Haltbare Lebensmittel, Getränke, Toilettenpapier, Reinigungstücher und Desinfektionsmittel: Die Verbreitung des Coronavirus in Deutschland treibt Verbraucher zu Hamsterkäufen. Bilder aus Supermärkten zeigen leergeräumte Regale. Der Handel berichtet von einer gestiegenen Nachfrage, sieht aber keine Gefahr für die Versorgung der Bevölkerung.
Obwohl es bislang in Unterfranken noch keinen bestätigten Coronovirus-Fall gibt, ist in vielen Märkten ein Herdenverhalten zu beobachten. "Es wird einfach mehr gekauft", sagt eine Verkäuferin in einem Würzburger dm-Markt zu einer Kundin, die nach Desinfektionsmittel fragt. Die Regale dort - wie auch in weiteren Filiale - sind leergefegt. Zur Info hat die Filialleitung ein Schild aufgehängt, auf dem die Kunden um Verständnis gebeten werden.
Die Leute kaufen alles, "wo Sagrotan drauf steht"
Auch andere Drogeriemärkte sind betroffen. Die stellvertretende Geschäftsführerin einer Rossmann-Filiale in Würzburg berichtet: "Wir haben gar nichts mehr." Alle Regale mit Desinfektionsmitteln seien leer. Die Leute kaufen alles, "wo Sagrotan drauf steht". Auch Hygieneprodukte wie Toilettenpapier, Küchenrollen, Taschentücher oder Babynahrung würden seit Samstag vermehrt gekauft.
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Ein ähnliches Bild in den Supermärkten: Marco Trabold, Inhaber mehrerer Edeka-Frischemärkte in Würzburg und Umgebung, sagt: "Mittlerweile ist es auch bei uns so weit." Gekauft werden vor allem haltbare Lebensmittel wie Zucker, Mehl, Salz, Konserven oder auch Tiefkühlprodukte. Tiefkühlpizzen beispielsweise gehen oft stapelweise weg. Die Märkte seien jedoch vorbereitet. Die Lieferbestände werden hochgeschraubt, nur in manchen Fällen hätten diese nicht ausgereicht. Vor allem bei Desinfektionsmitteln bestätigt Trabold Lieferengpässe.

Im tegut-Markt von Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld) sind am Dienstag die Reihen mit den Schoko-Osterhasen zwar voll bestückt, bei Mehlen aber ist die Auswahl arg beschränkt, die Regale fast leergeräumt. Um die Ecke, wo die Gefrier-Vitrinen stehen, fehlen die üblichen Beutel mit Standard-Gefrier-Gemüse in den unteren Reihen fast vollständig. Die Corona-Angst hat offensichtlich auch die Rhöner Tiefkühl-Abteilungen erreicht.
Bei Desinfektionsmitteln kommen die Hersteller nicht mehr nach
An Desinfektionssprays sind noch einige Flaschen in der Non-Food-Abteilung zu haben. "Wir können flächenddeckend eine höhere Nachfrage nach Produkten verzeichnen, die länger haltbar sind - wie Reis, Nudeln oder Toilettenpapier", sagt Matthias Pusch, Pressesprecher der Supermarkt-Kette tegut, die in Bayern 40 Filialen hat. "Aber die Versorgungslage ist noch normal." Nur bei Desinfektionsmitteln "kommen die Hersteller mit Lieferungen nicht mehr nach", sagt Pusch. "Auch in der Logistik ist derzeit mehr zu tun, es verlassen derzeit schlicht mehr Waren unser Lager in Fulda."

Nebenan, im dm-Drogeriemarkt, warnt ein Hinweiszettel an der Eingangstür: "Wir weisen darauf hin, dass Hygiene- und Desinfektionsmittel derzeit ausverkauft sind. Wir bitten unsere Kunden um Verständnis." Wenn es so weiter geht, kann der Hinweis noch um die Produktgruppe Toilettenpapier ergänzt werden, denn davon gab es am Dienstagvormittag bei der Stichprobe dieser Redaktion in diesem Drogeriemarkt nur ganz wenige Restbestände.
Apotheker aus Karlstadt: "Die Menschen sind sehr nervös"
In Karlstadt sind in der Mohren-Apotheke das Handdesinfektionsmittel sowie Atemschutzmasken ausverkauft. "Seit vergangenem Donnerstag sind die Menschen sehr nervös", sagt Inhaber Christoph Weißhaar. "Vor allem Transplantationspatienten und pflegende Angehörige sind resigniert, denn sie bräuchten diese Hygieneartikel eigentlich dringender." Angelo Calabro, Filialleiter der Drogerie Müller in Marktheidenfeld, sagt: "Die Regale sind leer, vor allem die mit Desinfektionsmitteln und Seifen."
