Für viel Verwunderung sorgt aktuell die Lage am deutschen Holzmarkt. Hieß es bis vor kurzem, die Waldbesitzer bringen ihr Holz kaum los und die Holzpreise sind völlig im Keller, so fehlt seit wenigen Wochen nach Angaben der Holzindustrie jedoch Holz an allen Ecken und Enden. Schuld an der neuen Situation sei die sehr große Nachfrage aus den USA und China.
Seit Jahren wirbt das Taubertalstädtchen Röttingen mit den vier "W", Wein, Wiesen, Wasser und vor allem Wald. Die Stadt selbst ist Eigentümerin von 385,70 Hektar Wald, davon fallen im Süden auf den Bürgerwald an der Grenze zu Baden-Württemberg 248 Hektar. Im Norden, Richtung Würzburg, befinden sich am Gammertshof neben den 48 Hektar Stadtwald der "Schönstheimer Wald", der sich jedoch größtenteils im Privatbesitz befindet, über "Huben" organisiert wird und mit der politischen Gemeinde nichts zu tun hat.
Jäger hat Brief an den Bürgermeister geschrieben
Der Wald ist schon seit Jahren ein großes Thema in Röttingen, seit einigen Jahren vor allem durch den Zustand des Bürgerwaldes. Daher schrieb Jäger Helmut Cerdini vor kurzem einen vierseitigen Brief an den Röttinger Rathauschef Hermann "Fernando" Gabel, der jedoch erst seit einigen Monaten im Amt und dafür zuständig ist. Cerdini und zahlreichen anderen Röttinger Bürgern missfällt vor allem die "ausufernde Bewirtschaftung" des Bürgerwaldes, die ganz klar zu Lasten der nächsten Generationen geht. Nach seiner Feststellung, werden seit rund vier Jahren neben kranken und schwächeren Bäumen auch viele gesunde, starke Buchen und Eichen gefällt. Auswärtige Gastjäger waren bei Drückjagden immer von dem dichten schönen Wald begeistert. Heute spreche kein Gast mehr solche Komplimente aus.

Bereits mit Ex-Bürgermeister Martin Umscheid habe Cerdini über dieses Abholzen diskutiert und dieser bestätigt, dass die Einnahmen aus dem Holzverkauf oft nicht die Kosten für das Fällen und den Abtransport decken, da vor allem die Holzpreise im Keller sind. Daher ist für den gebürtigen Rimparer, der den Gramschatzer Wald seit seiner Jugend in- und auswendig kennt, unverständlich, dass so viele starke und gesunde Bäume ohne großen finanziellen Nutzen abgeholzt wurden.
Haufen mit Fichtenkronen liegen noch im Wald
Fachleute und Experten verwiesen auf die Aussage "der Wald ist ein Wirtschaftsbetrieb" und daher wurden massenweise Fichtenkulturen gepflanzt, um profitabel zu sein. Wenn man den Förster darauf anspricht, trägt die Klimaveränderung an allem die Schuld. Die Hitze, Stürme und die Trockenheit würden den Borkenkäfer begünstigen und der trägt dazu bei, dass die Fichten absterben. Die beste Möglichkeit, dem zu entgegnen sei das Abholzen und das Lagern der Fichtenstämme mindestens 500 Meter entfernt vom noch gesunden Holz.
Die Bäume werden dort gesägt, gestapelt und nach einiger Zeit abtransportiert. Der Rest, Fichtenkronen mit dicken Ästen, bleibt an Ort und Stelle liegen, mit Käfermaden unter der Rinde. Daher ist es für Jäger Martin Lochner unbegreiflich, dass im Bürgerwald seit rund zwei Jahren ein riesiger Haufen mit diesen Fichtenkronen und dicken Ästen noch immer mitten im Wald liegt. Über Totholz das für den Naturhaushalt und viele Kleintierarten ganz wichtig ist, gebe es keine Diskussion.
Rückegassen verursachen große Schäden
Dem 73-jährigen Cerdini geht es in seinem Brief an den Bürgermeister aber in erster Linie um den Mischwald mit seinen alten gesunden Bäumen, die abgeholzt werden. Es sei erwiesen, dass diese großen Bäume mit ihrem Kronendach Schatten spenden, so der Trockenheit entgegenwirken, Wasser speichern und mit ihren Wurzeln Kohlenstoff im Erdreich binden.

Ein großer Schaden werde auch durch die teils vier Meter breiten Rückegassen verursacht. Alle 30 Meter befinde sich eine Schneise und der Waldboden werde durch die schweren Maschinen verdichtet. Dabei werden zudem nachwachsende Mischbaumarten niedergewalzt und die Naturverjüngung geht verloren.
Die Jagd sollte damals auf Wunsch von Martin Umscheid und dem zuständigen Förster Manfred Rüb vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Würzburg mithelfen, den Rehbestand zu reduzieren, damit der Verbiss an den Jungpflanzen geringer wird. Diesem Wunsch wurde entsprochen, doch durch die riesigen Holzerntemaschinen werde ein Vielfaches vernichtet.
Bergwaldprojekt pflanzte 2500 Pflanzlinge
In einem Gespräche mit dieser Redaktion meinte Cerdini, dass wir uns über das Abholzen im Amazonasgebiet beschweren, aber diesbezüglich vor Ort nicht viel besser sind. "Wir Jäger sind nicht nur Naturschützer und achten darauf, dass die Artenvielfalt in der Natur erhalten bleibt, wir setzen uns auch für einen gesunden Wald ein." Er bezeichnet es als absurd, die Abholzung des Walds mit dem Waldumbau zu begründen.
Positiv zu erwähnen ist jedoch, im Dezember 2019 wurden von rund 80 Mitgliedern bei einer Pflanzung des Bergwaldprojekt rund 2500 Pflanzlinge standortheimischer Bäume für einen naturnahen Mischwald gepflanzt. Nach Rücksprache dieser Redaktion mit Röttingens Bürgermeister Hermann Gabel, möchte dieser das Thema bei einem Ortstermin mit dem Stadtrat und dem zuständigen Förster, Manfred Rüb, und Jägern zeitnah besprechen.