Vor etwa 15 Jahren hat er für einen Test die ersten zwei Palmen mit einem Firmen-Lkw aus einer Baumschule am Gardasee geholt und da die sich offensichtlich in der Neubergstraße wohl fühlen, streift er seitdem immer wieder mal durch seinen Stadtteil Sanderau auf der Suche nach neuen, günstigen Standorten für Palmen. Die werden nicht in Gärten hinterm Haus eingepflanzt, sondern für jeden sichtbar am Gehsteigrand, mit „Luft“ nach oben, 15 stehen inzwischen, fünf Meter und höher, vor dem eigenen Haus und vor Häusern von guten Bekannten. Reinisch sei, sagen manche, seiner Zeit um einige Jahrzehnte voraus, er stelle sich bereits auf die Klima-Erwärmung bei uns ein.
Reinisch hat sich für robuste Hanf-Palmen entschieden, denen ein durchschnittlicher Würzburger Winter, noch dazu in der klimatisch günstig gelegenen Sanderau, nichts anhaben kann. Bis minus 14 Grad nehmen die Palmen, also was man von ihnen sieht, nicht übel, die Wurzeln sind empfindlicher: Die müssen schon ab minus sechs Grad mit Styropor und Holzplatten abgedeckt, isoliert und wenn's bitter kalt ist, sogar beheizt werden.
Die Reaktionen der Bewohner des Stadtteils sind fast ausnahmslos positiv: Man freut sich, weil Palme für Süden steht, an den letzten Urlaub erinnert oder den nächsten schon wieder ankündigt. Für Reinisch bedeuten die in der Sanderau ausgesetzten Palmen in den ersten Jahren vor allem Arbeit: Ein solides Gerüst, bis sich die Wurzeln fest im Untergrund verankert haben und vor allem viel Wasser. Etwa 45 Minuten ist er derzeit am Tag zum Gießen unterwegs, bis eine Palme richtig angewurzelt ist, schluckt sie pro Woche zwischen 100 und 200 Liter Wasser.
Die einzige Enttäuschung kam bisher aus dem Rathaus: Reinisch hatte der Stadt eine Palme angeboten, einschließlich kostenloser Betreuung. Die wollte er bei der Kirche St. Adalbero in die Mitte eines Kreisverkehrs pflanzen, wo bisher eine hässliche Pflasterwüste ist. Eine Palme an der Stelle sei nicht zulässig, hat Reinisch erfahren und das hat ihn, allerdings nur leicht, „auf die Palme gebracht“. Sieht da nicht etwas südländisch Grünes viel schöner aus als Pflastersteine, fragt er. Nachschub wäre schon auf seinem Betriebshof, zwei auch schon über drei Meter hohe Palmen, die noch eingezwängt sind in überdimensionale Blumentöpfe. Er wird auch für sie ein Plätzchen finden.
Inzwischen kommen aus allen Teilen Deutschlands Palmenfreunde zu Reinisch, um sich zu erkundigen, wie Palmen in der Großstadt überleben. Literatur hat er inzwischen über Palmen viel mehr als übers Glaserhandwerk und er denkt beim Palmen-Pflanzen immer nur an schönes Stadtbild und glückliche Passanten. Seine Palmen haben den Charakter von Allee-Bäumen am Straßenrand, es gibt keine einzige im privaten Garten, unter der Reinisch an schönen Sommertagen mal mit Ehefrau Helga im Liegestuhl den Palmblättern zuschauen könnte, wenn sie sich im Wind wiegen. „Dafür hätte ich“, sagt der 49-Jährige, „auch gar keine Zeit.“ Da ist der Betrieb, da sind die Palmen, die gegossen, gestützt und im Winter eingepackt werden müssen und er hat ja noch ein berufsnahes Hobby: Er liebt und fotografiert Jugendstil-Fenster, wenn's geht, in Kombination mit Palmen.