Sie ist eine Institution in Würzburg, eine wie es nicht mehr viele gibt. Und ohne Übertreibung lässt sich sagen, dass eine Ära zu Ende geht, wenn Margarete de Selliers am 31. März die Tür zu ihrem Fotostudio in der Marktgasse zum letzten Mal abschließt. Denn nach 50 Jahren Tätigkeit als Fotografin, „ohne Unterbrechung“, wie sie betont, hört sie jetzt auf. Ab 1. April bleibt die Studiotür geschlossen. Margarete de Selliers verabschiedet sich in den Ruhestand, der, temperamentvoll wie ist, so ruhig nicht werden dürfte.
Schon länger hatte sich in der Stadt herumgesprochen, dass die Fotografin jetzt die Kamera aus der Hand legen wird, zumindest beruflich, und so wurden die letzten Wochen und Monate für sie zu einer Art Spießrutenlauf. „Ja sind Sie denn verrückt?“ oder „Das können Sie doch nicht machen!“ – so schallte es ihr entgegen, wenn sie durch die Stadt lief, erzählt sie, während gerade Möbel aus dem Atelier abtransportiert werden.
Viele Kunden sind im Studio der Fotografin aus Leidenschaft ein- und ausgegangen, nicht nur aus Würzburg, sondern auch von weit her sind sie gekommen, um sich ablichten zu lassen, nicht selten über drei oder vier Generationen hinweg.
Dabei war ihr Weg als Fotografin gar nicht von Anfang an vorgezeichnet. Sie war schon 28 Jahre alt, als sie im Atelier ihres Mannes, einem renommierten Würzburger Porträt-, Industrie- und Architekturfotografen, ein paar Hochzeitsbilder sah, die ihr aber gar nicht gefielen. Sie sagte es ihm geradewegs ins Gesicht. „Zu steif, zu verkrampft“, fand sie die Aufnahmen. „Dann mach's doch selber“, entgegnete ihr Mann. Gesagt, getan.
Ein wenig Ahnung von Fotografie brachte sie ja mit und so begann sie eine fotografische Ausbildung am Agfa-Gevaert-Technikum in München und machte bei ihrem Mann „eine ganz strenge Lehre“ durch. Als er 1977 unerwartet verstarb machte Margarete de Selliers alleine weiter.
In Würzburg hatte sie sich da schon als Porträtfotografin mit ihrer speziellen Bildsprache einen Namen gemacht. „Ruhig, elegant, ohne viel Effekte und Requisiten“ bezeichnet sie ihren fotografischen Stil. Besonders gerne fotografierte sie ältere Menschen „und alles , was vier Beine hat, besonders Hunde“.
„Als ich anfing, war Fotografie noch Handwerk, Kunsthandwerk. In den ersten zehn Berufsjahren nutzte sie noch eine großformatige 13x18-Kamera von Plaubel, die sie immer noch besitzt. Dann wechselte sie aufs 6x7 Mittelformat und schließlich kam auch sie nicht umhin, eine moderne Digitalkamera zu benutzen. Eine analoge Kleinbildkamera hat sie im Studio aber nie verwendet.
„Von 13x18 bis zum Selfie hab ich in den letzten Jahrzehnten die Geschichte der Fotografie miterlebt“, erzählt sie lachend. „Eine tolle Entwicklung oder?“, schiebt sie leicht sarkastisch hinterher. Ein Selfie zu machen käme ihr natürlich nie in den Sinn.
Und überhaupt hadert sie mit der digitalen Fotografie. Dadurch sei die anspruchsvolle künstlerische Porträtfotografie vom Verschwinden bedroht, glaubt die Fotografin. Denn durch das schnelle Fotografieren von allem und jedem verlören Fotografieren ihren Wert fürs Leben und ihre Langlebigkeit.
Ein Kunde aus dem Ochsenfurter Gau fällt ihr da ein. „Da hab ich gleich gemerkt, dass der seine Sachen in Ordnung bringen will“, also ein Bild haben möchte, das ihn überdauert. Ein sehr schönes „Bordräd“ lautete sein Auftrag. Ein paar Tage später kam er wieder ins Geschäft, nahm schweigend seine Bilder in Empfang, schaute sie an und bezahlte. An der Tür machte er kurz halt, zog seinen Hut, drehte sich mit den Worten „Reschbeggd, Frau Sellerie, Reschbeggd!“ zu ihr um und ging.
Weil sie am liebsten mit Menschen umgeht, ist sie bei der Porträtfotografie geblieben. Vom Passbild über Bewerbungsfotos bis hin zu großformatigen Abzügen – Hauptsache „künstlerisch edel“, so war und ist ihr Anspruch. Landschafts- oder gar journalistische Fotografie, Sport oder Reportage – „das habe ich nie gemacht, das hat mich nie interessiert“.
Und wie sieht die Zukunft der Porträtfotografie aus? Da ist Margarete de Selliers sehr skeptisch: Dass es nicht allzu gut aussieht mit diesem Beruf, zeige ja schon die Tatsache, dass sie keinen Nachfolger für ihr Atelier finden konnte. Hinzukomme, dass es viele junge Menschen gebe, die es „uncool“ finden sich bei einem Profifotografen ablichten zu lassen. Die junge Generation gebe sich eben mit Handyfotos zufrieden, weshalb es an junger Kundschaft mangelt.
„Ich kann jüngeren Kollegen nicht mehr empfehlen, Porträtfotografie zu machen, das ist wirtschaftlich nicht lukrativ“, sagt sie nachdenklich, da die Kosten für Miete, Ausrüstung, Ausstattung, Versicherungen und ähnliches zu hoch seien. Den Beruf des Porträtfotografen werde es bald nicht mehr geben, blickt sie in eine düstere Zukunft. Von
Porträtfotografie alleine könne heute auch kein Fotograf mehr leben. Sie sei noch ganz gut klar gekommen, denn „meine Leidenschaft für den Beruf hat mich durchhalten lassen.“
Jetzt ist sie Ende ihres Berufslebens angekommen und ist zufrieden, dass sie den Schlusspunkt selbst bestimmen konnte: „Mein Ziel war es immer aufzuhören, solange man noch gut ist, und nicht erst dann, wenn man anfängt schlecht zu werden“, zieht sie Bilanz.
Natürlich wird sie sich in ihrem neuen Lebensabschnitt nicht gänzlich von ihren Kameras trennen. Fränkische Kirchtürme will sie jetzt fotografieren, schon bisher ein Hobby von ihr. Und schon lange wolle sie mal einen fränkischen Bildband machen, in dem der Mensch im Vordergrund steht – „mit Knöchli und Kraut und so“, schaut sie lachend nach vorne.
Alles in allem sei es eine wunderbare Zeit gewesen, in der sie mit vielen liebenswerten und interessanten Menschen zusammen arbeiten durfte, so ihr Fazit. Und ihr Dank gilt allen, die ihr jahrzehntelang Vertrauen geschenkt und ihr die Treue gehalten haben.
Kunden können sich für eventuelle Nachbestellungen und Nachfragen an ihre langjährige Mitarbeiterin Caroline Maas, Tel. (0172) 66 45 337, wenden.