Zur Begrüßung bellen sie aufgeregt und vernehmlich, von ihren scharfen Zähnen aber machen die beiden Mischlingshunde aus dem Hause Klüpfel-Giegerich gottlob keinen Gebrauch. Für ihre Frauchen hingegen ist das Thema "Zähne" ganz zentral. 2019 gründeten sie in Würzburg ihr Unternehmen "Alphabite", das sogenannte Effektzähne herstellt. So manches Produkt der Firma würde auch zum einen oder anderen Halloween-Kostüm gut passen.
Susi Klüpfel und Esther Giegerich, seit vielen Jahren verheiratet und auch schon eine ganze Weile zusammen arbeitend, haben extra für den Besuch der Presse ihre wüstesten Exponate hervorgeholt: In entzündetem Zahnfleisch stecken schiefe, faulige Zahnruinen, spitzige Hauer machen sich gleich in mehreren Reihen gegenseitig den Platz streitig, lange Vampirzähne ragen bis hinunter zum Kinn, und dazwischen jedwede Sorte Ork-artiger Alptraumgebisse. All das kann sich der geneigte Kunde tatsächlich in den Mund stecken.

"Schon mit 18 oder 19 war mein Traumberuf, Filmzähne für Hollywood zu machen", erzählt Susi Klüpfel. Sie sei, verrät sie amüsiert, sozusagen schon mit einem Zahn in der Hand geboren worden. Vor 23 Jahren übernahm sie das Dentallabor ihres Vaters, das es schon seit mehr als 50 Jahren gibt. Dort machen die Zahntechnikermeisterin und ihre Mitarbeiter das, was in einem Dentallabor üblicherweise so gemacht wird.
Daneben aber widmet sich die 55-Jährige mit Begeisterung ihrer Leidenschaft für gerne auch mal eklige Verkleidungen. Sie sagt: Das Kostüm kann noch so umwerfend sein - erst die passenden Zähne machen es perfekt. Schon früher hat sich Susi Klüpfel zu ihren Outfits die entsprechende Gesichts-Deko angefertigt, "und ich war immer der Knüller." Irgendwann verspürte sie dann den Wunsch, das auch anderen zu ermöglichen, und gründete mit Esther Giegerich "Alphabite".
"Ich will einen Oscar in der Kategorie Special Effects."
Susi Klüpfel, Mitinhaberin von Alphabite
Die 49-Jährige kümmert sich im Labor um die Buchhaltung und ist bei Alphabite für die Kommunikation mit den Kunden zuständig, hat aber einen ganz anderen Hauptberuf. Als Fachkrankenschwester für Anästhesie und Intensivmedizin kennt sie sich mit Hygiene bestens aus, was für das Betätigungsfeld des neuen Unternehmens hilfreich ist. Natürlich hat auch sie den einen oder anderen Satz Grusel-Zähne. "Dark Crave" heißt ihr Lieblingsmodell, zwei Reihen spitzer Zähne, komplett mit Zahnstein- und Parodontose-Begleitung.
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Die passen aber wirklich nur ihr, denn die Effektzähne werden für jeden Interessenten individuell nach dessen Zahnabdruck angefertigt. Zu diesem Zweck verschickt Alphabite europaweit ein selbst ersonnenes Starter-Kit, das unter anderem Abdrucklöffel und Abformmasse enthält und mit dem die Kunden zu Hause selbst den Zahnabdruck anfertigen und dann zurückschicken können. Den Abdruck kann man aber auch beim Zahnarzt machen lassen.

Alphabite selbst verfügt über einen 3D-Scanner, der bei professionellen Filmaufnahmen oder im Theater zum Einsatz kommt. Denn diese Zielgruppe möchte sich das junge Unternehmen gern erschließen. "Ich will", sagt Susi Klüpfel selbstbewusst, "einen Oscar in der Kategorie Special Effects". Mit zwei großen internationalen Projekten seien sie für das kommende Jahr schon in Kontakt, freuen sich die beiden Inhaberinnen.
Rollenspieler gehören zum Kundenkreis
Aber nicht nur Filmproduktionen haben Bedarf an Effektzähnen. Vor allem Larper und Cosplayer zählen zum Kundenkreis von Alphabite. Was sind das für Leute? "LARP bedeutet Live Action Role Playing", erklärt Esther Giegerich. Bei diesen Live-Rollenspielen verkleiden sich die Mitspieler, meist mit viel Aufwand, als die von ihnen verkörperten Figuren. Cosplayer stellen vorgegebene Figuren, etwa Filmhelden, möglichst originalgetreu nach und posieren in ihren Kostümen bei Treffen oder für Fotoaufnahmen. Wer so ein Hobby hat, sagt Susi Klüpfel, gibt nicht selten richtig viel Geld dafür aus.

Auch die Effektzähne sind nicht eben billig. Je nach Aufwand kosten sie mehrere hundert Euro. "Sie sind ihren Preis aber wert, wenn man sich die Arbeit anschaut, die dahinter steckt", sagt dazu Esther Giegerich. Die nämlich ist aufwendig. Zwei bis drei Wochen sitzt Susi Klüpfel an einem Auftrag. Aus dem Zahnabdruck wird zunächst ein Gipsmodell hergestellt, das als Vorlage für die aus Dentalkunststoff gefertigten Effektzähne dient. In Handarbeit, mit viel Geschick, Fantasie und Farbe, entstehen die täuschend echt wirkenden Zahn-Attrappen, die, wären sie natürlichen Ursprungs, einen Zahnarzt auf Jahre beschäftigen könnten. "Nicht mehr weiß und nicht mehr gerade, das ist unser Ziel", scherzt Susi Klüpfel.
Mit den Effektzähnen kann man sogar küssen
Die fertigen Effektzähne werden auf die eigenen Zähne einfach aufgesteckt und halten ohne Kleber. Und sie sind, behauptet Susi Klüpfel, so bequem, dass sie den ganzen Tag getragen werden können und nur zum Essen herausgenommen werden müssen. Angeblich lässt sich mit den Effektzähnen im Mund sogar ein Kuss bewerkstelligen - so sich denn ein nervenstarker Partner findet, der sich dazu breitschlagen lässt.

"Rollenspieler haben die Zähne sogar tagelang drin", sagt Esther Giegerich und erzählt vom "Conquest of Mythodea", einem fünf Tage dauernden Rollenspiel, zu dem alljährlich Zehntausende ins niedersächsische Brokeloh kommen. Da Rollenspieler sehr konkrete Vorstellungen von ihrem Kostüm und den dazu passenden Zähnen haben, besteht auch die Möglichkeit, Skizzen einzuschicken und sich selbst ausgedachte Effektzähne bauen zu lassen. Nur einzelne Zähne bietet Alphabite nicht an, "wegen der Verschluckungsgefahr", sagt Susi Klüpfel.
Einen prominenten Auftritt haben die Würzburger Effektzähne übrigens schon hingelegt: Im Trailer für das Wacken Open Air 2021 gibt es gleich zu Beginn einen unheimlichen Vampir zu bestaunen, der die eindrucksvollen Beißer trägt.
