Lola Blaus Zukunft steht weit offen, wie einer der zahlreichen Koffer auf der Bühne des Würzburger Theater Chambinzky. Die talentierte, ehrgeizige Schauspielerin packt gerade für ihr erstes Engagement in Linz, als ihre Welt aus den Fugen gerät. Es ist 1938 in Wien, nach Österreichs Anschluss an das nationalsozialistische Deutschland ist sie als Jüdin plötzlich unerwünscht: Zimmer weg, Engagement weg, die große Liebe verschwunden.
Der Koffer klappt zu, eine Flucht beginnt, die Lola über die Schweiz nach Amerika führt, über Ausweglosigkeit, Hoffnung und Desillusionierung irgendwie zum Überleben.
Charlotte Pensel glänzt in der Hauptrolle von "Heute Abend: Lola Blau", das am Samstagabend eine fulminante Premiere feiern konnte. Regisseur Hermann Drexler hat mit Georg Kreislers Einfraumusical eine von Anfang bis Ende elektrisierende Inszenierung auf die Bühne gebracht, bei der einfach alles stimmt.
Texte gehen direkt unter die Haut
Georg Kreisler, vielen heute vor allem noch als scharfzüngiger Kabarettist im Gedächtnis, verarbeitete in diesem Stück eigene Erfahrungen als jüdischer Künstler während des Dritten Reichs und danach. Denn genau wie seine Hauptfigur musste er 1938 in die USA emigrieren und kehrte später nach Wien zurück: Zu der für ihn typischen eingängig-pointierten Musik (hervorragend und mit viel Gefühl von Bernhard Kuffer am Flügel interpretiert) schrieb Kreisler Texte, die es schaffen, für all das Worte zu finden. Worte, die auf poetische Weise tieftraurig und urkomisch sein können, voller Humor, Scharfsinn und Melancholie. Hier zeigt sich Kreisler als Ausnahmekünstler.
Aus Charlotte Pensels Mund, intoniert mit ihrer wunderbaren, klaren Stimme und ihrem außerordentlich facettenreichen Spiel, gehen die Texte direkt unter die Haut. Für die Schauspielerin sind die mehr als zwei Stunden auf der Bühne eine Tour de Force, die sie mit stimmlicher und schauspielerischer Perfektion sowie komödiantischem Talent meistert. Unterstützt wird sie dabei von Jörg Ewert, der in ebenfalls beeindruckend wandelbarer Weise in eine ganze Reihe von Nebenrollen schlüpft.
Große Stapel alter Koffer und ein roter Samtvorhang werden vor allem durch geschickt eingepasste Videosequenzen zu einem faszinierenden Bühnenbild. Auf den Falten des Vorhangs zieht die "große" Geschichte vorüber, wie undeutliche Eindrücke von draußen, während sich davor Lola Blaus "kleine", ganz persönliche Geschichte abspielt. Ein gutes und wichtiges Stück über ein wichtiges Stück Geschichte, perfekt inszeniert: Ganz großes Theater.