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WÜRZBURG: Handwerk hat Jobs für 281 Flüchtlinge

WÜRZBURG

Handwerk hat Jobs für 281 Flüchtlinge

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    Fit für die Lehre: An der Franz-Oberthür-Schule lernt Cabdigani Ismaacil nicht nur Deutsch und Mathe. Metall-Fachlehrer Stefan Zeidler bringt ihm auch Handgriffe bei, die der 21-Jährige in seiner Ausbildung brauchen wird.
    Fit für die Lehre: An der Franz-Oberthür-Schule lernt Cabdigani Ismaacil nicht nur Deutsch und Mathe. Metall-Fachlehrer Stefan Zeidler bringt ihm auch Handgriffe bei, die der 21-Jährige in seiner Ausbildung brauchen wird. Foto: Foto: DANIEL PETER

    Cabdigani Ismaacil will Handwerker werden. „Im Bau oder vielleicht Tischler.“ Der 21-Jährige aus Somalia probiert jetzt durch Praktika aus, wo seine Talente liegen. Nächstes Jahr will der Schüler der Franz-Oberthür-Schule eine Lehre anfangen.

    „Wir brauchen junge Menschen, die sich für das Handwerk begeistern“, sagt Josef Hofmann. Vielen Meistern fehlten Lehrlinge und Gesellen. Der FWG-Stadtrat, Inhaber eines Steinmetzbetriebs und Kreishandwerksmeister, hat deshalb seine Kollegen gefragt, ob sie die Chance nutzen und Flüchtlinge ausbilden, qualifizieren oder als Helfer beschäftigen würden. 89 Betriebe in Würzburg und Umgebung haben einen Bedarf für 281 Menschen gemeldet. 219 werden als Auszubildende oder Fachleute gebraucht.

    „Das ist doch ein deutliches Signal“, bewertet Hofmann diese „enorme Zahl“. Und nicht nur das Handwerk profitiere, wenn es seinen Beitrag zur Bewältigung der Flüchtlingskrise leiste: Flüchtlinge gewinnen mit einer Arbeit Sprachkenntnisse, Kontakte und Motivation sowie „eine Perspektive für eine solide Existenz ohne Sozialtransfer“.

    Azubis werden nicht abgeschoben

    Unterstützt wird die Wirtschaft von der Stadt: So garantiert das Ausländeramt, dass Azubis aus Fluchtländern während der Ausbildung nicht abgeschoben werden. Gemeinsam bereiten Sozialreferat, Bundesagentur für Arbeit und Franz-Oberthür-Schule junge Migranten auf den Berufseinstieg vor. 110 Schülern bringt man dort aktuell Deutsch und praktische Kenntnisse für handwerkliche Berufe bei. Sozialarbeiter der Handwerkskammer Service GmbH helfen, Bewerbungen zu schreiben und Praktika zu organisieren.

    Erfolgreich: Von 29 Schülern der Abschlussklasse sind nur fünf unversorgt geblieben. Wer eine Lehre macht, wird weiter unterstützt. Das ist auch notwendig: Laut einem aktuellen Bericht der „Welt“ brechen nämlich überdurchschnittlich viele Flüchtlinge ihre Ausbildung ab. „Das liegt nicht an mangelnder Motivation, sondern meistens an den fehlenden Deutschkenntnissen“, sagt Hermann Helbig, stellvertretender Leiter der Franz-Oberthür-Schule.

    Von älteren Flüchtlingen, die in ihrer Heimat schon gearbeitet haben, versucht man die mitgebrachten Kenntnisse und Neigungen zu nutzen. So fragt eine Mitarbeiterin des Sozialreferats Neuankömmlinge in städtischen Unterkünften nach Fähigkeiten, Ausbildung und Zeugnissen. „Hier ist vom Arzt bis zum Analphabeten alles dabei“, sagt Siegfried Scheidereiter, Koordinator im Sozialreferat. Um für die geeigneten Menschen dann die geeigneten Jobs zu finden, kann Scheidereiter jetzt die von Kreishandwerksmeister Hofmann zusammengetragene Liste nutzen. „Denn das muss möglichst schnell gehen.“

    Schnell deshalb, weil die bisherige Asylpraxis gezeigt hat: Wen man Jahre warten lässt, bis er Deutsch lernen und arbeiten darf, der ist für den Arbeitsmarkt oft verloren. Jetzt will die Bundesagentur für Arbeit Flüchtlingen, die höchst wahrscheinlich hier bleiben, möglichst sofort Deutschunterricht anbieten.

