"Mit was ruft ihr den Krankenwagen?" "Mit dem Mund!", antworten die Kinder. "Richtig. Aber wenn ihr anruft, mit was ruft ihr dann den Krankenwagen?" "Mit dem Handy", sagen die Kleinen. "Oder mit dem Telefon", ergänzt Jana Ehrhardt, die im Kindergarten Grombühlzwerge die Wawuschelgruppe zum Pflasterpass führt.
Die sieben Vorschulkinder im Alter von fünf bis sechs Jahren sind ganz bei der Sache. Beim Pflasterkurs lernen sie, wie sie sich im Notfall verhalten müssen. Den speziell auf Kinder ausgerichteten Erste-Hilfe-Kurs der gemeinnützigen Organisation "Pflasterpass" gibt es in der Region Würzburg seit knapp über drei Monaten. Denn: Auch Kinder können Lebensretter sein.
Deswegen erzählt Ehrhardt, die hauptberuflich Fachkrankenschwester für Anästhesie- und Intensivmedizin ist, die Geschichte vom kleinen Igel, der an einem Tannenzapfenweitwurfwettbeweb teilnehmen möchte und daher abends vor Aufregung nicht einschlafen kann. Die Kinder können sich sofort mit dem Igel identifizieren, und wissen, was dem Igel am nächsten Tag passieren wird. "Der hat verpennt!", prophezeien sie. Tatsächlich: In der morgendlichen Hektik stolpert der Igel über eine Wurzel im Wald und verletzt sich. Was nun? Erwachsenen in der Nähe Bescheid sagen, ist der erste Tipp.
Ein Merkspruch für die Notfallnummer
Ehrhardt bringt den Kindern auch einen Merkspruch für die Notrufnummer bei: Eins, eins, zwei, Hilfe eilt herbei. "Wenn etwas Schlimmes passiert, dann dürft ihr da auch selber anrufen", sagt Ehrhardt. Auch der Igel ruft um Hilfe. Er blutet und hat eine Beule am Kopf. Eine Eule benachrichtigt Dachs und Luchs, die einen Erste-Hilfe-Kasten bringen. Wie Dachs und Luchs hat auch Ehrhardt einen Verbandskasten dabei. "Sind da Spritzen drin?", fragt eines der Kinder. Ehrhardt gibt Entwarnung und fördert Mullbinden und Pflaster zu Tage. Und dann geht es über zum Praxisteil. Wie öffnet man die Verpackung eines Pflasters? Wie fasst man das Pflaster an, ohne die Wundauflage zu verschmutzen?
Am Ende der Übung prangen blaue, rote und grüne Pflaster mit Tintenfisch-, Giraffen- und Fuchsmotiven an den kleinen Daumen und Zeigefingern der stolzen Teilnehmer des Pflasterkurses. Die Kinder lernen zwei verschiedene Arten von Verbandsbinden kennen, eine mit Wundauflage und eine ohne. Die Wundauflage kommt auf die Wunde, das ist allen klar. Nachdem Ehrhardt an einem der Wawuschels vorgeführt hat, wie man einen Wundverband anlegt - nämlich nicht zu leicht und nicht zu locker - in verschiedene Richtungen gewickelt und bis die Rolle leer ist, dürfen sich die Kinder in Zweiergruppen gegenseitig verbinden.
Was tun bei Verletzungen an Armen und Beinen?
Ernste und konzentrierte Gesichter widmen sich den vorgestellten Verletzungen an Ellenbogen, Handgelenken und Beinen des Partners. Hin und wieder sind motivierende Worte wie "weiter, weiter" und "bis alles weg ist" zu hören. Ehrhardt hilft beim sogenannten Zauberknoten am Schluss, damit alles hält. "Prima, super, ihr seid spitze", lobt Ehrhardt ihre kleinen Schüler, welche die neuen Verbände nicht wegmachen, sondern lieber anbehalten wollen. Sie demonstriert auch, wie man Bewusstlose in die stabile Seitenlage bringt.
Die Vier-K-Regel mit den Merkwörtern Kaktus, Kuscheln, Knie und Kopf, also den einen Arm wie ein Wüstenkaktus schräg nach oben legen, den anderen Arm wie beim Kuscheln auf die Brust geben, das Knie aufstellen, zur Seite kippen und den Kopf leicht nach hinten, klappt bei den Wawuschels beim Üben in Zweiergruppen schon fast perfekt. "Hallo, hallo", wenden sie sich an den Verletzten, bevor sie feststellen, ob er wirklich bewusstlos ist. Außerdem prüfen sie die Atembewegung am Bauch.
Warten bis ärztliche Hilfe kommt
Zur Ersten Hilfe gehört auch, dass der Helfer mit dem Unfallopfer wartet, bis der Krankenwagen kommt. "Der Igel wird vom Dachs getröstet. Es ist wichtig, dass jemand da bleibt", erklärt Ehrhardt. Die Grundlagen der Ersten Hilfe, vor allem den Notruf absetzen und einen Erwachsenen holen, seien schon Kindern ab vier Jahren vermittelbar, sagt Ehrhardt.
Für den Igel gibt es ein Happy-End. Die jungen Teilnehmer bekommen am Ende des Kurses eine große Brosche mit dem Bild des Igels darauf, ein Verbandspäckchen mit Pflastern und Binden zum Weiterüben und natürlich den Pflasterpass, der ganz offiziell von Ehrhard gestempelt und unterschrieben wird. Darin ist noch etwas Platz, denn neben dem Bronzekurs, den die Kinder absolviert haben, gibt es auch einen Silber- und einen Goldkurs. Dort werden weitere Techniken, wie der Einsatz von Rettungsdecken und Reanimation erlernt. "Können wir auch den Goldkurs machen?", fragen die Kinder. "Den dürft ihr machen, wenn ihr in der Schule seid", verspricht Ehrhardt.