Die Kartierung der Gemeinde Gerbrunn wirkt ein bisschen wie die Seitenaufnahme eines Kopfes. Die Nase ist der Sportplatz, der Mund die Einfahrt von Würzburg in den Altort, die Stirn ist der Kirschberg - und die längeren Haare könnten die Roßsteige abseits vom Schuss sein. Doch entscheidend sind die Farben der eingezeichneten Flächen. Grau dominiert mit großem Abstand. Will heißen: Das meiste ist zugebaut - mit Häusern, Hallen, firmeneigenen oder kommunalen Gebäuden. Dazwischen gibt es vereinzelte Lichtblicke: Das sind Spielplätze, andere Grünflächen, ein paar Scheunen und freie Grundstücke. Von letzteren gibt es genau 81. Sie sind dunkelblau markiert.
Deren Eigentümer hat Gerbrunns Bürgermeister Stefan Wolfshörndl kürzlich zu einem Informationsabend in die Alte Feuerwehr eingeladen. Das Überthema lautete: Innenentwicklung. Zwei Architekten stellten den 55 Gästen, darunter auch Gemeinderäte und Interessierte, das Konzept vor - informativ und mit einer klaren Botschaft: Gerbrunn muss auf die Innenentwicklung setzen, wenn es die hohe Nachfrage nach Wohnraum stillen will. Denn es gibt seit der Ausweisung des Kirschberges keine Flächen mehr für auch noch so kleine Neubaugebiete.
Umfrage bei den Grundstücksbesitzern
"Fast die Hälfte der Gemarkung", sagte Architekt Bertram Wegner, "ist bereits mit Wohnbesiedlung und Gewerbegebiet besetzt, was überdurchschnittlich viel ist." So gebe es nur noch 207 Hektar Felder und Streuobstwiesen sowie 48 Hektar Wald. Demgegenüber steige die Inanspruchnahme von Wohnraum durch die Bevölkerung seit Jahren an. Hinzu komme noch die zentrumsnahe Lage Gerbrunns. "Innenentwicklung ist die Nutzung der Möglichkeiten im Bestand. So spart man Fläche und hat eine kompakte Siedlungsfläche", nannte Wegner einige der Vorteile.
An dieser Stelle kommen die 81 freien Grundstücke ins Spiel, über die die Gemeinde gerne mehr wüsste. Denn offiziell sind ihr nur deren Eigentümer bekannt. "Wir möchten Sie gerne befragen, was Sie mit ihren Flächen vorhaben", wendete sich Wolfshörndl an die Besitzer und bat darum, an der schriftlichen Abfrage teilzunehmen, die unmittelbar bevorsteht. Dabei geht es um Fragen wie: Warum wurde das Grundstück bislang nicht bebaut oder verkauft? Welche Veränderungen kann ich mir innerhalb der nächsten fünf Jahre vorstellen?
Entwicklung des Ortskerns steht im Mittelpunkt
"Es gibt Möglichkeiten, an die Sie bislang vielleicht noch gar nicht gedacht haben", erläuterte Cornelia Seifert vom Stadtplanungsbüro Wegner: "Ich denke an eine Reinvestition auf dem eigenen Grundstück, etwa in die Wohnung eines Dreifamilienhauses, wodurch kontinuierliche Mieteinnahmen entstehen würden. Oder die Reinvestition in eine andere Immobilie, etwa eine seniorengerechte Wohnung im Ortskern." Eine Variante, die verstärkt Einzug halten dürfte - und auch schon in Gerbrunn diskutiert wird - ist die temporäre Verpachtung eines Grundstücks, etwa für sogenannte Mikrohäuser (Tiny Houses).
Die Gemeinde interessieren nicht nur die Baulücken, sondern auch der Ortskern als solches. "Diesen wollen wir umgestalten - und einen neuen Bebauungsplan aufstellen", bemerkte Bürgermeister Wolfshörndl. Mitten im Gerbrunner Zentrum gibt es bereits eine große Baustelle in der Alten Gasse, wo ein Investor eine Wohnanlage plant. Derzeit wird noch abgerissen. Im Ortskern erhalten sämtliche Haus- und Grundstückseigentümer einen (gesonderten) Fragebogen. Neben der Bestandsaufnahme stellt sich hier vor allem die Frage, ob sich die Bewohner in den nächsten fünf Jahren Änderungen vorstellen können, etwa eine Modernisierung, einen Verkauf oder eine Reinvestition. Oberstes Ziel ist ein attraktiver und vitaler Ortskern.
Entwicklungskonzept wir jetzt ausgearbeitet
Wie geht es nun weiter? Nach dem Versand der Fragebögen haben die Eigentümer zwei Wochen lang Zeit, um zu antworten. Anschließend werden diejenigen von der Gemeinde und Architekten beraten, die dies wünschen. Dann geht es an die Ausarbeitung eines Innenentwicklungskonzepts. Im September findet schließlich ein zweites Bürgertreffen statt. "Innenentwicklung kann zwar nicht alles leisten. Es gibt bei uns aber sicherlich noch Potenziale", sagt Wolfshörndl, der mit seiner Familie selbst in einem Reihen-Kettenhaus auf dem Boden einer früheren Villa mit Schwimmbad wohnt.
