Mit über 1200 Hitlerjungen aus dem Raum Würzburg wurde der 15-Jährige 1944 an den Westwall nach Hülsweiler im Saarland gebracht. Dort musste er Panzer- und Schützengräben ausheben. Doch bald bekam er als "Bannfriseur" einen eigenen Laden. Der Junge schnitt seinen Kameraden auch während dem Schanzen die Haare. Eine gefährliche Arbeit: Nur knapp entging Scheuring einmal den Geschossen eines englischen Tieffliegers.
"Einmal musste ich um 2 Uhr morgens zum Haareschneiden antreten", erinnert sich Scheuring. Der Würzburger Hitlerjugend-Bannführer Gröner, ein kriegsinvalider Ex-Soldat, mit dem Deutschen Kreuz in Gold ausgezeichnet, hatte nach ihm verlangt. "Wahrscheinlich musste er zu einem wichtigen Rapport", so der agile Friseur.
Zurück in Würzburg wurde die Lehre beim Vater fortgesetzt. Der Herren- und Damen-Salon Scheuring in der Domerschulstraße hatte damals viele Soldaten der Waffen-SS Mainfranken als Kunden. Deren Hauptquartier war in der nahen Bibrastraße gewesen. Diese schwarzen Gesellen wollten den jungen Friseurgehilfen unbedingt anwerben. Doch Scheuring meldete sich lieber freiwillig im März 1945 zur Kriegsmarine. Mit dem erhofften U-Bootfahren wurde es nichts. Das Meer sah Scheuring nie, dafür aber den Bodensee, wo er sich bei Abhärtungsübungen im zugefrorenen Schwäbischen Meer die Fersen erfror. Den 8. Mai 1945 erlebte der junge Marinesoldat "untergetaucht" bei einer Tante bei Donaueschingen in einem Pfarrhaus.
Zurückgekehrt ins zwischenzeitlich bombardierte Würzburg, fand Otmar Scheuring auch den väterlichen Friseurladen zerstört vor. Die Scheurings schnitten bis 1949 in der Zellerau Haare. Der Laden eines ehemals fanatischen Nationalsozialisten wurde übernommen. Es ging zurück in den alten Salon am Dom. Der war zwischenzeitlich notdürftig wieder hergestellt worden, jedoch nur über einen Trümmersteig erreichbar. Von 1936 bis 1981 arbeiteten Scheurings in der Domerschulstraße. Als Otmar Scheurings Vater Franz verstarb, machte er 1981 den Meistertitel. Über vier Jahre war er dann in der Karmelitenstraße. Jetzt hat Scheuring seit 18 Jahre sein Geschäft in der Pleich.
Der hochbetagte Graf August Friedrich von Luxburg, Bischof Josef Stangl und lange Zeit auch Bischof Paul-Werner Scheele waren Stammkunden im Friseursalon von Scheuring. "1943 kostete ein Haarschnitt 80 Pfennig und heute bei mir in der Pleich 9,50 Euro/18,60 DM. Für damals fünf Pfennig Trinkgeld konnte man sich ein kleines Bier kaufen und ein Stück Rotwurst."
Scheuring erinnert sich, dass sein Vater vor dem Krieg noch am Sonntag früh Kunden im Hotel frisiert hatte. Mittwoch und Samstag waren die Rasiertage. Bis Kriegsende gab es auch Rasierabonnements. Schwerstarbeit war das Bartrasieren von Leuten, die beruflich mit Pferden zu tun hatten. Der Pferdestaub setzte sich hartnäckig in die Barthaare. Als der elektrische Rasierapparat erfunden wurde, kam das Rasieren im Friseursalon aus der Mode. "Auch haben die Leute heute für eine Nass-Rasur beim Friseur keine Zeit mehr", meint er.
Anekdotisch wird es, wenn Friseurmeister Scheuring vom ehemaligen Besitzer des Café Stock in der Blasiusgasse erzählt. Herr Baumann, vom Alter her so Mitte 60, kam jeden Mittwoch pünktlich um 1430 Uhr vorbei, um genauso pünktlich immer vor dem Friseurspiegel einzuschlafen. Die Arbeit am schlafenden Objekt war natürlich viel schwieriger.
Der 75-Jährige Otmar Scheuring ist bis heute mit Freude bei der Arbeit. An Ruhestand denkt er nicht. Nur an drei Tagen öffnet er allerdings seinen Laden, weil er sich in seiner Sanderauer Wohnung um seine schwer behinderte Frau Elisabeth kümmert, eine ehemalige Friseuse, mit der er seit 1938 verheiratet ist. Die fast 70-Jährige erblindete schon mit 36 Jahren und ist jetzt auch noch teilgelähmt. Otmar Scheuring hat drei Kinder, sechs Enkel und zwei Urenkel.

Lange Jahre war er im Würzburger Sängerverein aktiv sowie Turner und Trainer beim TV Jahn Würzburg. Jahrzehntelang betätigte er sich als Wanderwart des Rhönklub Würzburg. Scheuring ist Träger des Ehrenzeichens des Ministerpräsidenten für ehrenamtliche Tätigkeiten.