Die Wände abgeschabt, das kleine Fenster düster verhängt: Georg Zeies' Künstlergarderobe ist dringend renovierungsbedürftig. Der Schauspieler selbst allerdings, der sich den engen Raum im Mainfrankentheater mit Anderen teilt, wirkt frisch und aufgeräumt – ein sympathischer Mann mit wachen Augen und ohne Allüren. „Für sein hervorragendes Spiel, seine große Spielfreude und seine überzeugende Wandlungsfähigkeit“ hat der 1962 geborene Künstler den Würzburger Theaterpreis 2015 erhalten. Schon seit zehn Jahren spielt Zeies hier am Haus, seit fünf Jahren ist er festes Ensemblemitglied.
Als Sohn eines Postbeamten im rheinländischen Krefeld aufgewachsen, jobbt der Schüler und Abiturient Georg Zeies einige Jahre als Briefträger. Nach dem Zivildienst macht er Aufnahmeprüfungen an diversen Schauspielschulen – und scheitert in großem Stil: „Ich hatte nicht den Hauch einer Chance.“ Etwas ratlos schreibt er sich an der Universität Stuttgart für Geschichte und Philosophie ein, doch der Studierbetrieb liegt ihm wenig. In der Bibliothek schläft er regelmäßig ein.
Ein Zettel am Schwarzen Brett bringt dann die entscheidende Wendung: „Studentenbühne sucht Darsteller!“ Zeies meldet sich und erhält dort, zusammen mit anderen Studenten, von ein paar Theaterprofis eine regelrechte Schauspielausbildung, mit Körpertraining und Vielem mehr. Tagsüber steht Zeies nun zum Geldverdienen am Fließband, abends auf der Bühne. Zu den Zwischenprüfungen an der Uni ist er wegen fehlender Scheine sowieso nicht zugelassen worden.
Schließlich wandelt sich die Stuttgarter Studentenbühne zum professionellen „Theater Rampe“, das es bis heute gibt. Endlich kann Zeies mit seiner Schauspielerei Geld verdienen. Ganze zehn Jahre hält es ihn am „Theater Rampe“, eine Zeit, in der er so viel arbeitet „wie nie mehr im Leben“. Dann allerdings ist er ausgebrannt, er gerät in eine schwere Sinnkrise. Zusammen mit seiner Frau, der Schauspielerin Edith Abels, beschließt er nach Asien zu reisen. Das Paar besucht Sri Lanka und Burma, meditiert in Indien – sieben anstrengende, intensive und bereichernde Monate.
„Kleinbürger kann ich gut. Schließlich komme ich aus so einem Umfeld.“
Georg Zeies über seine Lieblingsrollen
Zurück in Stuttgart meldet Zeies sich arbeitslos. Doch aus heiterem Himmel wird er zu einem Vorsprechen am Stadttheater Konstanz eingeladen – ein Erfolg auf ganzer Linie, die Chemie stimmt.
Zu diesem Zeitpunkt ist Georg Zeies 34 Jahre alt. Mit Dagmar Schlingmann, heute Intendantin in Saarbrücken, entwickelt er in Konstanz ein enges, freundschaftliches Verhältnis. Ab 1996 spielt er in Linz und St. Gallen, ab 2005 – durch den Kontakt zu Bernhard Stengele – auch in Würzburg. Das Paar Abels/Zeies hat mittlerweile drei Kinder, man arbeitet abwechselnd, die Pendelei zwischen den Städten wird eine immer größere Zumutung. Im Jahr 2010 ist es endlich soweit: Zeies und Abels bekommen einen Drei-Jahres-Vertrag am Mainfranken Theater, zwei 60-Prozent-Stellen, die einen Umzug nach Würzburg möglich und nötig machen.
Das Mainfranken Theater sieht Zeies als „Haus mit starken Persönlichkeiten“, wo „harte emotionale Arbeit“ gefragt ist. Das gehört für ihn dazu: „Ich kann einiges vertragen.“
Mit dem Wechsel des Schauspieldirektors im Jahr 2013 – Bernhard Stengele geht, Stephan Suschke kommt – wird Zeies in Vollzeit ans Haus übernommen. Momentan stecke das Ensemble in einer Übergangssituation: Im kommenden Sommer, mit dem Weggang des Intendanten Hermann Schneider, werden viele seiner Kollegen das Haus verlassen, sagt Zeies. Schon jetzt seien es nur noch wenige. Arbeitsbelastung und mentale Anstrengung sind hoch, trotzdem macht ihm die Arbeit Spaß. Besonders gern spielt er „skurrile und körperbetonte“ Rollen wie etwa den Hofnarren in Shakespeares „King Lear“. Aber: „Auch Kleinbürger kann ich gut. Schließlich komme ich aus so einem Umfeld.“
Seine Wandlungsfähigkeit macht Zeies mit vielem kompatibel. Er selbst sieht sich als verlässlichen, disziplinierten Mannschaftsspieler, der sich gern in ein großes Ganzes einfügt. Dass die Theaterpreis-Laudatio seine Spielfreude betont, macht ihn glücklich: „Energie, Intensität, Konzentration sind meine Stärken. Freut mich, dass das offenbar auch rüberkommt.“
In Zukunft möchte er auf der Bühne gerne mehr singen – und den Mut entwickeln, sich an Extreme zu wagen und damit vielleicht auch einmal zu scheitern.
In der laufenden Spielzeit ist Georg Zeies auf der Bühne zu sehen in „Der Revisor“, „Mandel und Seepferdchen“ und „An der Arche um Acht“.