Am Samstag um kurz vor 13 Uhr heißt es nach fast 41 Jahren zum letzten Mal in der Metzgerei Rögele: „Darf's ein bisschen mehr sein?“ Helga Rögele meinte in einem Blick in ihre (Rentnerinnen-)Zukunft, dass „ich mich in den ersten Momenten bestimmt gut fühlen werde“. Und ihr Ehemann Oskar? „Ich werde sicherlich Wehmut empfinden.“ Gemeinsam mit ihren drei Kindern, fünf Enkeln und einigen Dutzend Stammkunden feiern die beiden mit einem lachenden und einem weinenden Auge die Geschäftsaufgabe.
„Das ist sehr schade“, bedauerte Herbert Heitzenröther, der seit zwölf Jahren regelmäßig hier einkauft. Er lobte vor allem die frischen Weißwürste, Rouladen sowie die Hausmacherwurst. „Meine Gattin Christine und ich müssen uns wohl oder übel in der Stadt eine neue Metzgerei suchen.“
Am 15. Januar 1971 übernahm das Ehepaar Rögele die Metzgerei Am Galgenberg 1 – eine Zweigniederlassung des Betriebs seines Vaters Hans in Gnodstadt. Nach dessen plötzlichem Tod im Jahr 1975 absolvierte Oskar berufsbegleitend die Weiterbildung zum Meister. „Während der fast 41 Jahre hatten wir nicht einmal wegen Krankheit geschlossen“, erinnert er sich. Im gesamten Zeitraum führten die beiden das Geschäft gemeinsam als Ehepaar ohne weitere Mitarbeiter. Nur im Sommer gönnten sich die beiden jeweils für 14 Tage eine Auszeit.
Bis zum heutigen Tag stammen alle Produkte aus eigener Herstellung und Schlachtung im Hauptbetrieb in Gnodstadt. „Wir bieten alles von A wie Aufschnitt bis Z wie Zungenwurst“, betonte Oskar Rögele. Hinzu kommen selbstverständlich verschiedene Braten und sonstigen Fleischereierzeugnisse.
„Er ist Metzger mit Leib und Seele“, fasste Helga Rögele die Arbeitseinstellung ihres Ehemanns zusammen. Vor allem im Sommer übergab er sogar „fast an jedem Sonntag“ den Kunden die frisch zubereiteten Produkte. „Heuer an Silvester werden bei uns um 19.30 Uhr Schaschlikspieße und die dazugehörige Sauce abgeholt“, fügte sie hinzu. So etwas ist einzigartig in der oft gescholtenen „Service-Wüste Deutschland“.
Wegen der guten Warenqualität und der freundlichen Atmosphäre – Oskar Rögele diskutiert leidenschaftlich gern mit den Kunden über Fußball und Sport –, bekam das Ehepaar so manche positive Rückmeldung. Vor einigen Jahren überreichte ihnen ein Student eine Urkunde mit der Auszeichnung „Bester Leberkäs' in Würzburg“. Er hatte das Produkt in zehn Metzgereien getestet.
Fünf Zentner Chili-Wurst die Woche
Beliebt war das Geschäft auch bei den US-Soldaten. Zu Spitzenzeiten wurden wöchentlich fünf Zentner extra scharfe Chili-Wurst sowie die gleiche Menge Spareribs verkauft. „Ich kann nur ab und zu so eine scharfe Wurst essen, meine Frau überhaupt nicht.“
„Wir bedanken uns bei allen langjährigen Kunden und Brotzeitholern“, darauf machte Oskar Rögele aufmerksam. Arbeitslos werden die beiden aber nicht. Ab Januar bauen sie die Metzgerei zu ihrem Alters-Ruhesitz um.