Für Martin Zell, Inhaber des tegut-Marktes in Burgsinn (Lkr. Main-Spessart), ist die große Nachfrage nicht rational: "Die Menschen kaufen unvernünftiger Weise zu große Mengen ein. So viel Desinfektionsmittel brauchen sie wahrscheinlich in den nächsten zehn Jahren nicht bei sich zu Hause", sagt er. "Das ist wie eine Spirale: Der Kunde sieht das leere Regal und denkt sich, 'jetzt muss ich auch schnell noch einkaufen'. Das sind Panikkäufe, aber einen Grund zur Panik gibt es nicht!"
Auch in Schweinfurt hohe Nachfrage
Haltbare Sachen gehen im Moment auffällig gut, hat die Marktleiterin im Rewe-Citymarkt in Schweinfurt festgestellt. Auch Konserven landen häufiger in den Einkaufswägen der Kunden. Das Wort "Hamsterkäufe" will man hier aber nicht in den Mund nehmen, als kleinerer City-Markt ist man wahrscheinlich auch nicht die erste Adresse dafür.
Im Schweinfurter Kaufland wird da schon augenfälliger, dass offenbar mancher Kunde ausgerechnet jetzt entdeckt, dass es eine gute Idee wäre, mal wieder ordentlich H-Milch, Mehl, Speiseöl und andere haltbare Lebensmittel einzukaufen. Ein Kunde hievt 16 Dosen löslichen Tee, noch im Karton, auf den Boden des Einkaufswagens.
Der Marktleiter verweist an die zentrale Pressestelle. "Derzeit werden in einigen unserer Filialen Grundnahrungsmittel wie Nudeln und Konserven sowie Hygieneprodukte stark nachgefragt", heißt es dort. Die Warenversorgung sei jedoch grundsätzlich gewährleistet. An diesem Dienstagnachmittag sind es jedoch gefühlt mehr Kunden als sonst, die Vorratskäufe tätigen.
In Kitzingen werden Kunden beraten
Auch in Kitzingen hat sich das Einkaufsverhalten verändert, wie die Mitarbeiterin eines Lebensmittel-Marktes bestätigt. Bei Konserven und Grundnahrungsmitteln wie Nudeln und Brotbackmischungen gebe es eine erhöhte Nachfrage. Aber auch Hygieneartikel und Desinfektionsmittel "sind sehr gefragt". Um einer Panik entgegenzuwirken, sprechen die Angestellten mit den Kunden. "Wir beruhigen die Leute und raten von Hamsterkäufen ab", erklärt die Mitarbeiterin. Seit Montag gebe es zudem Hygienespender vor dem Laden, um den Kunden eine Desinfektion vor und nach dem Einkaufen zu ermöglichen.
Volker Wedde vom Einzelhandelsverband Bayern bestätigt vereinzelte Hamsterkäufe in Unterfranken. Zahlen dazu habe er aber nicht, sagte der Bezirksgeschäftsführer auf Anfrage dieser Redaktion. Der Verbandsfunktionär rechnet damit, dass auch in den kommenden Tagen so manches Ladenregal leer bleibt, obwohl der Handel sich um lückenlose Nachlieferung bemühe: "Es kann vorkommen, dass Engpässe auftreten."
Mittlerweile fallen in Mainfranken wegen des Coronavirus auch Großveranstaltungen aus. So hat das Zentrum für Aphasie und Schlaganfall am Dienstag den alljährlichen Bundeskongress "Aphasie-Tage" (19. bis 21. März) in Würzburg abgesagt. Ähnliches widerfuhr dem Studien-Info-Tag der Würzburger Universität am Dienstag.
Mitarbeit: dink
Coronavirus: ZF verschiebt BetriebsversammlungZum zweiten Mal hat ZF in Schweinfurt ein großes Zelt auf dem Volksfestplatz errichten lassen, um nur eine Betriebsversammlung für den Standort abhalten zu können und nicht, wie bisher, drei Versammlungen. Das Zelt fasst 4500 Personen. Geplant war die Versammlung für Montag, 9. März. Jetzt wurde sie wegen der Coronavirus-Gefahr abgesagt. Eine Massenveranstaltung mit tausenden Beschäftigten könne er nicht verantworten, so der Betriebsratsvorsitzende Oliver Moll, zumal ZF als internationaler Konzern viele Auslandkontakte mit eigenen Mitarbeitern auch in und nach China pflege. Das Zelt wird ungenutzt zunächst wieder abgebaut, die Betriebsversammlung auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Die Kosten liegen laut ZF im fünfstelligen Bereich. Auch der Industriezulieferer Schaeffler hat seinen Besuchertag im Ausbildungszentrum Schweinfurt an diesem Freitag wegen der Ausbreitung des Coronavirus abgesagt. Wann der Termin nachgeholt wird, sei nicht klar.