Nicht alles, was vor den Strafgerichten verhandelt wird, ist schwere Kriminalität. Zuweilen muss sich die Justiz mit Kinkerlitzchen befassen. Wenn es indes ein Schwerkrimineller ist, der sich eine Kleinigkeit hat zuschulden kommen lassen, können ihn auch Petitessen hinter Gitter bringen. Im vorliegenden Fall geht es um einen 66-Jährigen, der einen Kripobeamten als „Flachwichser“ bezeichnet haben soll.
Der Angeklagte hat einen großen Teil seines Lebens im Gefängnis verbracht. Mehr als 20 Vorstrafen weist sein Register auf, seit er 22 war, saß er immer wieder in Haft. Wegen Körperverletzung und Diebstahls, wegen Hehlerei und Betrugs, wegen Urkundenfälschung und versuchter Nötigung. Im Januar wurde der 66-Jährige wegen versuchten schweren Raubes zu neuneinhalb Jahren verurteilt.
Nun geht es „nur“ um Beleidigungen, die er bei einer Vernehmung im März geäußert haben soll. Dass diese Vernehmung in der JVA am Friedrich-Bergius-Ring stattfand, ist der Tatsache geschuldet, dass der Angeklagte derzeit dort einsitzt. Laut einem nicht rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Mosbach ist der gelernte Dachdecker im Dezember 2011 in das Haus eines Antiquitätenhändlers in Unterbalbach (Lkr. Tauberbischofsheim) eingebrochen. Als der Händler den 66-Jährigen und seinen Mittäter stellte, gab es einen Kampf, bei dem das Opfer schwer verletzt wurde. Im folgenden Prozess gegen den Angeklagten konnte der Antiquitätenhändler nicht gehört werden – er war im Dezember 2012 umgebracht worden.
Nach dem gewaltsamen Tod des Mannes stand der 66-Jährige natürlich im Visier der Ermittler. Deshalb wurde seine Zelle abgehört, deshalb besuchte ihn im März die Kripo. Aber der Häftling wollte nicht mit den Beamten sprechen, nannte sie „Flachwichser“ und riet ihnen, sich „g'scheite Arbeit“ zu suchen. „Ich habe das Gefühl, dass der Angeklagte eine Abneigung gegen die Polizei hat“, so ein Beamter im Zeugenstand.
Offensichtlich hat der 66-Jährige auch keine Sympathien für Richter und Staatsanwälte. Auf jeden Fall spricht er nicht mit ihnen, was zwar sein gutes Recht ist – aber ein wenig verwundert. Der Angeklagte hatte nämlich unbedingt eine öffentliche Verhandlung gewollt. Deshalb hat er Einspruch gegen einen Strafbefehl wegen Beleidigung über 120 Tagessätze zu je zehn Euro eingelegt.
Weil der 66-Jährige sich zu den Vorwürfen nicht äußert, ist das Gericht auf die Aussagen des beleidigten Polizisten angewiesen. Der erzählt den Vorfall so, wie er in der Anklage steht. Staatsanwalt Peter Weiß betont, dass die Justiz besseres zu tun habe, als solche Verhandlungen zu führen – und fordert eine Freiheitsstrafe von fünf Monaten für den vielfach vorbestrafen Angeklagten. Der aus Hamburg angereiste Verteidiger plädiert für eine Geldstrafe von zehn Tagessätzen a fünf Euro – insgesamt also 50 Euro.
Das Gericht verurteilt den 66-Jährigen wegen Beleidigung zu vier Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Dass dem Angeklagten dieses Urteil „angesichts dessen, was ihm noch bevorsteht“, wahrscheinlich „wurscht ist“, sei ihm klar, sagt der Vorsitzende Richter Thomas Behl in der Urteilsbegründung. „Aber Polizeibeamte sind keine Müllhalden, auf denen man alles abladen kann, was einem gerade über die Leber läuft.“
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.