Das gewohnte Bild mit dem kleinen Seebach, der in der Allersheimer Gemarkung gemächlich an einem Acker vorbei fließt, gehört der Vergangenheit an. Ein Biber hat etwa 1,2 Hektar Ackerfläche in eine Seenlandschaft verwandelt. 2011 muss der Biber zugewandert sein, vermutet der Allersheimer Landwirt Michael Dittmann.
Ob diese Zuwanderung natürlich erfolgt ist, daran hegt Dittmann so seine Zweifel. Wie er erzählt, sah der Damm im Seebach damals eher so aus, als sei er von Menschenhand und nicht von einem Biber errichtet worden. Bestärkt hat ihn in seinem Zweifel noch der Sack mit den Kartoffeln, der direkt neben dem Damm im Wasser gelegen hat. Seit der letzten Maisernte 2012 wächst auf Dittmanns Acker Schilf anstelle von landwirtschaftlichen Produkten. Er sieht es heute gelassen, ob das das Tier eingewandert oder eingesetzt worden ist. Der Landwirt, der vorerst fünf Jahre lang aus dem Vertragsnaturschutzprogramm entschädigt wird, fürchtet aber nicht nur um die Dauerschäden für seinen Acker. Er hat auch die weiteren Biber-Schäden direkt vor Augen: Gegenüber von Dittmanns überflutetem Feld sieht es auf einer Länge von rund 500 Metern aus, als wäre ein Wirbelsturm durch die Bäume entlang des Seebachs gefegt. Auf der Fläche, die als Biotop neben dem Bach verläuft, liegen schätzungsweise 80 bis 100 Bäume kreuz und quer am Boden oder hängen in den Kronen der noch stehenden Bäume. Bei weiteren größeren und kleineren Bäumen künden tiefe Bissspuren das baldige Absterben an. Für Michael Dittmann wäre es sinnvoll, das Holz zu nutzen. Sein Angebot an die Gemeinde,, die Bäume wegzuräumen, ist bisher ohne Antwort geblieben. Wie Bürgermeister Helmut Krämer erklärt, wird er sich bei der Naturschutzbehörde erkundigen, ob das Holz liegen bleiben muss oder beseitigt werden kann.
In Rittershausen, wo sich im Herbst 2012 ebenfalls Biber angesiedelt haben, fällt auch ein Baum nach dem anderen. Zudem hatte Bürgermeister Bernhard Rhein das Problem, dass der eifrige Baumeister mit seinem Damm den Thierbach so stark zurückstaut, dass er über den Feuerlöschteich in den Ortskanal fließen kann. Während dem Stauproblem mit einem Rückbau des Dammes und dem Verlegen von zwei Rohren einigermaßen beizukommen ist, lichtet sich der Uferbewuchs immer mehr. Derzeit hat sich der Biber einige der dicksten Bäume als Futterquelle ausgesucht: Die große Kopfweide, die mit ihrem Umfang von rund 1,50 Metern schon Jahrzehnte hier ihren Platz hat, dürfte, wenn der Biber so weitermacht, bald als Brennholz enden. Die zahlreichen, knapp einen halben Meter hohen kegelförmigen Stümpfe, die aus dem Wasser ragen, zeigen, wie viele der kleineren Bäume der Biber bereits beseitigt hat.
In Bieberehren sorgt sich Bürgermeister Michael Volkert nicht nur um den Bestand des Uferbewuchses. Vermutlich drei Biberfamilien finden in der Gollach, der Tauber und der Steinach einen idealen Lebensraum vor und verschmähen auch die in der Nähe der Bäche stehenden Obstbäume nicht. „Da kann man drauf warten, bis es da keinen Baum mehr gibt“ sagt Volkert.
Anton Peppel, der in dem von Bibern bewohnten Platz an der Gollach eine Wiese besitzt, hat vorgesorgt und seine Apfelbäume mit „Drahthosen“ überzogen. Die halten den Biberzähnen stand. Im Gegensatz zu den jungen Eschen und Buchen, die Peppel zur Uferbefestigung gepflanzt hat. „Alles abgefressen“ stellt der Bieberehrener fest. Der Biber, der sich im Herbst 2011 die Kläranlage in Riedenheim als Domizil ausgesucht hat, stellt auch für Bürgermeister Edwin Fries ein Problem dar. Wegen des „Kläranlagen-Dauerbewohners“, der sich bisher erfolgreich dagegen gewehrt hat, gefangen und umgesiedelt zu werden, wurde, bis auf zwei kleinere Weiden, der gesamte Bewuchs rund um das Becken abgeholzt. Dass er nun direkt vor seiner Wohnung keine Nahrung mehr findet, schreckt den Biber allerdings wenig. Wo ihn seine nächtliche Futtersuche hinführt, das zeigt sich etwa 50 Meter weiter an der Rippach. Hier hat der Biber den Baumbestand bereits gehörig dezimiert.
Kürzlich hat der Biber einen Gang durch die Böschung gegraben. Nachdem der Wasserspiegel deutlich tiefer liegt als die Röhre, die zwischenzeitlich zugeschüttet wurde, besteht keine Gefahr, dass das Becken ausläuft.
Für Erhard Heinle, Mitarbeiter in der unteren Naturschutzbehörde und Biberbeauftragter, stellen die acht bis zehn Reviere im Landkreis Würzburg noch kein sehr großes Problem dar. Es sei allerdings zu erwarten, dass die Anzahl der Biber nicht geringer werden wird. Dem immer wieder geäußerten Verdacht, dass die Biber in die Bäche eingesetzt worden sind, widerspricht er deutlich: „Im Landkreis Würzburg sind noch nie Biber ausgesetzt worden.“
Die „Bibergeschichte“, so Heinle, nahm vor zirka 30 Jahren ihren Anfang. Damals hat der Freistaat Bayern die Wiederansiedlung der bis dahin als ausgerottet gegoltenen Tiere gefördert. Deshalb ist der Freistaat in der Pflicht bei der Regelung von Entschädigungen. Zahlungen gibt es für Ausfälle durch Fraßschäden, Einbrüchen bei der Bewirtschaftung und Vernässung von landwirtschaftlichen Flächen.
Nachdem zunächst Biber lediglich in der hessischen Rhön und bei Rothenburg ob der Tauber lebten, war es laut Heinle, schon sehr überraschend, als Anfang der 90er Jahre plötzlich ein Biber in Allersheim aufgetaucht ist. Nach einigen Jahren verschwand dieses Tier, bevor 2011 der „Neue“ aufgetaucht ist. Seit rund 25 Jahren haben sich vermehrt Biber nicht nur an Main und Tauber, sondern auch an kleineren Bächen angesiedelt.
Dass die Biber die Landschaft verändern, daran lässt Erhard Heinle keinen Zweifel. Was einerseits zum Fluch für die Landwirte werden könnte, sei andererseits biologisch und ökologisch ein Segen. In Allersheim lässt sich schon jetzt erkennen, dass in dem Feuchtgebiet nicht nur junge Weiden sowie verschiedene Pflanzen- und Schilfarten heranwachsen, sondern auch wasserliebende Tiere wie Frösche, Enten und Insekten den neuen Lebensraum für sich in Anspruch nehmen.