Erhaltenswert oder zum Abriss frei? Harte Kritik an der Stadt Würzburg übt Generalkonservator Mathias Pfeil. Der Leiter des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege fordert den Erhalt der Mozartschule – weil Würzburg mehr als Balthasar Neumann sei.
Frage: Die Mozartschule ist zwar ein Denkmal, aber wohl nicht so ein tolles, oder? Sonst würde die Stadtverwaltung sie ja nicht abreißen wollen.
Mathias Pfeil: Die Mozartschule ist ein bedeutendes Denkmal für Würzburg, das die Stadt nicht so einfach beseitigen kann. Sie muss ein passendes Nutzungskonzept für die Mozartschule finden und die Sanierung durchplanen.
Das hat die Stadt aber in den vergangenen 20 Jahren nicht getan. Stattdessen hat der Stadtrat 2007 entschieden, dass die Schule weg muss, um das Grundstück verkaufen zu können. Oberbürgermeister Christian Schuchardt schlägt den Bürgern beim Entscheid im Juli vor, für den Abriss und gegen den Erhalt der Schule zu stimmen.
Pfeil: Das ist mutig. Denn die Entscheidung zwischen Erhalt und Abriss können die Bürger gar nicht treffen. Diese muss denkmalfachlich abgewogen werden. Die Stadt muss dabei nachweisen, dass sie sich mit Sanierungskosten, Nutzungen und dem Gebäude in der Summe auseinander gesetzt und seinen Erhalt gründlich geprüft hat.
Doch als zuständige Untere Denkmalschutzbehörde kann die Stadt ja selbst den Stempel auf ihren Abrissbescheid setzen. Wer soll sie daran hindern?
Pfeil: Die Regierung als übergeordnete Behörde oder die Gerichte. Denn die denkmalfachrechtliche Abwägung muss einer Klage standhalten. Begründungen, wie 'uns ist nichts anderes eingefallen' oder der entgehende Verkaufserlös genügen da nicht. Schließlich verlangt die Stadt ja auch von privaten Besitzern, dass diese ihre Denkmäler, soweit es zumutbar ist, erhalten. Dass es nicht zumutbar ist, die Mozartschule zu erhalten, müsste die Stadt erst einmal beweisen. Ansonsten verliert sie ihre Glaubwürdigkeit.
Welche Gründe würden denn den Erhalt eines Denkmals unzumutbar machen? Andersherum: Warum sollte sich Würzburg die Kosten für die Sanierung zumuten?
Pfeil: Weil die Mozartschule ein herausragendes Beispiel der Nachkriegsarchitektur ist. Sie steht für die Zeit des Wiederaufbaus, die gerade in der Würzburger Stadtgeschichte eine wichtige Rolle spielt. Die Mozartschule ist doch ein bisschen Würzburger Seele – in dieser Seele steckt doch mehr als Balthasar Neumann.
Von außen betrachtet, sieht das Stück Würzburger Seele aber ziemlich heruntergekommen aus. In den vergangenen 20 Jahren hat die Stadt nur das Nötigste investiert. Muss ein Denkmal nicht auch ein bisschen schön sein?
Pfeil: Das ist doch nur Kosmetik. Der Fassade fehlt nur etwas Lack und Farbe. Weit wichtiger ist, dass die Grundsubstanz des Baus in Ordnung ist. Ästhetisch ansprechend sind die sachliche und klare aber leichte Architektur mit sorgfältig gesetzten Details, wie dem geschwungenen Treppenhaus oder der Aula mit sternenhimmelähnlicher Decke genauso wie die vielen Kunstwerke.
Für den Charme der 50er Jahre sind viele Würzburger weniger empfänglich als für Barock oder Rokoko. Ein geplanter Abriss des Falkenhauses – das noch nicht einmal echt, sondern eine Rekonstruktion ist – würde sicher für größere Aufregung sorgen. Warum wird Nachkriegsarchitektur gering geschätzt?
Pfeil: Man schätzt generell eher das, was vor der eigenen Zeit entstanden ist. Das war schon immer so. In der Nachkriegszeit wollte niemand etwas von Gründerzeitbauten wissen. Wenn Gebäude aber durch einen langen Zeitraum mitgetragen werden, erfahren sie viel Wertschätzung durch die Bevölkerung.
Ob die Schule schon alt genug dafür ist, von den Würzburgern wert geschätzt zu werden, wird der Bürgerentscheid zeigen. Initiiert hat ihn die Bürgerinitiative „Rettet das Moz“. Engagieren sich Menschen oft für Denkmäler?
Pfeil: Bürgerinitiativen zum Schutz von größeren Gebäuden gibt es häufig. Denkmalschutz ist eine emotionale Sache. Ich freue mich über solche Initiativen, denn sie zeigen, dass es in der Mitte der Gesellschaft einen Bedarf gibt, unser geschichtlich und kulturell bedeutendes Erbe zu bewahren. Um diesen Bürgerwillen durchzusetzen, hat der Freistaat vor gut 40 Jahren das Bayerische Denkmalschutzgesetz erlassen, für dessen Umsetzung wir uns als Landesamt für Denkmalpflege einsetzen.
Wäre ein Teilerhalt der Schule ein möglicher Kompromiss von Emotion und Ratio, sprich Erhalt und Abriss der Schule?
Pfeil: Noch einmal das gleiche Thema. Man kann auch nicht einfach sagen, der Unterhalt der gesamten Residenz wird uns zu teuer, also reißen wird den linken Flügel ab. Die Stadt muss in einer gründlichen Abwägung zu dem Ergebnis kommen, dass es nur für einen Teil der Mozartschule ein sinnvolles Nutzungs- und Sanierungskonzept gibt. Dann könnte man weiter reden.
Mathias Pfeil
Der Architekt war für die Bayerische Staatskanzlei in Brüssel und Leiter der Bauabteilung der Bayerischen Schlösserverwaltung. Seit März 2014 ist der 54-Jährige Generalkonservator des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege in München. Das Bayerische Landesamt ist die zentrale Fachbehörde des Freistaats Bayern für Denkmalschutz und Denkmalpflege. Mit seinen Dienststellen in Bamberg, Nürnberg, Regensburg und Thierhaupten führt das Amt die Bayerische Denkmalliste, berät und informiert in allen Fragen der Bau-, Kunst und Bodendenkmalpflege. Pfeil ist Mitglied der Bayerischen Architekten- und der Ingenieurkammer, von ICOMOS und Lehrbeauftragter der TU München. FOTO: ANDERS