Es ist Mittwochnachmittag, acht Jungs und Mädels aus verschiedenen Klassen der Gerbrunner Eichendorfschule kommen zusammen, um mit Stephanie Grousset Spaß zu haben. Es wird gespielt. Gesungen. Getanzt. Ganz nebenbei lernen die Kleinen Französisch.
„Wir pauken weder Grammatik noch Vokabeln“, sagt Stephanie Grousset. Deshalb macht es auch keinem der Kinder etwas aus, nach Schulschluss noch für ein Stündchen dazubleiben. Die 60 Minuten mit ihrer Frühfranzösisch-Lehrerin sind überaus erheiternd.
„Wir pauken weder Grammatik noch Vokabeln!“
Stephanie Grousset Französischlehrerin
„Mit klassischem Unterricht hat das nichts zu tun“, bestätigt Tanja Gausmann-Kamp, Vorsitzende des Partnerschaftsvereins „Initiativkreis Gerbrunn“ (IGEP). Seit 2008 organisiert IGEP den Kurs für die Gerbrunner Kinder. Gefördert wird er vom Deutsch-Französischen Jugendwerk. Gausmann-Kamp: „Von dort wurden auch Gelder für das neue Schuljahr bewilligt.“ Fünf bis zehn Kinder haben ab sofort die Chance, auf spielerische Weise in Frankreichs Sprache und Kultur einzutauchen.
Die Gerbrunner Schule ist die Einzige, die in Kooperation mit dem Partnerschaftsverein und dem Jugendwerk so etwas in diesem Umfang – also plus Kita und plus Aktionstage – anbietet.
Soeben gellt ein Schrei durchs Klassenzimmer: „Eine Leiche!“ Zum Glück wartet „le détective“ bereits vor der Türe. Die Kinder platzieren sich, mit Ausnahme der „Leiche“, im Kreis, jedes nennt seine Lieblingsfarbe. „Rose“, sagen die Mädels, „bleu“ oder „noir“ die Jungs. Bei der zweiten Runde jedoch sagt jenes Kind, das zu Beginn des Spiels als Mörder auserkoren wurde, eine andere Farbe - „rouge“ statt „bleu“. Hat der Detektiv aufgepasst? Ja, er hat: „Du bist der Mörder!“
Turbulent geht es auch bei „Feuer, Wasser, Luft“ zu. Wobei dieses Spiel natürlich „a la france“ gespielt wird. Es gibt zwar weiterhin „l?eau“ – dann klettern alle Kinder auf einen Stuhl oder Tisch, um sich vor den anschwellenden Fluten in Sicherheit zu bringen. Dazwischen ruft Stephanie Grousset: „Quatre heures!“ Die Kinder kommen jauchzend in kleinen Grüppchen zusammen, tuscheln und klatschen dabei in die Hände.
„Um vier Uhr ist in Frankreich Kaffeeklatsch“, erklärt die Frühfranzösisch-Lehrerin.
Frühfranzösisch an Grundschulen ist inzwischen rar geworden. Englisch boomt. „Außerdem stehen wir im Wettbewerb mit vielen anderen Angeboten am Nachmittag“, sagt Tanja Gausmann-Kamp. Mindestens fünf Kinder, die Lust auf eine Fremdsprache außer Englisch haben, kamen bisher dennoch jedes Jahr zusammen.
Dass IGEP die Frühfranzösischstunde organisiert, liegt an der engen Partnerschaft mit den Calvados-Gemeinden Mathieu, Cresserons, Cambes-en-Plaine und Périers-sur-le-Dan. Seit 15 Jahren bestehen die freundschaftlichen Bande schon. „Nächstes Jahr kommen die Franzosen wieder zu uns nach Gerbrunn“, verrät Gausmann-Kamp. Wer weiß, vielleicht haben die Eltern der Kinder, die nach einem Jahr Französisch mit Stephanie Grousset schon super sprechen können, Lust, einen Gast aus dem Calvados aufzunehmen? Dann können die Kleinen ihr Wissen gleich live anwenden.
Auch im Kindergarten existiert eine von IGEP geförderte Französischgruppe. Daneben gibt es einzelne Events, an denen auch Kinder ohne Französischkenntnisse teilnehmen können. Zu Jahresbeginn gab es an einem Projekttag zum Beispiel einen französischen „Galette des rois“ – also einen Dreikönigskuchen. Den zu essen, machte den Kindern besonderen Spaß, weil darin, das ist typisch für diesen Kuchen, eine „Feve“ genannte Figur versteckt war. Natürlich hoffte jedes Kind, dass sie in seinem Stück sein würde.
„Wir sind im Wettbewerb mit vielen anderen Angeboten am Nachmittag.“
Tanja Gausmann-Kamp IGEP-Vorsitzende
Dass Stephanie Grousset so perfekt Französisch spricht, kommt nicht von ungefähr: „Ich bin in Frankreich geboren.“ Französisch war die erste Sprache, die sie lernte. Doch gleich danach kam Deutsch: „Denn meine Mutter stammt aus Deutschland.“ So wuchs sie mit beiden Sprachen auf. Mit drei Jahren kam sie nach Deutschland.
Französischlehrerin zu werden, war allerdings ein erst spät erwachter Wunsch. „Ich bin Modistin“, verrät Grousset. Modisten fertigen Kopfbedeckungen aller Art. Ein Traumberuf. Mit dem es allerdings nicht ganz so leicht ist, eine Familie zu ernähren. So sattelte sie vor sieben Jahren um. Zur Freude der Gerbrunner Kinder.