Die Zahl der Besucherinnen und Besucher bei der Infoveranstaltung der Unterfranken-SPD im Felix-Fechenbach-Haus in Würzburg war mit knapp zwei Dutzend zwar überschaubar. Allerdings sorgten die Mitglieder für eine lebhafte, kontroverse Debatte, die deutlich machte: Ein Selbstläufer ist die Zustimmung der knapp 5400 unterfränkischen Genossinnen und Genossen zum Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD keineswegs.
Für die Verhandlungserfolge gab es im Publikum durchaus anerkennende Worte. Knackpunkt indes war an diesem Abend die Migrationspolitik. Dass komplette Kapitel zu Asyl und Migration sei eine "Katastrophe", sagte die frühere Bundestagskandidatin Freya Altenhöner. Er sei enttäuscht und werde dem Vertrag nicht zustimmen, kündigte Markus Mader, Co-Vorsitzender der Würzburger Jungsozialisten, an.

Noch-Staatssekretärin Sabine Dittmar, die selbst an den Koalitionsgesprächen teilgenommen hatte, und ihr Bundestagskollege Bernd Rützel sowie der Landtagsabgeordnete Volkmar Halbleib hatten keinen leichten Stand beim Werben für den "großen Verhandlungserfolg", den die Parteichefs Saskia Esken und Lars Klingbeil ihrer Meinung nach errungen haben.
Die drei zählten unter anderem die geplante Mindestlohnerhöhung, die Sicherung des Rentenniveaus, das Tariftreuegesetz, die Termin-Garantie beim Facharzt sowie die Übernahme von gleich sieben Ministerien auf. Das sei mehr als man bei 16,4 Prozent Stimmenanteil erwarten durfte.
Wie Unterfranken vom Koalitionsvertrag profitiert
Der größte SPD-Erfolg indes sei das Aussetzen der Schuldenbremse für Rüstungsausgaben sowie das Sondervermögen Infrastruktur, mit dem die dringend notwendigen Investitionen in Brücken, Bahnstrecken, Schulen und die klimagerechte Transformation der Wirtschaft endlich angegangen werden könnten. Gerade Unterfranken mit dem drei Milliarden Euro teuren Ausbau des Uniklinikums werde davon profitieren, so Halbleib.
Friedrich Merz und Markus Söder seien "keine leichten Verhandlungspartner" gewesen, deutete Bernd Rützel an. Entsprechend habe man "Kröten" wie Verschärfungen beim Bürgergeld, die Flexibilisierung des Arbeitsschutzgesetzes oder Absagen an eine Vermögenssteuer und höhere Erbschaftssteuern schlucken müssen. Manchmal habe man auch "Schlimmeres verhindert", etwa die Zerschlagung des Arbeits- und Sozialministeriums als eigenständiges Ressort. Er sei "sehr dankbar, dass dies gelungen ist", so der Chef der Unterfranken-SPD.
Der Knackpunkt bei der SPD ist die Migrationspolitik
Ausgerechnet die SPD, die doch für "internationale Solidarität" stehe, beteilige sich an einer "Diskursverschiebung nach rechts", ignoriere europäisches Recht und spiele "Schutzbedürftige" gegeneiander aus, beklagte Juso-Mann Mader. Er finde diese Entwicklung "deprimierend", pflichtete SPD-Urgestein Edmund Buch aus Hausen (Lkr. Würzburg) den Jusos bei, kündigte aber an, "mal wieder trotzdem für den Koalitionsvertrag zu stimmen". Die Alternativen seien "noch schlechter".

Die Vereinbarungen zur Migration seien nicht ihr "Lieblingskapitel im Koalitionsvertrag", beteuerte Sabine Dittmar. Sie sagte aber auch, es seien eben auch viele SPD-Anhängerinnen und -Anhänger, die ein schärferes Vorgehen gegen Migranten fordern, vor allem gegen solche, die kein Aufenthaltsrecht haben.
Die SPD habe die Bundestagswahl nicht zuletzt auch verloren, weil sie sich beim Thema Migration zu lange vor Antworten gedrückt habe, erklärte Volkmar Halbleib. Wählerwanderungsstatistiken zeigten, dass zahlreiche ehemalige SPD-Wählerinnen und -Wähler direkt zur AfD gewechselt sind.
Und trotz aller Verschärfungen sei es den SPD-Verhandlern gelungen, Akzente in Sachen Humanitität zu setzen, betonten Dittmar und Rützel. So sei das Grundrecht auf Asyl, "das die Union weghaben wollte", gesichert worden. In Sachen Integration habe man unter anderem die Sprachförderung in Kitas und die "auskömmliche Finanzierung" (Dittmar) der Sozialberatung von Migranten durchsetzen können.
Was wären die Folgen einer Ablehnung durch die SPD?
Vor allem Halbleib war es schließlich, der an die Kritikerinnen und Kritiker appellierte, an die Folgen zu denken, sollten die Genossinnen und Genossen mehrheitlich gegen den Koalitionsvertrag votieren. Dann gebe es vermutlich Neuwahlen mit starkem Zuwachs bei der AfD - "und ganz bestimmt nicht bei uns".
Von einer "Verantwortung für das Land", die die SPD in ihrer Geschichte immer ausgezeichnet habe, sprach der ehemalige Landtagsabgeordnete Herbert Franz. Es gehe beim Mitgliederentscheid nicht zuletzt auch darum, die Demokratie vor den Extremisten zu bewahren. Halbleib wiederum zeigte sich überzeugt: "Das beste Mittel gegen den Rechtsruck ist die Umsetzung dieses Koalitionsvertrags."