„Tschüss Papa“, sagt Nino Herget aus Kist. Er will nur seine Freundin in Heidingsfeld abholen. Es ist der 10. November 2016, ein grauer, nasskalter Winterabend. „Fahr vorsichtig“, ruft ihm sein Vater hinterher. Es waren die letzten Worte, die er mit Nino spricht. 20 Minuten später ist sein Sohn tot.
Mit nur 18 Jahren stirbt Nino auf der Straße zwischen Guttenberg und Reichenberg. Für seine Eltern Rainer und Marion Herget ist dies bis heute unfassbar. Damit auf dieser Strecke kein Mensch mehr sein Leben verliert, haben sie seit Januar 2017 fast 2500 Unterschriften in der Region gesammelt.
Unterschriftenliste übergeben
Ihre Forderung „Durchgehende Leitplanken in der Grünen Hölle, WÜ 29“ haben sie jetzt gemeinsam mit der Unterschriftenliste dem staatlichen Bauamt übergeben. Für Marion Herget ist dies eine Herzensangelegenheit. „Das bringt mir meinen Sohn nicht wieder, aber es hilft vielleicht anderen. Wir können nicht alle Leben retten, aber wir sollten es zumindest versuchen“, sagt sie.
Nach eigenen Recherchen seien in den vergangenen 20 Jahren auf dieser Straße 25 Menschen gestorben, allein im Jahr 2016 drei. Grund genug für Familie Herget, ihr Anliegen mit Vehemenz voranzubringen. Und so rief Marion Herget mindestens 40 Mal bei der Behörde an, um einen persönlichen Termin zu bekommen. Mit Erfolg.
Tempo 70 nicht ausreichend
Dass im Bereich der Unfallstelle ihres Sohnes sehr schnell Tempo 70 eingeführt wurde, sei gut, aber nicht ausreichend. Denn genau dort geht es direkt neben dem weichen Bankett eine steile Böschung hinab. Und dann kommen die Bäume. Einer wurde auch Nino zum Verhängnis. Mit der Beifahrerseite knallte er dagegen. „Da geht es drei Meter runter, da bremst nichts, der Seitenaufprall war tödlich“, sagt Rainer Herget.
Zwei Wochen vorher sei der Sohn eines Arbeitskollegen etwas weiter oben von der Straße abgekommen und frontal gegen einen Baum geprallt. Dem jungen Mann sei Gott sei Dank gar nichts passiert. „Wir nehmen Ihr Anliegen zur Kenntnis und gehen der Sache relativ zügig nach“, sagt Dr. Michael Fuchs, Bereichsleiter Straßenbau beim staatlichen Bauamt Würzburg.
Schutzplanken sind kein Allheilmittel
Denn es gehe um die Sicherheit. „Die Sicherheit liegt uns sehr am Herzen. Wir schauen uns das noch einmal intensiv an und suchen dann eine optimale Lösung“, meint er. Deshalb wurde im November bereits der Straßenbelag erneuert, um die Griffigkeit wieder herzustellen. Die ständige Unfallkommission soll jetzt noch prüfen, inwieweit dort Leitplanken sinnvoll sind.
Schutzplanken allerdings, so meint Eric Brückner, Abteilungsleiter Straßenbau (Landkreis Würzburg) beim staatlichen Bauamt, sind kein Allheilmittel. Da wo sie notwendig sind, werden sie angebracht. Das scheitere auch nicht an finanziellen Mitteln. Aber ein durchgängiges Band an Schutzplanken zwischen Reichenberg und Kist sei schwierig. Man wolle für alle Verkehrsteilnehmer die bestmögliche Lösung finden.
