Im „ch@tpoint“ kann man rasch eine E-Mail senden, im Internet surfen oder das Referat für den nächsten Tag vorbereiten. Es gibt einen Fitnessraum und ein spannendes Freizeitprogramm: Bis zu 144 Azubis und Berufsschüler aus ganz Bayern nutzen das Angebot „Jugendwohnen“ im Kolpinghaus der Katholischen Gesellenhausstiftung. Sie alle profitieren von der im Herbst 2013 abgeschlossenen Generalsanierung, in die 3,2 Millionen Euro investiert wurden.
Jugendwohnen leistet einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag zur Ausbildung junger Menschen, heißt es in einer Mitteilung der Stiftung. „Gäbe es das Jugendwohnen im Kolpinghaus nicht, müsste ich immer dann, wenn ich Berufsschule habe, morgens um 4 Uhr aufstehen“, sagt Carina Schiepella. Die 20-Jährige stammt aus dem hessischen Großumstadt und lernt im bayerischen Markt Pflaumheim den Beruf der Bauzeichnerin. Das theoretische Wissen wird ihr in der Würzburger Josef-Greising-Schule beigebracht. Je nach Ausbildungsjahr, hat sie eine oder zwei Wochen Unterricht im Block. In dieser Zeit lebt sie im Jugendwohnen.
Nach dem Unterricht geht Carina öfter mal ins Kaufhaus oder sie bummelt, sind die Hausaufgaben erledigt, durch die City. Für die Kleinstädterin ist es klasse, dass sich das Jugendwohnen mitten in Würzburgs Innenstadt befindet. Gern nimmt sie auch das Freizeitprogramm des Hauses wahr: „Einmal zum Beispiel strickten wir Mützen.“
Michael Sickinger wünschte sich einen Beruf, der nicht ganz so knochenhart ist wie der Job, den er ursprünglich erlernt hat: „Ich bin Gerüstbauer.“ Der 29-Jährige ergriff die Chance, eine zweite Ausbildung zur Fachkraft für Möbel-, Küchen- und Umzugsservice zu absolvieren.
„Viele Gespräche entstehen nebenbei, zum Beispiel im Chatroom.“
David Barthel Pädagoge
Seit 2007 bietet die Franz-Oberthür-Berufsschule die Ausbildung im Blockunterricht an.
Als Azubi, der seinen Klassekameraden altersmäßig weit voraus ist, sieht Sickinger, wie wichtig die pädagogische Arbeit des Teams vom Jugendwohnen ist. Denn manche Lehrlinge sind nach seinen Beobachtungen sozial noch ziemlich unreif.
Jugendliche wollen sowohl Freiheit als auch Unterstützung haben, steht in der Mitteilung der Katholischen Gesellenhausstiftung. Auf diese emotionale Gemengelage reagiert das sechsköpfige pädagogische Team des „Jugendwohnens“. Viele Gespräche über das, was die Jugendlichen in Bezug auf ihre Ausbildung, ihr Verhältnis zu Gleichaltrigen oder ihre Familie beschäftigt, entstehen nebenbei, so Pädagoge David Barthel, „zum Beispiel im Chatroom.“
Die meisten Jugendlichen kämen so weit auch ganz gut klar. Doch es gibt auch junge Menschen, die in echten Krisen stecken: „Einer unserer Bewohner litt zum Beispiel an Spielsucht.“ Die war so ausgeprägt, dass er schließlich zur Behandlung in eine psychiatrische Klinik musste.
Nicht jeder junge Mensch verfügt über eine gute Strategie, Konflikte zu lösen. Nun sind jedoch Konflikte in der Arbeitswelt unvermeidlich. Azubis mit einer geringen Frustrationstoleranz neigen dazu, beim ersten größeren Krach mit dem Meister alles hinzuwerfen. Ausbildungsabbrüche wiederum sind in Zeiten des Nachwuchsmangels für Betriebe fatal. „Jugendwohnen“ wirkt hier präventiv, wissen die Jugendlichen doch, dass sie zu den pädagogischen Betreuern gehen und bei Konflikten um Vermittlung bitten können.
Mirco Friedrich war sehr erleichtert, dass ihm einer der Pädagogen kürzlich half, ein Referat vorzubereiten. Er hatte damit ziemlich zu kämpfen gehabt. Beim pädagogischen Team findet der 19-Jährige auch immer Ansprechpartner, wenn er mit dem Berufsschulstoff hadert. „Ich bekam schon viele gute Tipps“, so der angehende Fachmann für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen.
„Jugendwohnen“ kann nicht garantieren, dass es mit der Ausbildung klappt. Doch die Chancen erhöhen sich deutlich, betont Manfred Eck, Geschäftsführer der Katholischen Gesellenhausstiftung. Was auch an der Kooperation mit Experten von außen liegt.
Die Jugendlichen können sich zum Beispiel jederzeit an Kolpingpräses Jens Johanni wenden – egal, um welche Probleme es geht. Eine wichtige Zusammenarbeit besteht schließlich mit Deniz Mesekoparan, Jugendsozialarbeiterin an der Franz-Oberthür-Berufsschule.