Sie helfen dabei, neue Messtechniken zu testen und weiterzuentwickeln. Voraussetzungen für die Teilnehmer: keine Tätowierungen und/oder Implantate, keine Schwangerschaft. Interessierte melden sich per Mail unter mrt-probanden-dzhi@ukw.de