Marterl ohne Rücksprache entfernt
Beim Gesprächstermin brachte Marion Herget auch ihre Verwunderung darüber zum Ausdruck, dass an der Unfallstelle ihres Sohnes plötzlich das an ihn erinnernde Herz mit Beleuchtung verschwunden war. Ohne ihr Wissen. „Es sollte ein Zeichen sein, damit die Autofahrer wissen, dass an dieser Stelle etwas Schlimmes passiert ist und langsam fahren“, erläutert sie. Aber nicht nur das. „Ich war geschockt und habe Rotz und Wasser geheult, weil das Herz an dieser Stelle für mich wichtig ist“, sagt sie. Aufgrund dessen sei sie auch so hartnäckig gewesen: „Ich war nicht auf 180, ich war auf 380.“
Normalerweise werden die Leute vom Staatlichen Bauamt benachrichtigt, wenn an solchen Unfallstätten etwas aus Sicherheitsgründen weggenommen wird, entgegnet Brückner. Das sei aber nicht der Fall gewesen, sie sei lediglich von der Polizei angerufen worden, dass Autofahrer durch das beleuchtete Herz geblendet worden seien. Die sogenannten Marterl seien ein sehr sensibles Thema, meint Fuchs. Grundsätzlich seien solche Erinnerungsstücke in Bayern geduldet, sofern sie nicht den Verkehr beeinträchtigen.
Eine der gefährlichsten Straßen im Landkreis
Die WÜ 29 zwischen Reichenberg und Kist beschäftigt die Behörden schon eine geraume Zeit. Mitarbeiter der Straßenverkehrsbehörde am Landratsamt Würzburg, des Staatlichen Bauamtes und der Polizeiinspektion Würzburg Land setzen sich mit solchen und anderen Unfallschwerpunkten in der ständigen Unfallkommission auseinander.
Initiator der Unterschriftenaktion war der gebürtige Kister Fabian König. Er hatte im November 2016 eine Online Petition gestartet mit der Forderung, Leitplanken auf der kompletten Strecke zwischen Kist und Reichenberg zu ergänzen beziehungsweise zu errichten, wo immer dies möglich sei. „Die Kreisstraße im Guttenberger Forst zwischen Kist und Reichenberg ist eine der gefährlichsten Straßen im Landkreis Würzburg“, schreibt König auf der Internet-Petitionsplattform change.org.
Kurvenreiche Strecke
Seit er denken könne, ereigneten sich immer wieder schreckliche Verkehrsunfälle auf dieser „kurvenreichen Strecke, die auf sechs Kilometern vollständig durch den Guttenberger Wald führt“. Viele Kurven, viele Bäume dicht an der Fahrbahn, schlechte Lichtverhältnisse, häufiger Nebel, verschmutze Fahrbahn aufgrund von Laub und Geäst und immer wieder Wildwechsel tragen seiner Meinung nach zur Gefährlichkeit bei.
Zwar gebe es an einigen Stellen bereits Warnzeichen und Leitplanken. „Das reicht aber nicht“, meint der gebürtige Kister. Denn die geschilderten Unfälle hätten sich alle ausgerechnet an Stellen ereignet, die nicht durch Leitplanken abgesichert waren. Deshalb dürfe man nichts unversucht lassen und müsse alles daran setzen, ein weiteres Sterben auf dieser Straße zu verhindern.
Erneuter Ortstermin Anfang nächsten Jahres
Inzwischen haben über 1700 Menschen sein Anliegen unterstützt und online unterschrieben. Darunter auch Nino Herget?s Bruder Lucas. Er schreibt: „Bitte unterschreibt alle, dass mein kleiner Bruder der letzte war, der sein Leben auf dieser Strecke verlieren musste. Macht, dass niemand mehr auch nur eine Kerze für einen geliebten Menschen aufstellen muss.
Im Januar/ Februar 2018 wollen Vertreter der Behörde und die Verantwortlichen der Unterschriftenaktion bei einem gemeinsamen Ortstermin die Situation der WÜ 29 in Augenschein nehmen. „Wir sind zuversichtlich, dass durch die bereits verwirklichten und die in Aussicht gestellten Maßnahmen die WÜ 29 durch den Guttenberger Forst für niemanden mehr eine grüne Hölle wird“, meint Fabian König.