    Sprachkurse in Planung

    „Wir führen gerade Gespräche mit den Bildungsträgern, um Sprachkurse für 400 bis 700 Menschen zu organisieren,“ erklärt Wolfgang Albert, Pressesprecher der Würzburger Arbeitsagentur. Dort kümmert sich momentan unter anderem ein arabischsprachiger Arbeitsvermittler um rund 80 Flüchtlinge, die bereits vor dem Abschluss ihres Asylverfahrens Arbeit suchen. „Das werden im nächsten Jahr erheblich mehr werden“, prognostiziert Albert.

    Prinzipiell sei der Würzburger Arbeitsmarkt durchaus in der Lage, Flüchtlinge aufzunehmen, sagt Albert. Schwer zu besetzen seien momentan zum Beispiel Ausbildungsstellen in einigen Handwerkssparten. Auch Hilfskräfte zum Beispiel in der Gastronomie werden gesucht. Es hänge aber von Sprachkenntnissen und Qualifikation ab, wer langfristig eine Arbeit finden werde.

    Denn auch wenn Integration möglichst schnell beginnen soll: Zeit braucht sie trotzdem. Das sagen Sozialarbeiter, die den Menschen aus anderen Kulturen auch beibringen, wie wichtig in Deutschland Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit sind. Das weiß auch die Wirtschaft. Die bayerische Industrie- und Handelskammer (IHK) investiert 3,2 Millionen Euro, um Flüchtlinge fit für den Arbeitsmarkt zu machen. Konkrete regionale Projekte will die IHK Würzburg-Schweinfurt noch vorstellen.

    Dass arbeitssuchende Deutsche vor der neuen Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt Angst haben, ist laut Albert unbegründet. Die aktuelle Arbeitslosenquote liegt in Würzburg bei rekordverdächtig niedrigen 2,9 Prozent. „Wenn man momentan keine Arbeit findet, liegt das in der Regel nicht an fehlenden Beschäftigungsmöglichkeiten, sondern an persönlichen Hemmnissen, wie gesundheitlichen Einschränkungen“, sagt Albert.

    Der Somalier Ismaacil freut sich auf seine erste Arbeit. In ein paar Wochen fängt er das Praktikum als Mauerer in einem Betrieb in Veitshöchheim an. Seit eineinhalb Jahren ist er hier, spricht immer besser Deutsch und ist optimistisch: „Erst kann ich Mauerer werden, dann Bauleiter.“

    Wann Flüchtlinge arbeiten dürfen

    Uneingeschränkt arbeiten dürfen nach Deutschland geflohene Menschen, deren Asylverfahren mit dem Ergebnis abgeschlossen wurde, dass sie hier bleiben dürfen. Falls dieses Verfahren noch läuft, dürfen Flüchtlinge nach drei Monaten arbeiten, wenn eine sogenannte Vorrangprüfung ergibt, dass ihre Stelle nicht mit einem Deutschen oder EU-Bürger besetzt werden kann.

    Nach 18 Monaten dürfen Asylsuchende auch ohne diese Klausel eingestellt werden. Eine Ausnahme bildet die Zeitarbeitsbranche: Asylbewerber dürfen in den ersten vier Jahren keinen Zeitarbeitsjob annehmen.

    Die Arbeitgeberverbände wünschen sich ein unbürokratischeres Verfahren und fordern, die Vorrangprüfung schon nach sechs Monaten auszusetzen. Auch das Beschäftigungsverbot in der Zeitarbeitsbranche sei aufzuheben, sagen die Verbände.

    Wichtig ist der Wirtschaft auch Rechtssicherheit für Betriebe, die Flüchtlinge ausbilden. Diese Jugendlichen sollen während der Ausbildung sowie zwei Jahre danach nicht abgeschoben werden. Diskutiert wird außerdem, ob für Asylbewerber zeitlich begrenzte Ausnahmen vom Mindestlohn gelten sollten. Text: gam

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